Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 5. Aufl. Göttingen, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

Unterkiefer, der eine sehr freye Seitenbewegung
hat, wodurch denn, wie der Augenschein lehrt,
der Mechanismus dieser sonderbaren Verrichtung
von dieser Seite bewirkt wird.

Anm. 1. Bey denjenigen ruminantibus, die zugleich
gespaltene Klauen haben (pecora), kommt nun
außerdem noch der vierfache Magen hinzu, dessen
innerer Bau und Mechanismus überaus merkwür-
dig ist. Das zum ersten Mahl geschluckte noch bald
rohe Futter gelangt nähmlich in den ungeheuern
ersten Magen, (rumen, magnus venter, franz.
le double, l'herbier, la panse, der Pansen, Wanst),
als in ein Magazin, worin es nur ein wenig durch-
weicht wird. Von da wird eine kleine Portion
dieses Futters nach der andern mittelst des zweyten
Magens (reticulum, franz. le bonnet, le reseau,
die Haube, Mütze, das Garn) der gleichsam nur
ein Anhang des ersten ist, aufgefaßt und wieder
durch den Schlund hinauf getrieben. Nun wird
der wiedergekaute zum zweyten Mahl geschluckte
Bissen durch eine besondere Rinne, ohne wieder
durch die beiden ersten Mägen zu passiren, gleich
aus dem Schlunde in den dritten (echinus, cen-
tipellio, omasus,
franz. le feuillet, le pseautier,
das Buch, der Psalter, der Blättermagen) gelei-
tet, wo er sich wohl bey der geringen Weise des-
selben nicht lange aufhalten kann, sondern von da
endlich zur völligen Verdauung in den vierten
(abomasus, franz. la caillette, der Laab, die Ruthe,
der Fettmagen) gelangt, der dem Magen andrer
Säugethiere am nächsten kommt.

Anm. 2. Der allgemeine Haupt-Nutzen der Rumination
scheint noch unbekannt. - Vielen kleinen, schüch-
ternen, unbewaffneten, wiederkauenden Thieren
und denen noch dazu von reissenden Thieren so
sehr nachgestellt wird, kommt sie in sofern zu
passe, daß sie ihr Futter auf der offnen Weide
geschwind abgrasen und dann im Dickicht in Ruhe
und Sicherheit gemächlich ruminiren können etc.

Unterkiefer, der eine sehr freye Seitenbewegung
hat, wodurch denn, wie der Augenschein lehrt,
der Mechanismus dieser sonderbaren Verrichtung
von dieser Seite bewirkt wird.

Anm. 1. Bey denjenigen ruminantibus, die zugleich
gespaltene Klauen haben (pecora), kommt nun
außerdem noch der vierfache Magen hinzu, dessen
innerer Bau und Mechanismus überaus merkwür-
dig ist. Das zum ersten Mahl geschluckte noch bald
rohe Futter gelangt nähmlich in den ungeheuern
ersten Magen, (rumen, magnus venter, franz.
le double, l'herbier, la panse, der Pansen, Wanst),
als in ein Magazin, worin es nur ein wenig durch-
weicht wird. Von da wird eine kleine Portion
dieses Futters nach der andern mittelst des zweyten
Magens (reticulum, franz. le bonnet, le reseau,
die Haube, Mütze, das Garn) der gleichsam nur
ein Anhang des ersten ist, aufgefaßt und wieder
durch den Schlund hinauf getrieben. Nun wird
der wiedergekaute zum zweyten Mahl geschluckte
Bissen durch eine besondere Rinne, ohne wieder
durch die beiden ersten Mägen zu passiren, gleich
aus dem Schlunde in den dritten (echinus, cen-
tipellio, omasus,
franz. le feuillet, le pseautier,
das Buch, der Psalter, der Blättermagen) gelei-
tet, wo er sich wohl bey der geringen Weise des-
selben nicht lange aufhalten kann, sondern von da
endlich zur völligen Verdauung in den vierten
(abomasus, franz. la caillette, der Laab, die Ruthe,
der Fettmagen) gelangt, der dem Magen andrer
Säugethiere am nächsten kommt.

Anm. 2. Der allgemeine Haupt-Nutzen der Rumination
scheint noch unbekannt. – Vielen kleinen, schüch-
ternen, unbewaffneten, wiederkauenden Thieren
und denen noch dazu von reissenden Thieren so
sehr nachgestellt wird, kommt sie in sofern zu
passe, daß sie ihr Futter auf der offnen Weide
geschwind abgrasen und dann im Dickicht in Ruhe
und Sicherheit gemächlich ruminiren können ꝛc.

