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Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798.

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Am augenscheinlichsten erhellt dies besonders an
den Formen des knöchernen Kopfes eines bejahrteren
Menschen. Denn bey diesem giebt die innere Ober-
fläche des Schädels gleichsam einen Abdruck der Lap-
pen und Windungen des Gehirns ab, welchem sie
angepaßt war, von außen hingegen zeigt das Ge-
sicht des Schädels unläugbare Spuren, sowohl von
der Einwirkung der Muskeln, als auch der ganzen
Gesichtsbildung, deren allgemeinen Habitus und
Verhältnis man ziemlich leicht aus dem fleischlosen
Schädel bestimmen könnte.

Wenn nun das Klima (wie es denn höchst wahr-
scheinlich ist), zu der Nationalgesichtsbildung sehr
mächtig mitwirkt (§. 57.); so folgt von selbst, daß
dieselbe Ursache auch an der Bereitung der nationa-
len Schädelform, besonders bey den Gesichtskno-
chen, großen, wiewohl mittelbareren, Antheil habe.

Doch ist zu glauben, daß außer dieser Haupt-
ursache auch andere Nebenursachen, als ein gewalt-
samerer, lang anhaltender Druck u. dergl. auf die
Gesichtsknochen wirken können.

Meine Sammlung verdankt der Freygebigkeit
des Herrn Baronet Banks den sehr seltenen Schädel
eines Neuholländers138) aus der Nachbarschaft der
Botany-Bay, der sich unter andern durch eine
besondre Flachheit des Oberkiefers, da wo die vor-
dern und Eckzähne stehen, auszeichnet. Nun ist
bekannt, daß jene rohen Völker die sonderbare Sitte

138) Drittes Zehnd. Taf. 27.

Am augenscheinlichsten erhellt dies besonders an
den Formen des knöchernen Kopfes eines bejahrteren
Menschen. Denn bey diesem giebt die innere Ober-
fläche des Schädels gleichsam einen Abdruck der Lap-
pen und Windungen des Gehirns ab, welchem sie
angepaßt war, von außen hingegen zeigt das Ge-
sicht des Schädels unläugbare Spuren, sowohl von
der Einwirkung der Muskeln, als auch der ganzen
Gesichtsbildung, deren allgemeinen Habitus und
Verhältnis man ziemlich leicht aus dem fleischlosen
Schädel bestimmen könnte.

Wenn nun das Klima (wie es denn höchst wahr-
scheinlich ist), zu der Nationalgesichtsbildung sehr
mächtig mitwirkt (§. 57.); so folgt von selbst, daß
dieselbe Ursache auch an der Bereitung der nationa-
len Schädelform, besonders bey den Gesichtskno-
chen, großen, wiewohl mittelbareren, Antheil habe.

Doch ist zu glauben, daß außer dieser Haupt-
ursache auch andere Nebenursachen, als ein gewalt-
samerer, lang anhaltender Druck u. dergl. auf die
Gesichtsknochen wirken können.

Meine Sammlung verdankt der Freygebigkeit
des Herrn Baronet Banks den sehr seltenen Schädel
eines Neuholländers138) aus der Nachbarschaft der
Botany-Bay, der sich unter andern durch eine
besondre Flachheit des Oberkiefers, da wo die vor-
dern und Eckzähne stehen, auszeichnet. Nun ist
bekannt, daß jene rohen Völker die sonderbare Sitte

138) Drittes Zehnd. Taf. 27.
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[153/0187] Am augenscheinlichsten erhellt dies besonders an den Formen des knöchernen Kopfes eines bejahrteren Menschen. Denn bey diesem giebt die innere Ober- fläche des Schädels gleichsam einen Abdruck der Lap- pen und Windungen des Gehirns ab, welchem sie angepaßt war, von außen hingegen zeigt das Ge- sicht des Schädels unläugbare Spuren, sowohl von der Einwirkung der Muskeln, als auch der ganzen Gesichtsbildung, deren allgemeinen Habitus und Verhältnis man ziemlich leicht aus dem fleischlosen Schädel bestimmen könnte. Wenn nun das Klima (wie es denn höchst wahr- scheinlich ist), zu der Nationalgesichtsbildung sehr mächtig mitwirkt (§. 57.); so folgt von selbst, daß dieselbe Ursache auch an der Bereitung der nationa- len Schädelform, besonders bey den Gesichtskno- chen, großen, wiewohl mittelbareren, Antheil habe. Doch ist zu glauben, daß außer dieser Haupt- ursache auch andere Nebenursachen, als ein gewalt- samerer, lang anhaltender Druck u. dergl. auf die Gesichtsknochen wirken können. Meine Sammlung verdankt der Freygebigkeit des Herrn Baronet Banks den sehr seltenen Schädel eines Neuholländers 138) aus der Nachbarschaft der Botany-Bay, der sich unter andern durch eine besondre Flachheit des Oberkiefers, da wo die vor- dern und Eckzähne stehen, auszeichnet. Nun ist bekannt, daß jene rohen Völker die sonderbare Sitte 138) Drittes Zehnd. Taf. 27.

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht2_1798/187>, abgerufen am 29.03.2024.