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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.

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Siebenundzwanzigstes Kapitel.
Die Ressorts.

Bei meinen vielen Abwesenheiten verlor ich mit manchen
meiner Collegen die Fühlung; die Thatsache, daß ich jedem Ein¬
zelnen von ihnen das Aufsteigen von zum Theil geringen Stel¬
lungen bis zum Minister verschafft und sie mit Einmischungen in
ihre Ressorts nicht belästigt hatte, ließ mich ihr persönliches Wohl¬
wollen für mich überschätzen. In die laufenden Geschäfte ihrer
Ressorts habe ich sehr selten hineingeredet, und nur wenn ich sah,
daß ein großes öffentliches Interesse Gefahr lief, unter Sonder¬
interessen zu leiden. Ich habe z. B. die Canalisirung des Rheins
am Rheingau bekämpft, die um der Schifffahrt willen geschehn
sollte und das Flußbett zwischen den Ufern und den beiden zu
erbauenden Dämmen auf 30 Jahre in einen Sumpf verwandelt
hätte; desgleichen den Plan, den Kurfürstendamm nur in der ge¬
wöhnlichen Breite der Chausseen zu chaussiren und bis dicht an
den alten Weg zu bebauen. In beiden Fällen habe ich die Ab¬
sichten der zunächst competenten Behörden gekreuzt und glaube mir
damit ein dauerndes Verdienst erworben zu haben. Auch mit Pro¬
tectionen bin ich meinen Collegen und den mir untergeordneten
Reichsämtern nicht lästig gefallen. Verfassungsmäßig hätte ich alle
Post-, Telegraphen- und Eisenbahnbeamte anstellen und alle Posten
der einzelnen Reichs-Ressorts besetzen können. Ich glaube aber
kaum, daß ich je von Herrn von Stephan oder Andern Posten

Siebenundzwanzigſtes Kapitel.
Die Reſſorts.

Bei meinen vielen Abweſenheiten verlor ich mit manchen
meiner Collegen die Fühlung; die Thatſache, daß ich jedem Ein¬
zelnen von ihnen das Aufſteigen von zum Theil geringen Stel¬
lungen bis zum Miniſter verſchafft und ſie mit Einmiſchungen in
ihre Reſſorts nicht beläſtigt hatte, ließ mich ihr perſönliches Wohl¬
wollen für mich überſchätzen. In die laufenden Geſchäfte ihrer
Reſſorts habe ich ſehr ſelten hineingeredet, und nur wenn ich ſah,
daß ein großes öffentliches Intereſſe Gefahr lief, unter Sonder¬
intereſſen zu leiden. Ich habe z. B. die Canaliſirung des Rheins
am Rheingau bekämpft, die um der Schifffahrt willen geſchehn
ſollte und das Flußbett zwiſchen den Ufern und den beiden zu
erbauenden Dämmen auf 30 Jahre in einen Sumpf verwandelt
hätte; desgleichen den Plan, den Kurfürſtendamm nur in der ge¬
wöhnlichen Breite der Chauſſeen zu chauſſiren und bis dicht an
den alten Weg zu bebauen. In beiden Fällen habe ich die Ab¬
ſichten der zunächſt competenten Behörden gekreuzt und glaube mir
damit ein dauerndes Verdienſt erworben zu haben. Auch mit Pro¬
tectionen bin ich meinen Collegen und den mir untergeordneten
Reichsämtern nicht läſtig gefallen. Verfaſſungsmäßig hätte ich alle
Poſt-, Telegraphen- und Eiſenbahnbeamte anſtellen und alle Poſten
der einzelnen Reichs-Reſſorts beſetzen können. Ich glaube aber
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[[206]/0230] Siebenundzwanzigſtes Kapitel. Die Reſſorts. Bei meinen vielen Abweſenheiten verlor ich mit manchen meiner Collegen die Fühlung; die Thatſache, daß ich jedem Ein¬ zelnen von ihnen das Aufſteigen von zum Theil geringen Stel¬ lungen bis zum Miniſter verſchafft und ſie mit Einmiſchungen in ihre Reſſorts nicht beläſtigt hatte, ließ mich ihr perſönliches Wohl¬ wollen für mich überſchätzen. In die laufenden Geſchäfte ihrer Reſſorts habe ich ſehr ſelten hineingeredet, und nur wenn ich ſah, daß ein großes öffentliches Intereſſe Gefahr lief, unter Sonder¬ intereſſen zu leiden. Ich habe z. B. die Canaliſirung des Rheins am Rheingau bekämpft, die um der Schifffahrt willen geſchehn ſollte und das Flußbett zwiſchen den Ufern und den beiden zu erbauenden Dämmen auf 30 Jahre in einen Sumpf verwandelt hätte; desgleichen den Plan, den Kurfürſtendamm nur in der ge¬ wöhnlichen Breite der Chauſſeen zu chauſſiren und bis dicht an den alten Weg zu bebauen. In beiden Fällen habe ich die Ab¬ ſichten der zunächſt competenten Behörden gekreuzt und glaube mir damit ein dauerndes Verdienſt erworben zu haben. Auch mit Pro¬ tectionen bin ich meinen Collegen und den mir untergeordneten Reichsämtern nicht läſtig gefallen. Verfaſſungsmäßig hätte ich alle Poſt-, Telegraphen- und Eiſenbahnbeamte anſtellen und alle Poſten der einzelnen Reichs-Reſſorts beſetzen können. Ich glaube aber kaum, daß ich je von Herrn von Stephan oder Andern Poſten

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. [206]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/230>, abgerufen am 24.04.2024.