<TEI>
  <text xml:id="blume_hbnatur_000026">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0071" xml:id="pb049_0001" n="49"/>
Unterkiefer, der eine sehr freye Seitenbewegung<lb/>
hat, wodurch denn, wie der Augenschein lehrt,<lb/>
der Mechanismus dieser sonderbaren Verrichtung<lb/>
von dieser Seite bewirkt wird.</p>
          <p rendition="#indent-1 #small">Anm. 1. Bey denjenigen <hi rendition="#aq">ruminantibus</hi>, die zugleich<lb/>
gespaltene Klauen haben (<hi rendition="#aq">pecora</hi>), kommt nun<lb/>
außerdem noch der vierfache Magen hinzu, dessen<lb/>
innerer Bau und Mechanismus überaus merkwür-<lb/>
dig ist. Das zum ersten Mahl geschluckte noch bald<lb/>
rohe Futter gelangt nähmlich in den ungeheuern<lb/>
ersten Magen, (<hi rendition="#aq">rumen, magnus venter</hi>, franz.<lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">le double, l'herbier, la panse,</hi></hi> der Pansen, Wanst),<lb/>
als in ein Magazin, worin es nur ein wenig durch-<lb/>
weicht wird. Von da wird eine kleine Portion<lb/>
dieses Futters nach der andern mittelst des zweyten<lb/>
Magens (<hi rendition="#aq">reticulum</hi>, franz. <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">le bonnet, le reseau,</hi></hi><lb/>
die Haube, Mütze, das Garn) der gleichsam nur<lb/>
ein Anhang des ersten ist, aufgefaßt und wieder<lb/>
durch den Schlund hinauf getrieben. Nun wird<lb/>
der wiedergekaute zum zweyten Mahl geschluckte<lb/>
Bissen durch eine besondere Rinne, ohne wieder<lb/>
durch die beiden ersten Mägen zu passiren, gleich<lb/>
aus dem Schlunde in den dritten (<hi rendition="#aq">echinus, cen-<lb/>
tipellio, omasus,</hi> franz. <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">le feuillet, le pseautier,</hi></hi><lb/>
das Buch, der Psalter, der Blättermagen) gelei-<lb/>
tet, wo er sich wohl bey der geringen Weise des-<lb/>
selben nicht lange aufhalten kann, sondern von da<lb/>
endlich zur völligen Verdauung in den vierten<lb/>
(<hi rendition="#aq">abomasus</hi>, franz. <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">la caillette,</hi></hi> der Laab, die Ruthe,<lb/>
der Fettmagen) gelangt, der dem Magen andrer<lb/>
Säugethiere am nächsten kommt.</p>
          <p rendition="#indent-1 #small">Anm. 2. Der allgemeine Haupt-Nutzen der Rumination<lb/>
scheint noch unbekannt. &#x2013; Vielen kleinen, schüch-<lb/>
ternen, unbewaffneten, wiederkauenden Thieren<lb/>
und denen noch dazu von reissenden Thieren so<lb/>
sehr nachgestellt wird, kommt sie in sofern zu<lb/>
passe, daß sie ihr Futter auf der offnen Weide<lb/>
geschwind abgrasen und dann im Dickicht in Ruhe<lb/>
und Sicherheit gemächlich ruminiren können &#xA75B;c.</p>
        </div>
        <div n="2">
</div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0071] Unterkiefer, der eine sehr freye Seitenbewegung hat, wodurch denn, wie der Augenschein lehrt, der Mechanismus dieser sonderbaren Verrichtung von dieser Seite bewirkt wird. Anm. 1. Bey denjenigen ruminantibus, die zugleich gespaltene Klauen haben (pecora), kommt nun außerdem noch der vierfache Magen hinzu, dessen innerer Bau und Mechanismus überaus merkwür- dig ist. Das zum ersten Mahl geschluckte noch bald rohe Futter gelangt nähmlich in den ungeheuern ersten Magen, (rumen, magnus venter, franz. le double, l'herbier, la panse, der Pansen, Wanst), als in ein Magazin, worin es nur ein wenig durch- weicht wird. Von da wird eine kleine Portion dieses Futters nach der andern mittelst des zweyten Magens (reticulum, franz. le bonnet, le reseau, die Haube, Mütze, das Garn) der gleichsam nur ein Anhang des ersten ist, aufgefaßt und wieder durch den Schlund hinauf getrieben. Nun wird der wiedergekaute zum zweyten Mahl geschluckte Bissen durch eine besondere Rinne, ohne wieder durch die beiden ersten Mägen zu passiren, gleich aus dem Schlunde in den dritten (echinus, cen- tipellio, omasus, franz. le feuillet, le pseautier, das Buch, der Psalter, der Blättermagen) gelei- tet, wo er sich wohl bey der geringen Weise des- selben nicht lange aufhalten kann, sondern von da endlich zur völligen Verdauung in den vierten (abomasus, franz. la caillette, der Laab, die Ruthe, der Fettmagen) gelangt, der dem Magen andrer Säugethiere am nächsten kommt. Anm. 2. Der allgemeine Haupt-Nutzen der Rumination scheint noch unbekannt. – Vielen kleinen, schüch- ternen, unbewaffneten, wiederkauenden Thieren und denen noch dazu von reissenden Thieren so sehr nachgestellt wird, kommt sie in sofern zu passe, daß sie ihr Futter auf der offnen Weide geschwind abgrasen und dann im Dickicht in Ruhe und Sicherheit gemächlich ruminiren können ꝛc.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1797/71
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 5. Aufl. Göttingen, 1797, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1797/71>, abgerufen am 19.04.2024.