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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 7. Aufl. Göttingen, 1803.

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nicht. Was ihn hingegen für diesen scheinba-
ren Mangel entschädigt, ist der Gebrauch der
Vernunft.

Diese mag nun entweder eine ausschließlich
eigenthümliche Fähigkeit der menschlichen Seele,
oder aber ein unendlich stärkerer Grad einer
Fähigkeit seyn, wovon manche Thiere auch
einige schwache Spur hätten; oder eine eigene
Richtung der gesammten menschlichen Seelen-
kräfte u. s. w. so liegt wenigstens der gedachte
auszeichnende Vorzug, den der Mensch durch
den Besitz derselben erhält, unwiderredlich am Tage.

Denn da ihm die ganze bewohnbare Erde
zum Aufenthalt offen steht, und fast die ganze
organisirte Schöpfung zur Speise überlassen
ist, so erzeugt freylich eben die große Verschie-
denheit der Climate, die er bewohnen soll, und
der Nahrung, die ihm der Ort seines Aufent-
halts gestattet, eben so verschiedene Bedürfnisse,
die er durch keinen einförmigen Kunsttrieb,
aber wohl durch den Gebrauch seiner sich nach
den Umständen gleichsam accommodirenden Ver-
nunft auf eben so mannigfaltige Weise zu stil-
len vermag.

§. 38.

Wie unendlich aber der Mensch schon durch
diesen einzigen Vorzug über die ganze übrige

nicht. Was ihn hingegen für diesen scheinba-
ren Mangel entschädigt, ist der Gebrauch der
Vernunft.

Diese mag nun entweder eine ausschließlich
eigenthümliche Fähigkeit der menschlichen Seele,
oder aber ein unendlich stärkerer Grad einer
Fähigkeit seyn, wovon manche Thiere auch
einige schwache Spur hätten; oder eine eigene
Richtung der gesammten menschlichen Seelen-
kräfte u. s. w. so liegt wenigstens der gedachte
auszeichnende Vorzug, den der Mensch durch
den Besitz derselben erhält, unwiderredlich am Tage.

Denn da ihm die ganze bewohnbare Erde
zum Aufenthalt offen steht, und fast die ganze
organisirte Schöpfung zur Speise überlassen
ist, so erzeugt freylich eben die große Verschie-
denheit der Climate, die er bewohnen soll, und
der Nahrung, die ihm der Ort seines Aufent-
halts gestattet, eben so verschiedene Bedürfnisse,
die er durch keinen einförmigen Kunsttrieb,
aber wohl durch den Gebrauch seiner sich nach
den Umständen gleichsam accommodirenden Ver-
nunft auf eben so mannigfaltige Weise zu stil-
len vermag.

§. 38.

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diesen einzigen Vorzug über die ganze übrige

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[44/0064] nicht. Was ihn hingegen für diesen scheinba- ren Mangel entschädigt, ist der Gebrauch der Vernunft. Diese mag nun entweder eine ausschließlich eigenthümliche Fähigkeit der menschlichen Seele, oder aber ein unendlich stärkerer Grad einer Fähigkeit seyn, wovon manche Thiere auch einige schwache Spur hätten; oder eine eigene Richtung der gesammten menschlichen Seelen- kräfte u. s. w. so liegt wenigstens der gedachte auszeichnende Vorzug, den der Mensch durch den Besitz derselben erhält, unwiderredlich am Tage. Denn da ihm die ganze bewohnbare Erde zum Aufenthalt offen steht, und fast die ganze organisirte Schöpfung zur Speise überlassen ist, so erzeugt freylich eben die große Verschie- denheit der Climate, die er bewohnen soll, und der Nahrung, die ihm der Ort seines Aufent- halts gestattet, eben so verschiedene Bedürfnisse, die er durch keinen einförmigen Kunsttrieb, aber wohl durch den Gebrauch seiner sich nach den Umständen gleichsam accommodirenden Ver- nunft auf eben so mannigfaltige Weise zu stil- len vermag. §. 38. Wie unendlich aber der Mensch schon durch diesen einzigen Vorzug über die ganze übrige

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 7. Aufl. Göttingen, 1803, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1803/64>, abgerufen am 29.03.2024.