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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Stilpe.
und weiterhin im sanften Gleisgange Studenten,
Doktoren, Pastoren, Professoren, geheime Räte,
wirkliche geheime Räte, kurz allerlei Lichter oder
auch wohl blos Leuchter macht.

Mein Freund Stilpe, von dem ich hoffe, daß
ich ihn einst unsern Freund werde nennen dürfen
(aber man hofft manchmal verwegen), wurde aus
zweierlei Gründen in die Obhut dieser wissenschaft¬
lichen und moralischen Brutanstalt gegeben.

Einmal geschah es deshalb, weil der Vater not¬
wendig nach Südamerika reisen mußte, um dort
auf irgendwelchen besonders begnadeten Wiesen
irgendwelche Schmetterlinge zu fangen, die sich
darauf kaprizieren, just und nur dort ihr Dasein
hinzubringen, und die deshalb noch immer nicht
in die ihnen gebührende Klasse der wissenschaft¬
lichen Schmetterlingsordnung eingetragen waren.
Stilpe-Vater hätte aber nicht mit der Seelenruhe,
die zu einem solchen Geschäfte nötig ist, in das
ferne Land ziehen können, wenn er seinen Sohn
nicht in männlicher striegelnden Händen gewußt
hätte, als es die der guten Stilpe-Mama waren.
Denn es muß gesagt werden, daß Mama Stilpe
kein eigentliches Talent für Knabenerziehung besaß.
Sie war, eine liebe, nette und hübsche Frau übrigens,

Stilpe.
und weiterhin im ſanften Gleisgange Studenten,
Doktoren, Paſtoren, Profeſſoren, geheime Räte,
wirkliche geheime Räte, kurz allerlei Lichter oder
auch wohl blos Leuchter macht.

Mein Freund Stilpe, von dem ich hoffe, daß
ich ihn einſt unſern Freund werde nennen dürfen
(aber man hofft manchmal verwegen), wurde aus
zweierlei Gründen in die Obhut dieſer wiſſenſchaft¬
lichen und moraliſchen Brutanſtalt gegeben.

Einmal geſchah es deshalb, weil der Vater not¬
wendig nach Südamerika reiſen mußte, um dort
auf irgendwelchen beſonders begnadeten Wieſen
irgendwelche Schmetterlinge zu fangen, die ſich
darauf kaprizieren, juſt und nur dort ihr Daſein
hinzubringen, und die deshalb noch immer nicht
in die ihnen gebührende Klaſſe der wiſſenſchaft¬
lichen Schmetterlingsordnung eingetragen waren.
Stilpe-Vater hätte aber nicht mit der Seelenruhe,
die zu einem ſolchen Geſchäfte nötig iſt, in das
ferne Land ziehen können, wenn er ſeinen Sohn
nicht in männlicher ſtriegelnden Händen gewußt
hätte, als es die der guten Stilpe-Mama waren.
Denn es muß geſagt werden, daß Mama Stilpe
kein eigentliches Talent für Knabenerziehung beſaß.
Sie war, eine liebe, nette und hübſche Frau übrigens,

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[8/0022] Stilpe. und weiterhin im ſanften Gleisgange Studenten, Doktoren, Paſtoren, Profeſſoren, geheime Räte, wirkliche geheime Räte, kurz allerlei Lichter oder auch wohl blos Leuchter macht. Mein Freund Stilpe, von dem ich hoffe, daß ich ihn einſt unſern Freund werde nennen dürfen (aber man hofft manchmal verwegen), wurde aus zweierlei Gründen in die Obhut dieſer wiſſenſchaft¬ lichen und moraliſchen Brutanſtalt gegeben. Einmal geſchah es deshalb, weil der Vater not¬ wendig nach Südamerika reiſen mußte, um dort auf irgendwelchen beſonders begnadeten Wieſen irgendwelche Schmetterlinge zu fangen, die ſich darauf kaprizieren, juſt und nur dort ihr Daſein hinzubringen, und die deshalb noch immer nicht in die ihnen gebührende Klaſſe der wiſſenſchaft¬ lichen Schmetterlingsordnung eingetragen waren. Stilpe-Vater hätte aber nicht mit der Seelenruhe, die zu einem ſolchen Geſchäfte nötig iſt, in das ferne Land ziehen können, wenn er ſeinen Sohn nicht in männlicher ſtriegelnden Händen gewußt hätte, als es die der guten Stilpe-Mama waren. Denn es muß geſagt werden, daß Mama Stilpe kein eigentliches Talent für Knabenerziehung beſaß. Sie war, eine liebe, nette und hübſche Frau übrigens,

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/22>, abgerufen am 19.04.2024.