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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 7. Aufl. Göttingen, 1803.

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werden, wird durch zahlreiche Bemerkungen er-
weislich, wie z. B., daß die Hamster auch
todten Vögeln doch zuerst die Flügel zerbrechen,
ehe sie weiter anbeissen; daß junge Zugvögel,
die man ganz einsam im Zimmer erzogen hat,
doch im Herbst den innern Ruf zum Fortzie-
hen fühlen, und im Käfich bey allem guten
Futter und Pflege unruhig werden.

§. 36.

Unter den mancherley Arten dieser thieri-
schen Triebe sind besonders die so genannten
Kunsttriebe merkwürdig, da sich nähmlich so
viele warmblütige Thiere und Insecten ohne
alle Anweisung und ohne alle vorgängige
Uebung*), (als welche bey so vielen gar nicht
Statt finden kann; wie z. E. bey den Raupen,
die nur Ein für alle Mahl in ihrem Leben da-
von Gebrauch machen können, und wo folglich
schlechterdings erster Versuch und Meisterstück
eins seyn muß), so ungemein künstliche Woh-
nungen, Nester, Gewebe etc. zu ihrem Aufent-
halte, zur Sicherheit für ihre Junge, zum
Fang ihres Raubes, und zu vielfachen andern
Zwecken zu verfertigen wissen.

§. 37.

Der Mensch zeigt außer den Sexualtrieben
wenig andere Spuren von Instinct: angeborne
Kunsttriebe aber hat er vollends ganz und gar

*) "Nascitur ars ista, non discitur." Seneca.

werden, wird durch zahlreiche Bemerkungen er-
weislich, wie z. B., daß die Hamster auch
todten Vögeln doch zuerst die Flügel zerbrechen,
ehe sie weiter anbeissen; daß junge Zugvögel,
die man ganz einsam im Zimmer erzogen hat,
doch im Herbst den innern Ruf zum Fortzie-
hen fühlen, und im Käfich bey allem guten
Futter und Pflege unruhig werden.

§. 36.

Unter den mancherley Arten dieser thieri-
schen Triebe sind besonders die so genannten
Kunsttriebe merkwürdig, da sich nähmlich so
viele warmblütige Thiere und Insecten ohne
alle Anweisung und ohne alle vorgängige
Uebung*), (als welche bey so vielen gar nicht
Statt finden kann; wie z. E. bey den Raupen,
die nur Ein für alle Mahl in ihrem Leben da-
von Gebrauch machen können, und wo folglich
schlechterdings erster Versuch und Meisterstück
eins seyn muß), so ungemein künstliche Woh-
nungen, Nester, Gewebe ꝛc. zu ihrem Aufent-
halte, zur Sicherheit für ihre Junge, zum
Fang ihres Raubes, und zu vielfachen andern
Zwecken zu verfertigen wissen.

§. 37.

Der Mensch zeigt außer den Sexualtrieben
wenig andere Spuren von Instinct: angeborne
Kunsttriebe aber hat er vollends ganz und gar

*)Nascitur ars ista, non discitur.“ Seneca.
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[43/0063] werden, wird durch zahlreiche Bemerkungen er- weislich, wie z. B., daß die Hamster auch todten Vögeln doch zuerst die Flügel zerbrechen, ehe sie weiter anbeissen; daß junge Zugvögel, die man ganz einsam im Zimmer erzogen hat, doch im Herbst den innern Ruf zum Fortzie- hen fühlen, und im Käfich bey allem guten Futter und Pflege unruhig werden. §. 36. Unter den mancherley Arten dieser thieri- schen Triebe sind besonders die so genannten Kunsttriebe merkwürdig, da sich nähmlich so viele warmblütige Thiere und Insecten ohne alle Anweisung und ohne alle vorgängige Uebung *), (als welche bey so vielen gar nicht Statt finden kann; wie z. E. bey den Raupen, die nur Ein für alle Mahl in ihrem Leben da- von Gebrauch machen können, und wo folglich schlechterdings erster Versuch und Meisterstück eins seyn muß), so ungemein künstliche Woh- nungen, Nester, Gewebe ꝛc. zu ihrem Aufent- halte, zur Sicherheit für ihre Junge, zum Fang ihres Raubes, und zu vielfachen andern Zwecken zu verfertigen wissen. §. 37. Der Mensch zeigt außer den Sexualtrieben wenig andere Spuren von Instinct: angeborne Kunsttriebe aber hat er vollends ganz und gar *) „Nascitur ars ista, non discitur.“ Seneca.

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 7. Aufl. Göttingen, 1803, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1803/63>, abgerufen am 28.03.2024.