Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite
Siebentes Kapitel: Unterwegs zwischen Frankfurt und Berlin.
II.

Ich suchte mich der Rolle, welche der König mich spielen ließ,
in schicklicher Weise zu entziehn und die Verständigung zwischen
ihm und Manteuffel nach Möglichkeit anzubahnen; so in den
ernsten Zerwürfnissen, welche über Rhino Quehl entstanden. Nach¬
dem durch Wiederherstellung des Bundestages nationale Sonder¬
bestrebungen Preußens einstweilen behindert waren, ging man in
Berlin an eine Restauration der innern Zustände, mit welcher
der König gezögert hatte, so lange er darauf bedacht war, sich die
Liberalen in den übrigen deutschen Staaten nicht zu entfremden.
Ueber das Ziel und die Gangart der Restauration zeigte sich aber
sofort zwischen dem Minister Manteuffel und der "kleinen aber
mächtigen Partei" eine Meinungsverschiedenheit, die sich merk¬
würdigerweise in einen Streit über Halten oder Fallenlassen einer
verhältnißmäßig untergeordneten Persönlichkeit zuspitzte und zu
einem scharfen, öffentlichen Ausbruch führte. In demselben Briefe
vom 11. Juli 1851, durch welchen er mich von meiner Ernennung
zum Bundestagsgesandten benachrichtigte, schrieb Manteuffel:

"Was unsre inneren Verhältnisse, namentlich die ständischen
Dinge betrifft, so würde die Sache ganz leidlich gehen, wenn man
darin mit etwas mehr Maß und Geschick verführe. Westphalen
ist in der Sache vortrefflich, ich schätze ihn sehr hoch und wir sind
im Wesentlichen einverstanden; die Fehde von Klützow 1)scheint mir
keine recht glückliche zu sein, und es sind in der Form wohl manche
nicht nothwendige Verstöße vorgekommen. Weit schlimmer aber
noch ist die Attitude, welche dabei die Kreuzzeitung einnimmt. Nicht
allein triumphirt sie in ungeschickter und aufregender Weise, sondern
sie will auch zu Extremen drängen, die ihr wahrscheinlich selber
nicht behagen würden. Wenn es z. B. möglich wäre und gelänge,

1) Es handelte sich um Meinungsverschiedenheiten in der Frage über die
Bildung der ersten Kammer.
Siebentes Kapitel: Unterwegs zwiſchen Frankfurt und Berlin.
II.

Ich ſuchte mich der Rolle, welche der König mich ſpielen ließ,
in ſchicklicher Weiſe zu entziehn und die Verſtändigung zwiſchen
ihm und Manteuffel nach Möglichkeit anzubahnen; ſo in den
ernſten Zerwürfniſſen, welche über Rhino Quehl entſtanden. Nach¬
dem durch Wiederherſtellung des Bundestages nationale Sonder¬
beſtrebungen Preußens einſtweilen behindert waren, ging man in
Berlin an eine Reſtauration der innern Zuſtände, mit welcher
der König gezögert hatte, ſo lange er darauf bedacht war, ſich die
Liberalen in den übrigen deutſchen Staaten nicht zu entfremden.
Ueber das Ziel und die Gangart der Reſtauration zeigte ſich aber
ſofort zwiſchen dem Miniſter Manteuffel und der „kleinen aber
mächtigen Partei“ eine Meinungsverſchiedenheit, die ſich merk¬
würdigerweiſe in einen Streit über Halten oder Fallenlaſſen einer
verhältnißmäßig untergeordneten Perſönlichkeit zuſpitzte und zu
einem ſcharfen, öffentlichen Ausbruch führte. In demſelben Briefe
vom 11. Juli 1851, durch welchen er mich von meiner Ernennung
zum Bundestagsgeſandten benachrichtigte, ſchrieb Manteuffel:

„Was unſre inneren Verhältniſſe, namentlich die ſtändiſchen
Dinge betrifft, ſo würde die Sache ganz leidlich gehen, wenn man
darin mit etwas mehr Maß und Geſchick verführe. Weſtphalen
iſt in der Sache vortrefflich, ich ſchätze ihn ſehr hoch und wir ſind
im Weſentlichen einverſtanden; die Fehde von Klützow 1)ſcheint mir
keine recht glückliche zu ſein, und es ſind in der Form wohl manche
nicht nothwendige Verſtöße vorgekommen. Weit ſchlimmer aber
noch iſt die Attitude, welche dabei die Kreuzzeitung einnimmt. Nicht
allein triumphirt ſie in ungeſchickter und aufregender Weiſe, ſondern
ſie will auch zu Extremen drängen, die ihr wahrſcheinlich ſelber
nicht behagen würden. Wenn es z. B. möglich wäre und gelänge,

