Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Werks zu sagen wäre. Ich kann aber wohl meine
Bemerkungen nicht besser schließen, als mit jener
Stelle in der zweyten Ausgabe, welche von der Ent-
stehung der Streitfrage: ob es nur Eine oder mehre-
re Gattungen im Menschengeschlecht gebe, handelt.

"Bosheit, Mangel an Aufmerksamkeit und
Neuerungssucht begünstigten die letzte Meinung.
Denn seit den Zeiten des Kaisers Julians 1) fanden
alle, deren Interesse es war die Glaubwürdigkeit
der Bibel herabzusetzen, ungemeines Behagen 2)
an der Meinung von mehreren Gattungen im Men-
schengeschlechte. Ferner war es leichter die Neger
oder bartlosen Amerikaner gleich beym ersten An-
blick für verschiedne Gattungen zu halten 3), als
Untersuchungen über die Struktur des menschlichen
Körpers anzustellen, die Anatomen und so zahlrei-
chen Reisebeschreiber nachzuschlagen, und deren
Glaubwürdigkeit und Leichtgläubigkeit mit Fleiß zu
untersuchen, aus dem ganzen Umfang der Natur-
geschichte parallele Beyspiele zusammen zu tragen,
und nur dann erst zu urtheilen und die Ursachen der
Verschiedenheit zu erörtern. So hat z. B. der be-
rüchtigte Theophrastus Paracelsus, der liebe
Mann! wenn ich nicht irre zuerst nicht begreifen
können, wie die Amerikaner eben so gut als die
übrigen Menschen von Adam abstammen könnten;
und um sich kurz aus der Sache zu ziehen, nahm
er an, daß Gott zwey Adams erschaffen habe,
einen in Asien und einen in Amerika 4). Und end-
lich kommt noch hier hinzu die Neuigkeitsliebe des
menschlichen Geistes, welche so groß ist, daß viele
lieber eine neue Meinung annehmen, gesetzt sie

Werks zu sagen wäre. Ich kann aber wohl meine
Bemerkungen nicht besser schließen, als mit jener
Stelle in der zweyten Ausgabe, welche von der Ent-
stehung der Streitfrage: ob es nur Eine oder mehre-
re Gattungen im Menschengeschlecht gebe, handelt.

„Bosheit, Mangel an Aufmerksamkeit und
Neuerungssucht begünstigten die letzte Meinung.
Denn seit den Zeiten des Kaisers Julians 1) fanden
alle, deren Interesse es war die Glaubwürdigkeit
der Bibel herabzusetzen, ungemeines Behagen 2)
an der Meinung von mehreren Gattungen im Men-
schengeschlechte. Ferner war es leichter die Neger
oder bartlosen Amerikaner gleich beym ersten An-
blick für verschiedne Gattungen zu halten 3), als
Untersuchungen über die Struktur des menschlichen
Körpers anzustellen, die Anatomen und so zahlrei-
chen Reisebeschreiber nachzuschlagen, und deren
Glaubwürdigkeit und Leichtgläubigkeit mit Fleiß zu
untersuchen, aus dem ganzen Umfang der Natur-
geschichte parallele Beyspiele zusammen zu tragen,
und nur dann erst zu urtheilen und die Ursachen der
Verschiedenheit zu erörtern. So hat z. B. der be-
rüchtigte Theophrastus Paracelsus, der liebe
Mann! wenn ich nicht irre zuerst nicht begreifen
können, wie die Amerikaner eben so gut als die
übrigen Menschen von Adam abstammen könnten;
und um sich kurz aus der Sache zu ziehen, nahm
er an, daß Gott zwey Adams erschaffen habe,
einen in Asien und einen in Amerika 4). Und end-
lich kommt noch hier hinzu die Neuigkeitsliebe des
menschlichen Geistes, welche so groß ist, daß viele
lieber eine neue Meinung annehmen, gesetzt sie

