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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Göttingen, 1830.

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das Eiweiß, sondern auch wiederum diejenige Stelle
auf seiner Oberfläche (der so genannte Hahnentritt,
cicatricula), neben welcher das künftige Hühnchen zu
liegen kommt, selbst noch leichter als die entgegen
gesetzte Seite, so daß folglich bei jeder Lage des Eies
doch immer jene Stelle dem Leibe des brütenden
Vogels zugekehrt ist. Die erste Spur des neuen
Küchelchens zeiget sich immer erst eine geraume Zeit,
nachdem das Brüten seinen Anfang genommen; beim
Hühnerei z. B. kaum vor Ende des ersten Tages:
so wie am Ende des zweyten das berühmte Schauspiel
der ersten Bewegung des dann noch sehr unvollkomm-
nen Herzchens (das punctum saliens) seinen Anfang
nimmt. Zu Ende des fünften Tages sieht man schon
das ganze kleine gallertartige Geschöpf sich bewegen.
Am vierzehnten brechen die Federn aus; zu Anfang
des fünfzehnten schnappt das Hühnchen schon nach
Luft; und ist am neunzehnten Tage im Stande einen
Laut von sich zu geben.

Anm. Beim Vogel im Ei ist die erste Gestalt, wor-
in er sich zeigt, noch weit mehr von seiner nachmahligen
Form, wenn er zum Auskriechen reif wird, verschieden, als
die früheste Gestalt des neuempfangenen Säugethiers von
seiner nachherigen Bildung; so daß man sagen kann, das
Küchelchen im Eie gelange erst durch eine wahre Metamor-
phose zu seiner vollkommenen Gestalt, und das sowohl in
Rücksicht einzelner Eingeweide (z. B. des Herzens) als in
der Totalbildung.(- vergl. die Abbild n. h. Gegenst.
tab. 64. -)

§. 73.

Unter den mancherlei zur bewunderungswürdigen
Oekonomie des bebrüteten Küchelchens dienenden Or-
ganen, sind die beiden allerwichtigsten zwey sehr ge-
fäßreiche Membranen, die zumal um die Mitte der
Brütezeit in ganz ausnehmender Schönheit sich zei-
gen. - Nähmlich die Nabelhaut (chorion), die

das Eiweiß, sondern auch wiederum diejenige Stelle
auf seiner Oberfläche (der so genannte Hahnentritt,
cicatricula), neben welcher das künftige Hühnchen zu
liegen kommt, selbst noch leichter als die entgegen
gesetzte Seite, so daß folglich bei jeder Lage des Eies
doch immer jene Stelle dem Leibe des brütenden
Vogels zugekehrt ist. Die erste Spur des neuen
Küchelchens zeiget sich immer erst eine geraume Zeit,
nachdem das Brüten seinen Anfang genommen; beim
Hühnerei z. B. kaum vor Ende des ersten Tages:
so wie am Ende des zweyten das berühmte Schauspiel
der ersten Bewegung des dann noch sehr unvollkomm-
nen Herzchens (das punctum saliens) seinen Anfang
nimmt. Zu Ende des fünften Tages sieht man schon
das ganze kleine gallertartige Geschöpf sich bewegen.
Am vierzehnten brechen die Federn aus; zu Anfang
des fünfzehnten schnappt das Hühnchen schon nach
Luft; und ist am neunzehnten Tage im Stande einen
Laut von sich zu geben.

Anm. Beim Vogel im Ei ist die erste Gestalt, wor-
in er sich zeigt, noch weit mehr von seiner nachmahligen
Form, wenn er zum Auskriechen reif wird, verschieden, als
die früheste Gestalt des neuempfangenen Säugethiers von
seiner nachherigen Bildung; so daß man sagen kann, das
Küchelchen im Eie gelange erst durch eine wahre Metamor-
phose zu seiner vollkommenen Gestalt, und das sowohl in
Rücksicht einzelner Eingeweide (z. B. des Herzens) als in
der Totalbildung.(– vergl. die Abbild n. h. Gegenst.
tab. 64. –)

§. 73.

Unter den mancherlei zur bewunderungswürdigen
Oekonomie des bebrüteten Küchelchens dienenden Or-
ganen, sind die beiden allerwichtigsten zwey sehr ge-
fäßreiche Membranen, die zumal um die Mitte der
Brütezeit in ganz ausnehmender Schönheit sich zei-
gen. – Nähmlich die Nabelhaut (chorion), die

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[125/0143] das Eiweiß, sondern auch wiederum diejenige Stelle auf seiner Oberfläche (der so genannte Hahnentritt, cicatricula), neben welcher das künftige Hühnchen zu liegen kommt, selbst noch leichter als die entgegen gesetzte Seite, so daß folglich bei jeder Lage des Eies doch immer jene Stelle dem Leibe des brütenden Vogels zugekehrt ist. Die erste Spur des neuen Küchelchens zeiget sich immer erst eine geraume Zeit, nachdem das Brüten seinen Anfang genommen; beim Hühnerei z. B. kaum vor Ende des ersten Tages: so wie am Ende des zweyten das berühmte Schauspiel der ersten Bewegung des dann noch sehr unvollkomm- nen Herzchens (das punctum saliens) seinen Anfang nimmt. Zu Ende des fünften Tages sieht man schon das ganze kleine gallertartige Geschöpf sich bewegen. Am vierzehnten brechen die Federn aus; zu Anfang des fünfzehnten schnappt das Hühnchen schon nach Luft; und ist am neunzehnten Tage im Stande einen Laut von sich zu geben. Anm. Beim Vogel im Ei ist die erste Gestalt, wor- in er sich zeigt, noch weit mehr von seiner nachmahligen Form, wenn er zum Auskriechen reif wird, verschieden, als die früheste Gestalt des neuempfangenen Säugethiers von seiner nachherigen Bildung; so daß man sagen kann, das Küchelchen im Eie gelange erst durch eine wahre Metamor- phose zu seiner vollkommenen Gestalt, und das sowohl in Rücksicht einzelner Eingeweide (z. B. des Herzens) als in der Totalbildung.(– vergl. die Abbild n. h. Gegenst. tab. 64. –) §. 73. Unter den mancherlei zur bewunderungswürdigen Oekonomie des bebrüteten Küchelchens dienenden Or- ganen, sind die beiden allerwichtigsten zwey sehr ge- fäßreiche Membranen, die zumal um die Mitte der Brütezeit in ganz ausnehmender Schönheit sich zei- gen. – Nähmlich die Nabelhaut (chorion), die

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Göttingen, 1830, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1830/143>, abgerufen am 19.03.2024.