Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

nach welcher die göttlichen Werke altgriechischer Kunst
gebildet worden sind. Und eben dies gilt im Allge-
meinen von jedem Nationalhabitus.

Eine genauere anatomische Untersuchung ächter
Schädel130) von verschiedenen Völkerschaften würde
auch deshalb auf das Studium der Verschiedenheit
des Menschengeschlechts vieles Licht verbreiten, weil
die von den weichen und veränderlichern Theilen des
Gesichts, entblößten Schädel, das feste und blei-
bende Fundament des Kopfes aufstellen, und beque-
mer bey der Untersuchung gebraucht und in verschie-
denen Ansichten betrachtet und mit einander vergli-
chen werden können.

Zwar zeigen sich bey einer solchen Vergleichung,
der Schädelformen eben solche stufenweise Abweichun-
gen, wie bey der Hautfarbe oder andern solchen Ei-
genheiten, doch so, daß verwandte Schädel sich nur
durch unmerkliche Uibergänge einander nähern. Im
allgemeinen behaupten sie jedoch eine so unleugbare,
ja auszeichnende Beständigkeit der Charaktere, wel-
che zum Nationalhabitus sehr viel beytragen und mit
der, den Nationen eigenthümlichen Gesichtsbildung
im Ganzen übereinstimmen. Diese Beständigkeit
der Form hat einige vortrefliche Anatomen seit Adr.
Spiegel131) darauf geführt, ein allgemeines Maas

130) Die Regeln und Kriterien, deren ich mich bey
Beurtheilung der Schädel in jener Hinsicht bediene,
habe ich in dem ersten Zehnd der Schädel-
sammlung
S. 5. aufgezählt.
131) De corporis humani fabrica. S. 17.

nach welcher die göttlichen Werke altgriechischer Kunst
gebildet worden sind. Und eben dies gilt im Allge-
meinen von jedem Nationalhabitus.

Eine genauere anatomische Untersuchung ächter
Schädel130) von verschiedenen Völkerschaften würde
auch deshalb auf das Studium der Verschiedenheit
des Menschengeschlechts vieles Licht verbreiten, weil
die von den weichen und veränderlichern Theilen des
Gesichts, entblößten Schädel, das feste und blei-
bende Fundament des Kopfes aufstellen, und beque-
mer bey der Untersuchung gebraucht und in verschie-
denen Ansichten betrachtet und mit einander vergli-
chen werden können.

Zwar zeigen sich bey einer solchen Vergleichung,
der Schädelformen eben solche stufenweise Abweichun-
gen, wie bey der Hautfarbe oder andern solchen Ei-
genheiten, doch so, daß verwandte Schädel sich nur
durch unmerkliche Uibergänge einander nähern. Im
allgemeinen behaupten sie jedoch eine so unleugbare,
ja auszeichnende Beständigkeit der Charaktere, wel-
che zum Nationalhabitus sehr viel beytragen und mit
der, den Nationen eigenthümlichen Gesichtsbildung
im Ganzen übereinstimmen. Diese Beständigkeit
der Form hat einige vortrefliche Anatomen seit Adr.
Spiegel131) darauf geführt, ein allgemeines Maas

130) Die Regeln und Kriterien, deren ich mich bey
Beurtheilung der Schädel in jener Hinsicht bediene,
habe ich in dem ersten Zehnd der Schädel-
sammlung
S. 5. aufgezählt.
131) De corporis humani fabrica. S. 17.
<TEI>
  <text xml:id="blume000008">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0178" xml:id="pb144_0001" n="144"/>
nach welcher die göttlichen Werke altgriechischer Kunst<lb/>
gebildet worden sind. Und eben dies gilt im Allge-<lb/>
meinen von jedem Nationalhabitus.</p>
          <p>Eine genauere anatomische Untersuchung ächter<lb/>
Schädel<note anchored="true" place="foot" n="130)"><p>Die Regeln und Kriterien, deren ich mich bey<lb/>
Beurtheilung der Schädel in jener Hinsicht bediene,<lb/>
habe ich <hi rendition="#g">in dem ersten Zehnd der Schädel-<lb/>
sammlung</hi> S. 5. aufgezählt.</p></note> von verschiedenen Völkerschaften würde<lb/>
auch deshalb auf das Studium der Verschiedenheit<lb/>
des Menschengeschlechts vieles Licht verbreiten, weil<lb/>
die von den weichen und veränderlichern Theilen des<lb/>
Gesichts, entblößten Schädel, das feste und blei-<lb/>
bende Fundament des Kopfes aufstellen, und beque-<lb/>
mer bey der Untersuchung gebraucht und in verschie-<lb/>
denen Ansichten betrachtet und mit einander vergli-<lb/>
chen werden können.</p>
          <p>Zwar zeigen sich bey einer solchen Vergleichung,<lb/>
der Schädelformen eben solche stufenweise Abweichun-<lb/>
gen, wie bey der Hautfarbe oder andern solchen Ei-<lb/>
genheiten, doch so, daß verwandte Schädel sich nur<lb/>
durch unmerkliche Uibergänge einander nähern. Im<lb/>
allgemeinen behaupten sie jedoch eine so unleugbare,<lb/>
ja auszeichnende Beständigkeit der Charaktere, wel-<lb/>
che zum Nationalhabitus sehr viel beytragen und mit<lb/>
der, den Nationen eigenthümlichen Gesichtsbildung<lb/>
im Ganzen übereinstimmen. Diese Beständigkeit<lb/>
der Form hat einige vortrefliche Anatomen seit Adr.<lb/>
Spiegel<note anchored="true" place="foot" n="131)"><p><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">De corporis humani fabrica</hi></hi>. S. 17.</p></note> darauf geführt, ein allgemeines Maas<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[144/0178] nach welcher die göttlichen Werke altgriechischer Kunst gebildet worden sind. Und eben dies gilt im Allge- meinen von jedem Nationalhabitus. Eine genauere anatomische Untersuchung ächter Schädel 130) von verschiedenen Völkerschaften würde auch deshalb auf das Studium der Verschiedenheit des Menschengeschlechts vieles Licht verbreiten, weil die von den weichen und veränderlichern Theilen des Gesichts, entblößten Schädel, das feste und blei- bende Fundament des Kopfes aufstellen, und beque- mer bey der Untersuchung gebraucht und in verschie- denen Ansichten betrachtet und mit einander vergli- chen werden können. Zwar zeigen sich bey einer solchen Vergleichung, der Schädelformen eben solche stufenweise Abweichun- gen, wie bey der Hautfarbe oder andern solchen Ei- genheiten, doch so, daß verwandte Schädel sich nur durch unmerkliche Uibergänge einander nähern. Im allgemeinen behaupten sie jedoch eine so unleugbare, ja auszeichnende Beständigkeit der Charaktere, wel- che zum Nationalhabitus sehr viel beytragen und mit der, den Nationen eigenthümlichen Gesichtsbildung im Ganzen übereinstimmen. Diese Beständigkeit der Form hat einige vortrefliche Anatomen seit Adr. Spiegel 131) darauf geführt, ein allgemeines Maas 130) Die Regeln und Kriterien, deren ich mich bey Beurtheilung der Schädel in jener Hinsicht bediene, habe ich in dem ersten Zehnd der Schädel- sammlung S. 5. aufgezählt. 131) De corporis humani fabrica. S. 17.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht2_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht2_1798/178
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht2_1798/178>, abgerufen am 19.04.2024.