<TEI>
  <text xml:id="blume000008">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0321" xml:id="pb287_0001" n="287"/>
Werks zu sagen wäre. Ich kann aber wohl meine<lb/>
Bemerkungen nicht besser schließen, als mit jener<lb/>
Stelle in der zweyten Ausgabe, welche von der Ent-<lb/>
stehung der Streitfrage: ob es nur Eine oder mehre-<lb/>
re Gattungen im Menschengeschlecht gebe, handelt.</p>
            <p>
              <q type="preline">&#x201E;Bosheit, Mangel an Aufmerksamkeit und<lb/>
Neuerungssucht begünstigten die letzte Meinung.<lb/>
Denn seit den Zeiten des Kaisers Julians <hi rendition="#sup">1</hi>) fanden<lb/>
alle, deren Interesse es war die Glaubwürdigkeit<lb/>
der Bibel herabzusetzen, ungemeines Behagen <hi rendition="#sup">2</hi>)<lb/>
an der Meinung von mehreren Gattungen im Men-<lb/>
schengeschlechte. Ferner war es leichter die Neger<lb/>
oder bartlosen Amerikaner gleich beym ersten An-<lb/>
blick für verschiedne Gattungen zu halten <hi rendition="#sup">3</hi>), als<lb/>
Untersuchungen über die Struktur des menschlichen<lb/>
Körpers anzustellen, die Anatomen und so zahlrei-<lb/>
chen Reisebeschreiber nachzuschlagen, und deren<lb/>
Glaubwürdigkeit und Leichtgläubigkeit mit Fleiß zu<lb/>
untersuchen, aus dem ganzen Umfang der Natur-<lb/>
geschichte parallele Beyspiele zusammen zu tragen,<lb/>
und nur dann erst zu urtheilen und die Ursachen der<lb/>
Verschiedenheit zu erörtern. So hat z. B. der be-<lb/>
rüchtigte Theophrastus Paracelsus, der liebe<lb/>
Mann! wenn ich nicht irre zuerst nicht begreifen<lb/>
können, wie die Amerikaner eben so gut als die<lb/>
übrigen Menschen von Adam abstammen könnten;<lb/>
und um sich kurz aus der Sache zu ziehen, nahm<lb/>
er an, daß Gott zwey Adams erschaffen habe,<lb/>
einen in Asien und einen in Amerika <hi rendition="#sup">4</hi>). Und end-<lb/>
lich kommt noch hier hinzu die Neuigkeitsliebe des<lb/>
menschlichen Geistes, welche so groß ist, daß viele<lb/>
lieber eine neue Meinung annehmen, gesetzt sie<lb/></q>
            </p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[287/0321] Werks zu sagen wäre. Ich kann aber wohl meine Bemerkungen nicht besser schließen, als mit jener Stelle in der zweyten Ausgabe, welche von der Ent- stehung der Streitfrage: ob es nur Eine oder mehre- re Gattungen im Menschengeschlecht gebe, handelt. „Bosheit, Mangel an Aufmerksamkeit und Neuerungssucht begünstigten die letzte Meinung. Denn seit den Zeiten des Kaisers Julians 1) fanden alle, deren Interesse es war die Glaubwürdigkeit der Bibel herabzusetzen, ungemeines Behagen 2) an der Meinung von mehreren Gattungen im Men- schengeschlechte. Ferner war es leichter die Neger oder bartlosen Amerikaner gleich beym ersten An- blick für verschiedne Gattungen zu halten 3), als Untersuchungen über die Struktur des menschlichen Körpers anzustellen, die Anatomen und so zahlrei- chen Reisebeschreiber nachzuschlagen, und deren Glaubwürdigkeit und Leichtgläubigkeit mit Fleiß zu untersuchen, aus dem ganzen Umfang der Natur- geschichte parallele Beyspiele zusammen zu tragen, und nur dann erst zu urtheilen und die Ursachen der Verschiedenheit zu erörtern. So hat z. B. der be- rüchtigte Theophrastus Paracelsus, der liebe Mann! wenn ich nicht irre zuerst nicht begreifen können, wie die Amerikaner eben so gut als die übrigen Menschen von Adam abstammen könnten; und um sich kurz aus der Sache zu ziehen, nahm er an, daß Gott zwey Adams erschaffen habe, einen in Asien und einen in Amerika 4). Und end- lich kommt noch hier hinzu die Neuigkeitsliebe des menschlichen Geistes, welche so groß ist, daß viele lieber eine neue Meinung annehmen, gesetzt sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht2_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht2_1798/321
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht2_1798/321>, abgerufen am 19.04.2024.