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Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798.

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theile ich deshalb sorgfältiger untersuchte, weil mir
war berichtet worden, daß der selige Trendelenburg,
ein damals sehr berühmter Arzt zu Lübeck, in diesem
Thiere eine Art von Hymen bemerkt habe. Mir ist
dieser Theil im weiblichen Körper übrigens merkwür-
dig, da ich schlechterdings durch keine Muthmaßung
irgend einem physischen Nutzen desselben auf die Spur
kommen kann. Was die Physiologen über den Zweck
des Hymen vorgebracht haben, ist kaum annehmbar;
unter allen aber am wenigsten die von Hallern hier-
über geäußerte, nicht sehr scharfsinnige Meinung:
"da man es bloß bey dem Menschen finde, so sey
es ihm auch zu moralischem Zwecke verliehen, als
Zeichen der Keuschheit."

In Ansehung der Nymphen und Clytoris scheint
Linne ungewiß zu seyn, ob sie außer dem weiblichen
Geschlechte der menschlichen Gattung auch andere
Weibchen haben? Ich aber habe selbst erfahren, daß
keiner von diesen Theilen dem Menschen eigenthüm-
lich sey, denn die Clytoris habe ich nach so viel an-
dern nicht verwerflichen Zeugen, in mancherley Säug-
thieren verschiedener Ordnungen häufig beobachtet
und zum Theil sehr groß gefunden, wie in dem Teu-
fel oder Maimon und dem Faulthieraffen, am unge-
heuersten aber, in der Größe einer Faust, in einem
52 Fuß langen Wallfisch, welchen ich, als er vor
Kurzem im Monat December 1791 bey Sandfort in
Holland aus Ufer geworfen worden, sorgfältig be-
trachtet habe.

Die Nymphen aber habe ich an einem Mongus,
den ich selbst einige Jahre lebendig aufgezogen habe,
den menschlichen sehr ähnlich gefunden.

theile ich deshalb sorgfältiger untersuchte, weil mir
war berichtet worden, daß der selige Trendelenburg,
ein damals sehr berühmter Arzt zu Lübeck, in diesem
Thiere eine Art von Hymen bemerkt habe. Mir ist
dieser Theil im weiblichen Körper übrigens merkwür-
dig, da ich schlechterdings durch keine Muthmaßung
irgend einem physischen Nutzen desselben auf die Spur
kommen kann. Was die Physiologen über den Zweck
des Hymen vorgebracht haben, ist kaum annehmbar;
unter allen aber am wenigsten die von Hallern hier-
über geäußerte, nicht sehr scharfsinnige Meinung:
„da man es bloß bey dem Menschen finde, so sey
es ihm auch zu moralischem Zwecke verliehen, als
Zeichen der Keuschheit.“

In Ansehung der Nymphen und Clytoris scheint
Linné ungewiß zu seyn, ob sie außer dem weiblichen
Geschlechte der menschlichen Gattung auch andere
Weibchen haben? Ich aber habe selbst erfahren, daß
keiner von diesen Theilen dem Menschen eigenthüm-
lich sey, denn die Clytoris habe ich nach so viel an-
dern nicht verwerflichen Zeugen, in mancherley Säug-
thieren verschiedener Ordnungen häufig beobachtet
und zum Theil sehr groß gefunden, wie in dem Teu-
fel oder Maimon und dem Faulthieraffen, am unge-
heuersten aber, in der Größe einer Faust, in einem
52 Fuß langen Wallfisch, welchen ich, als er vor
Kurzem im Monat December 1791 bey Sandfort in
Holland aus Ufer geworfen worden, sorgfältig be-
trachtet habe.

Die Nymphen aber habe ich an einem Mongus,
den ich selbst einige Jahre lebendig aufgezogen habe,
den menschlichen sehr ähnlich gefunden.

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[29/0063] theile ich deshalb sorgfältiger untersuchte, weil mir war berichtet worden, daß der selige Trendelenburg, ein damals sehr berühmter Arzt zu Lübeck, in diesem Thiere eine Art von Hymen bemerkt habe. Mir ist dieser Theil im weiblichen Körper übrigens merkwür- dig, da ich schlechterdings durch keine Muthmaßung irgend einem physischen Nutzen desselben auf die Spur kommen kann. Was die Physiologen über den Zweck des Hymen vorgebracht haben, ist kaum annehmbar; unter allen aber am wenigsten die von Hallern hier- über geäußerte, nicht sehr scharfsinnige Meinung: „da man es bloß bey dem Menschen finde, so sey es ihm auch zu moralischem Zwecke verliehen, als Zeichen der Keuschheit.“ In Ansehung der Nymphen und Clytoris scheint Linné ungewiß zu seyn, ob sie außer dem weiblichen Geschlechte der menschlichen Gattung auch andere Weibchen haben? Ich aber habe selbst erfahren, daß keiner von diesen Theilen dem Menschen eigenthüm- lich sey, denn die Clytoris habe ich nach so viel an- dern nicht verwerflichen Zeugen, in mancherley Säug- thieren verschiedener Ordnungen häufig beobachtet und zum Theil sehr groß gefunden, wie in dem Teu- fel oder Maimon und dem Faulthieraffen, am unge- heuersten aber, in der Größe einer Faust, in einem 52 Fuß langen Wallfisch, welchen ich, als er vor Kurzem im Monat December 1791 bey Sandfort in Holland aus Ufer geworfen worden, sorgfältig be- trachtet habe. Die Nymphen aber habe ich an einem Mongus, den ich selbst einige Jahre lebendig aufgezogen habe, den menschlichen sehr ähnlich gefunden.

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht2_1798/63>, abgerufen am 28.03.2024.