1) Es handelte ſich um Meinungsverſchiedenheiten in der Frage über die
Bildung der erſten Kammer.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0157" n="130"/>
          <fw place="top" type="header">Siebentes Kapitel: Unterwegs zwi&#x017F;chen Frankfurt und Berlin.<lb/></fw>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">II.</hi><lb/>
          </head>
          <p>Ich &#x017F;uchte mich der Rolle, welche der König mich &#x017F;pielen ließ,<lb/>
in &#x017F;chicklicher Wei&#x017F;e zu entziehn und die Ver&#x017F;tändigung zwi&#x017F;chen<lb/>
ihm und Manteuffel nach Möglichkeit anzubahnen; &#x017F;o in den<lb/>
ern&#x017F;ten Zerwürfni&#x017F;&#x017F;en, welche über Rhino Quehl ent&#x017F;tanden. Nach¬<lb/>
dem durch Wiederher&#x017F;tellung des Bundestages nationale Sonder¬<lb/>
be&#x017F;trebungen Preußens ein&#x017F;tweilen behindert waren, ging man in<lb/>
Berlin an eine Re&#x017F;tauration der innern Zu&#x017F;tände, mit welcher<lb/>
der König gezögert hatte, &#x017F;o lange er darauf bedacht war, &#x017F;ich die<lb/>
Liberalen in den übrigen deut&#x017F;chen Staaten nicht zu entfremden.<lb/>
Ueber das Ziel und die Gangart der Re&#x017F;tauration zeigte &#x017F;ich aber<lb/>
&#x017F;ofort zwi&#x017F;chen dem Mini&#x017F;ter Manteuffel und der &#x201E;kleinen aber<lb/>
mächtigen Partei&#x201C; eine Meinungsver&#x017F;chiedenheit, die &#x017F;ich merk¬<lb/>
würdigerwei&#x017F;e in einen Streit über Halten oder Fallenla&#x017F;&#x017F;en einer<lb/>
verhältnißmäßig untergeordneten Per&#x017F;önlichkeit zu&#x017F;pitzte und zu<lb/>
einem &#x017F;charfen, öffentlichen Ausbruch führte. In dem&#x017F;elben Briefe<lb/>
vom 11. Juli 1851, durch welchen er mich von meiner Ernennung<lb/>
zum Bundestagsge&#x017F;andten benachrichtigte, &#x017F;chrieb Manteuffel:</p><lb/>
          <p>&#x201E;Was un&#x017F;re inneren Verhältni&#x017F;&#x017F;e, namentlich die &#x017F;tändi&#x017F;chen<lb/>
Dinge betrifft, &#x017F;o würde die Sache ganz leidlich gehen, wenn man<lb/>
darin mit etwas mehr Maß und Ge&#x017F;chick verführe. We&#x017F;tphalen<lb/>
i&#x017F;t in der Sache vortrefflich, ich &#x017F;chätze ihn &#x017F;ehr hoch und wir &#x017F;ind<lb/>
im We&#x017F;entlichen einver&#x017F;tanden; die Fehde von Klützow <note place="foot" n="1)"><lb/>
Es handelte &#x017F;ich um Meinungsver&#x017F;chiedenheiten in der Frage über die<lb/>
Bildung der er&#x017F;ten Kammer.</note>&#x017F;cheint mir<lb/>
keine recht glückliche zu &#x017F;ein, und es &#x017F;ind in der Form wohl manche<lb/>
nicht nothwendige Ver&#x017F;töße vorgekommen. Weit &#x017F;chlimmer aber<lb/>
noch i&#x017F;t die Attitude, welche dabei die Kreuzzeitung einnimmt. Nicht<lb/>
allein triumphirt &#x017F;ie in unge&#x017F;chickter und aufregender Wei&#x017F;e, &#x017F;ondern<lb/>
&#x017F;ie will auch zu Extremen drängen, die ihr wahr&#x017F;cheinlich &#x017F;elber<lb/>
nicht behagen würden. Wenn es z. B. möglich wäre und gelänge,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[130/0157] Siebentes Kapitel: Unterwegs zwiſchen Frankfurt und Berlin. II. Ich ſuchte mich der Rolle, welche der König mich ſpielen ließ, in ſchicklicher Weiſe zu entziehn und die Verſtändigung zwiſchen ihm und Manteuffel nach Möglichkeit anzubahnen; ſo in den ernſten Zerwürfniſſen, welche über Rhino Quehl entſtanden. Nach¬ dem durch Wiederherſtellung des Bundestages nationale Sonder¬ beſtrebungen Preußens einſtweilen behindert waren, ging man in Berlin an eine Reſtauration der innern Zuſtände, mit welcher der König gezögert hatte, ſo lange er darauf bedacht war, ſich die Liberalen in den übrigen deutſchen Staaten nicht zu entfremden. Ueber das Ziel und die Gangart der Reſtauration zeigte ſich aber ſofort zwiſchen dem Miniſter Manteuffel und der „kleinen aber mächtigen Partei“ eine Meinungsverſchiedenheit, die ſich merk¬ würdigerweiſe in einen Streit über Halten oder Fallenlaſſen einer verhältnißmäßig untergeordneten Perſönlichkeit zuſpitzte und zu einem ſcharfen, öffentlichen Ausbruch führte. In demſelben Briefe vom 11. Juli 1851, durch welchen er mich von meiner Ernennung zum Bundestagsgeſandten benachrichtigte, ſchrieb Manteuffel: „Was unſre inneren Verhältniſſe, namentlich die ſtändiſchen Dinge betrifft, ſo würde die Sache ganz leidlich gehen, wenn man darin mit etwas mehr Maß und Geſchick verführe. Weſtphalen iſt in der Sache vortrefflich, ich ſchätze ihn ſehr hoch und wir ſind im Weſentlichen einverſtanden; die Fehde von Klützow 1)ſcheint mir keine recht glückliche zu ſein, und es ſind in der Form wohl manche nicht nothwendige Verſtöße vorgekommen. Weit ſchlimmer aber noch iſt die Attitude, welche dabei die Kreuzzeitung einnimmt. Nicht allein triumphirt ſie in ungeſchickter und aufregender Weiſe, ſondern ſie will auch zu Extremen drängen, die ihr wahrſcheinlich ſelber nicht behagen würden. Wenn es z. B. möglich wäre und gelänge, 1) Es handelte ſich um Meinungsverſchiedenheiten in der Frage über die Bildung der erſten Kammer.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/157
Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/157>, abgerufen am 18.04.2024.