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Birken, Sigmund von: Die Fried-erfreuete Teutonje. Nürnberg, 1652.

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von der Unwissenheit untergedrükt würden. Sie wüste
wie vor zeiten die mächtige Ausonie jhre Sprachfreunde er-
hoben und geliebet. Wie sie derselben an Gewalt/ also wolte
sie jhr auch an Erkenntniß der Verdiensten nichts be-
"vor geben. Sprach und Staat blüheten miteinander.
"Man lese in den Geschichtbüchern/ daß jederzeit/ wann die
"Sprache eines Reichs oder Landes/ so sey auch dessen
"Macht und Staatwesen in Ab- oder Anfnemen kommen.
Was haltet jhr davon? sagte sie zu dem Eubulus.

18.

Was E. Durchl. antwortete er/ von dem Sprach-
wesen hochvernünftig erwähnet/ hat seine unfehlbare Ge-
wißheit/ wiewol jhrer viel/ zwar mit Ungrund/ die Sprach-
"übung für eine kaale Schulfuchserey/ und also mehr
"Hon- als Lohn- und Lobwürdig halten. Die Ursach ist/
"weil man sich leider nur zuviel in fremde Sprachen ver-
"liebet/ auch öfters mit denselben sich befreundet. Also gar
"ist der Hunger nach fremden Brod uns eingenatüret/
"gegen welche das jenige/ was uns zu Hause wächst bit-
"ter schmecket. E.
Durchl. ist auch bewust/ wie eben
"durch dieses Ubel in unsre Sprach so unzählich auslän-
"dische Flick- und Lappwörter eingeschlichen/ daß sie nun
"jhr selber nicht mehr gleich sihet. Sie/ die eine von den vier
"vornehmsten Haubtsprachen ist/ muß von denen/ aus an-
"dern zusammen gebettelten Sprachen noch Wörter bet-
"teln/ ungeacht sie an deren Anzahl selbst reicher ist/ als alle
"andre. Wir reisen mit grossem Unkosten/ und kauffen
"gleichsam der Fremden jhre Reden/ Kleider und Laster
"ins Land/ jhnen dargegen unsre Treu und Dapfferkeit
"lassende. Was wunder ist es dann/ daß sie auch zu uns kom-
"men/ und uns solche/ zu samt dem Lande/ mit Gewalt wi-
"der abnehmen?

19. Es

von der Unwiſſenheit untergedruͤkt wuͤrden. Sie wuͤſte
wie vor zeiten die maͤchtige Auſonie jhre Sprachfreunde er-
hoben und geliebet. Wie ſie derſelben an Gewalt/ alſo wolte
ſie jhr auch an Erkenntniß der Verdienſten nichts be-
„vor geben. Sprach und Staat bluͤheten miteinander.
„Man leſe in den Geſchichtbuͤchern/ daß jederzeit/ wann die
„Sprache eines Reichs oder Landes/ ſo ſey auch deſſen
„Macht und Staatweſen in Ab- oder Anfnemen kommen.
Was haltet jhr davon? ſagte ſie zu dem Eubulus.

18.

Was E. Durchl. antwortete er/ von dem Sprach-
weſen hochvernuͤnftig erwaͤhnet/ hat ſeine unfehlbare Ge-
wißheit/ wiewol jhrer viel/ zwar mit Ungrund/ die Sprach-
„uͤbung für eine kaale Schulfuchſerey/ und alſo mehr
„Hon- als Lohn- und Lobwürdig halten. Die Urſach iſt/
„weil man ſich leider nur zuviel in fremde Sprachen ver-
„liebet/ auch oͤfters mit denſelben ſich befreundet. Alſo gar
„iſt der Hunger nach fremden Brod uns eingenatuͤret/
„gegen welche das jenige/ was uns zu Hauſe waͤchſt bit-
„ter ſchmecket. E.
Durchl. iſt auch bewuſt/ wie eben
„durch dieſes Ubel in unsre Sprach ſo unzaͤhlich auslaͤn-
„diſche Flick- und Lappwoͤrter eingeſchlichen/ daß ſie nun
„jhr ſelber nicht mehr gleich ſihet. Sie/ die eine von den vier
„vornehmſten Haubtſprachen iſt/ muß von denen/ aus an-
„dern zuſammen gebettelten Sprachen noch Woͤrter bet-
„teln/ ungeacht ſie an deren Anzahl ſelbſt reicher iſt/ als alle
„andre. Wir reiſen mit groſſem Unkoſten/ und kauffen
„gleichſam der Fremden jhre Reden/ Kleider und Laſter
„ins Land/ jhnen dargegen unsre Treu und Dapfferkeit
„laſſende. Was wunder iſt es dañ/ daß ſie auch zu uns kom-
„men/ und uns ſolche/ zu ſamt dem Lande/ mit Gewalt wi-
„der abnehmen?

19. Es
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[12/0062] von der Unwiſſenheit untergedruͤkt wuͤrden. Sie wuͤſte wie vor zeiten die maͤchtige Auſonie jhre Sprachfreunde er- hoben und geliebet. Wie ſie derſelben an Gewalt/ alſo wolte ſie jhr auch an Erkenntniß der Verdienſten nichts be- „vor geben. Sprach und Staat bluͤheten miteinander. „Man leſe in den Geſchichtbuͤchern/ daß jederzeit/ wann die „Sprache eines Reichs oder Landes/ ſo ſey auch deſſen „Macht und Staatweſen in Ab- oder Anfnemen kommen. Was haltet jhr davon? ſagte ſie zu dem Eubulus. 18. Was E. Durchl. antwortete er/ von dem Sprach- weſen hochvernuͤnftig erwaͤhnet/ hat ſeine unfehlbare Ge- wißheit/ wiewol jhrer viel/ zwar mit Ungrund/ die Sprach- „uͤbung für eine kaale Schulfuchſerey/ und alſo mehr „Hon- als Lohn- und Lobwürdig halten. Die Urſach iſt/ „weil man ſich leider nur zuviel in fremde Sprachen ver- „liebet/ auch oͤfters mit denſelben ſich befreundet. Alſo gar „iſt der Hunger nach fremden Brod uns eingenatuͤret/ „gegen welche das jenige/ was uns zu Hauſe waͤchſt bit- „ter ſchmecket. E. Durchl. iſt auch bewuſt/ wie eben „durch dieſes Ubel in unsre Sprach ſo unzaͤhlich auslaͤn- „diſche Flick- und Lappwoͤrter eingeſchlichen/ daß ſie nun „jhr ſelber nicht mehr gleich ſihet. Sie/ die eine von den vier „vornehmſten Haubtſprachen iſt/ muß von denen/ aus an- „dern zuſammen gebettelten Sprachen noch Woͤrter bet- „teln/ ungeacht ſie an deren Anzahl ſelbſt reicher iſt/ als alle „andre. Wir reiſen mit groſſem Unkoſten/ und kauffen „gleichſam der Fremden jhre Reden/ Kleider und Laſter „ins Land/ jhnen dargegen unsre Treu und Dapfferkeit „laſſende. Was wunder iſt es dañ/ daß ſie auch zu uns kom- „men/ und uns ſolche/ zu ſamt dem Lande/ mit Gewalt wi- „der abnehmen? 19. Es

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Zitationshilfe: Birken, Sigmund von: Die Fried-erfreuete Teutonje. Nürnberg, 1652, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/birken_friedensvergleich_1652/62>, abgerufen am 29.03.2024.