Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

1) die aufrechte Stellung zur Natur des Men-
schen passe; und

2) daß sie dem Menschen eigenthümlich sey.

Dieses wird unten erhellen (s. §. 10.). Jenes
bestätigt a priori der Bau des menschlichen Körpers
selbst, und a posteriori die einmüthige Uibereinstim-
mung aller uns bekannten Völker jedes Zeitalters.
Um bey der Sache nicht lange zu verweilen, bedarf
man keines weiteren Beweises als dessen, welchen
man für das Gegentheil anzuführen, und von den
Beyspielen vierfüßiger, unter Thieren aufgewachse-
ner Kinder, herzunehmen pflegt. Denn wer die-
ser Sache ernstlicher nachdenkt, sieht leicht, daß
man sich keinen andern Zustand des Menschen den-
ken könne, worin er weiter von dem ihm von der
Natur bestimmten abwiche, als eben diesen, worin
wir die unglücklichen Kinder gesehen haben; denn mit
ebendemselben Rechte könnte man jede Mißgeburt
für die ideale Norm der menschlichen Bildung halten,
als man das Beyspiel solcher wilden Kinder miß-
braucht, um die dem Menschen natürliche Art zu
gehen und zu leben, daraus zu beweisen. Und den-
noch darf man nur diese Nachrichten von den wilden
Kindern etwas genauer beseitigen, so erhellt aus den
ächtesten, der Ungewißheit und dem Zweifel wirklich
nicht ausgesetzten Beyspielen darunter, als unsers
berühmten Peters von Hameln1)

1) Man vergleiche Wiats Magazin für Physik und
Naturgeschichte 4ter Theil, 3ter Abschn. S. 91. Und
(Mondoddos) antient metaphysics, 3ter Theil, Lond.
1784. 4. S. 57. und 367.

1) die aufrechte Stellung zur Natur des Men-
schen passe; und

2) daß sie dem Menschen eigenthümlich sey.

Dieses wird unten erhellen (s. §. 10.). Jenes
bestätigt a priori der Bau des menschlichen Körpers
selbst, und a posteriori die einmüthige Uibereinstim-
mung aller uns bekannten Völker jedes Zeitalters.
Um bey der Sache nicht lange zu verweilen, bedarf
man keines weiteren Beweises als dessen, welchen
man für das Gegentheil anzuführen, und von den
Beyspielen vierfüßiger, unter Thieren aufgewachse-
ner Kinder, herzunehmen pflegt. Denn wer die-
ser Sache ernstlicher nachdenkt, sieht leicht, daß
man sich keinen andern Zustand des Menschen den-
ken könne, worin er weiter von dem ihm von der
Natur bestimmten abwiche, als eben diesen, worin
wir die unglücklichen Kinder gesehen haben; denn mit
ebendemselben Rechte könnte man jede Mißgeburt
für die ideale Norm der menschlichen Bildung halten,
als man das Beyspiel solcher wilden Kinder miß-
braucht, um die dem Menschen natürliche Art zu
gehen und zu leben, daraus zu beweisen. Und den-
noch darf man nur diese Nachrichten von den wilden
Kindern etwas genauer beseitigen, so erhellt aus den
ächtesten, der Ungewißheit und dem Zweifel wirklich
nicht ausgesetzten Beyspielen darunter, als unsers
berühmten Peters von Hameln1)

1) Man vergleiche Wiats Magazin für Physik und
Naturgeschichte 4ter Theil, 3ter Abschn. S. 91. Und
(Mondoddos) antient metaphysics, 3ter Theil, Lond.
1784. 4. S. 57. und 367.
<TEI>
  <text xml:id="blume000008">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0054" xml:id="pb020_0001" n="20"/>
          <p>1) die aufrechte Stellung zur Natur des Men-<lb/>
schen passe; und</p>
          <p>2) daß sie dem Menschen eigenthümlich sey.</p>
          <p>Dieses wird unten erhellen (s. §. 10.). Jenes<lb/>
bestätigt <hi rendition="#aq">a priori</hi> der Bau des menschlichen Körpers<lb/>
selbst, und <hi rendition="#aq">a posteriori</hi> die einmüthige Uibereinstim-<lb/>
mung aller uns bekannten Völker jedes Zeitalters.<lb/>
Um bey der Sache nicht lange zu verweilen, bedarf<lb/>
man keines weiteren Beweises als dessen, welchen<lb/>
man für das Gegentheil anzuführen, und von den<lb/>
Beyspielen vierfüßiger, unter Thieren aufgewachse-<lb/>
ner Kinder, herzunehmen pflegt. Denn wer die-<lb/>
ser Sache ernstlicher nachdenkt, sieht leicht, daß<lb/>
man sich keinen andern Zustand des Menschen den-<lb/>
ken könne, worin er weiter von dem ihm von der<lb/>
Natur bestimmten abwiche, als eben diesen, worin<lb/>
wir die unglücklichen Kinder gesehen haben; denn mit<lb/>
ebendemselben Rechte könnte man jede Mißgeburt<lb/>
für die ideale Norm der menschlichen Bildung halten,<lb/>
als man das Beyspiel solcher wilden Kinder miß-<lb/>
braucht, um die dem Menschen natürliche Art zu<lb/>
gehen und zu leben, daraus zu beweisen. Und den-<lb/>
noch darf man nur diese Nachrichten von den wilden<lb/>
Kindern etwas genauer beseitigen, so erhellt aus den<lb/>
ächtesten, der Ungewißheit und dem Zweifel wirklich<lb/>
nicht ausgesetzten Beyspielen darunter, als unsers<lb/>
berühmten Peters von Hameln<note anchored="true" place="foot" n="1)"><p>Man vergleiche Wiats Magazin für Physik und<lb/>
Naturgeschichte 4ter Theil, 3ter Abschn. S. 91. Und<lb/>
(Mondoddos) <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">antient metaphysics</hi></hi>, 3ter Theil, Lond.<lb/>
1784. 4. S. 57. und 367.</p></note></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0054] 1) die aufrechte Stellung zur Natur des Men- schen passe; und 2) daß sie dem Menschen eigenthümlich sey. Dieses wird unten erhellen (s. §. 10.). Jenes bestätigt a priori der Bau des menschlichen Körpers selbst, und a posteriori die einmüthige Uibereinstim- mung aller uns bekannten Völker jedes Zeitalters. Um bey der Sache nicht lange zu verweilen, bedarf man keines weiteren Beweises als dessen, welchen man für das Gegentheil anzuführen, und von den Beyspielen vierfüßiger, unter Thieren aufgewachse- ner Kinder, herzunehmen pflegt. Denn wer die- ser Sache ernstlicher nachdenkt, sieht leicht, daß man sich keinen andern Zustand des Menschen den- ken könne, worin er weiter von dem ihm von der Natur bestimmten abwiche, als eben diesen, worin wir die unglücklichen Kinder gesehen haben; denn mit ebendemselben Rechte könnte man jede Mißgeburt für die ideale Norm der menschlichen Bildung halten, als man das Beyspiel solcher wilden Kinder miß- braucht, um die dem Menschen natürliche Art zu gehen und zu leben, daraus zu beweisen. Und den- noch darf man nur diese Nachrichten von den wilden Kindern etwas genauer beseitigen, so erhellt aus den ächtesten, der Ungewißheit und dem Zweifel wirklich nicht ausgesetzten Beyspielen darunter, als unsers berühmten Peters von Hameln 1) 1) Man vergleiche Wiats Magazin für Physik und Naturgeschichte 4ter Theil, 3ter Abschn. S. 91. Und (Mondoddos) antient metaphysics, 3ter Theil, Lond. 1784. 4. S. 57. und 367.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht2_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht2_1798/54
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht2_1798/54>, abgerufen am 19.04.2024.