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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Göttingen, 1830.

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**), darauf an,
sie so zu bestimmen, wie sie dem Begriff von orga-
nisirten Körpern, und dann den Phänomenen, die
uns die Beobachtung bei Entstehung derselben lehrt,
am ungezwungensten entspricht.

§. 9.

Und dieß geschieht, wenn man annimmt, daß
der reife, vorher zwar umgeformte, aber organisir-
bare Zeugungsstoff der Aeltern, wenn er zu seiner
Zeit, und unter den erforderlichen Umständen an
den Ort seiner Bestimmung gelangt, dann für eine
in demselben nun zweckmäßig wirkende Lebenskraft,
nähmlich den Bildungstrieb (nisus formativus),
zuerst empfänglich wird; - für einen Trieb, der
sich von aller bloß mechanischen bildenden Kraft [als
welche auch im unorganischen Reiche Krystallisatio-
nen*) u. dergl. hervorbringt] dadurch auszeichnet,
daß er nach der endlos mannichfaltig verschiedenen
Bestimmung der organisirten Körper und ihrer
Theile, die vielartig organisirbaren Zeugungsstoffe
auf eben so mannichfaltig aber zweckmäßig modifi-
cirte Weise in bestimmte Gestalten zu formen ver-
mag - und so [- durch die Verbindung des me-

**) Aber das schlechterdings Unstatthafte aller solchen bloß me-
chanischen
Erklärungsarten der allmählichen Ausbildung or-
ganisirter
Körper durch eine so genannte vis plastica (wie
es unsere ehrlichen Alten nannten), als welche eben so gut im
Mineralreich Statt hat, ergibt sich von selbst aus dem Begriff
von organisirten Körpern, als welcher durchaus zugleich Zweck-
mäßigkeit
involvirt. - s. Kant a. a. O. S. 292.
*) Die Krystallisationen unterscheiden sich von den organisir-
ten Körpern selbst schon durch die geometrische Regularität ihrer
fast immer geradlinichten Umrisse, die auf wenige Fundamental-
formen reducirbar sind; da hingegen die Gestaltungen der Thiere
und Gewächse eben wegen ihrer unübersehbar vielartigen Zweck-
mäßigkeit zu bestimmten Verrichtungen auch in unübersehlich viel-
artige Formen (von endlos variirenden Umrissen) gebildet wer-
den mußten.

**), darauf an,
sie so zu bestimmen, wie sie dem Begriff von orga-
nisirten Körpern, und dann den Phänomenen, die
uns die Beobachtung bei Entstehung derselben lehrt,
am ungezwungensten entspricht.

§. 9.

Und dieß geschieht, wenn man annimmt, daß
der reife, vorher zwar umgeformte, aber organisir-
bare Zeugungsstoff der Aeltern, wenn er zu seiner
Zeit, und unter den erforderlichen Umständen an
den Ort seiner Bestimmung gelangt, dann für eine
in demselben nun zweckmäßig wirkende Lebenskraft,
nähmlich den Bildungstrieb (nisus formativus),
zuerst empfänglich wird; – für einen Trieb, der
sich von aller bloß mechanischen bildenden Kraft [als
welche auch im unorganischen Reiche Krystallisatio-
nen*) u. dergl. hervorbringt] dadurch auszeichnet,
daß er nach der endlos mannichfaltig verschiedenen
Bestimmung der organisirten Körper und ihrer
Theile, die vielartig organisirbaren Zeugungsstoffe
auf eben so mannichfaltig aber zweckmäßig modifi-
cirte Weise in bestimmte Gestalten zu formen ver-
mag – und so [– durch die Verbindung des me-

**) Aber das schlechterdings Unstatthafte aller solchen bloß me-
chanischen
Erklärungsarten der allmählichen Ausbildung or-
ganisirter
Körper durch eine so genannte vis plastica (wie
es unsere ehrlichen Alten nannten), als welche eben so gut im
Mineralreich Statt hat, ergibt sich von selbst aus dem Begriff
von organisirten Körpern, als welcher durchaus zugleich Zweck-
mäßigkeit
involvirt. – s. Kant a. a. O. S. 292.
*) Die Krystallisationen unterscheiden sich von den organisir-
ten Körpern selbst schon durch die geometrische Regularität ihrer
fast immer geradlinichten Umrisse, die auf wenige Fundamental-
formen reducirbar sind; da hingegen die Gestaltungen der Thiere
und Gewächse eben wegen ihrer unübersehbar vielartigen Zweck-
mäßigkeit zu bestimmten Verrichtungen auch in unübersehlich viel-
artige Formen (von endlos variirenden Umrissen) gebildet wer-
den mußten.
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[15/0033] **), darauf an, sie so zu bestimmen, wie sie dem Begriff von orga- nisirten Körpern, und dann den Phänomenen, die uns die Beobachtung bei Entstehung derselben lehrt, am ungezwungensten entspricht. §. 9. Und dieß geschieht, wenn man annimmt, daß der reife, vorher zwar umgeformte, aber organisir- bare Zeugungsstoff der Aeltern, wenn er zu seiner Zeit, und unter den erforderlichen Umständen an den Ort seiner Bestimmung gelangt, dann für eine in demselben nun zweckmäßig wirkende Lebenskraft, nähmlich den Bildungstrieb (nisus formativus), zuerst empfänglich wird; – für einen Trieb, der sich von aller bloß mechanischen bildenden Kraft [als welche auch im unorganischen Reiche Krystallisatio- nen *) u. dergl. hervorbringt] dadurch auszeichnet, daß er nach der endlos mannichfaltig verschiedenen Bestimmung der organisirten Körper und ihrer Theile, die vielartig organisirbaren Zeugungsstoffe auf eben so mannichfaltig aber zweckmäßig modifi- cirte Weise in bestimmte Gestalten zu formen ver- mag – und so [– durch die Verbindung des me- **) Aber das schlechterdings Unstatthafte aller solchen bloß me- chanischen Erklärungsarten der allmählichen Ausbildung or- ganisirter Körper durch eine so genannte vis plastica (wie es unsere ehrlichen Alten nannten), als welche eben so gut im Mineralreich Statt hat, ergibt sich von selbst aus dem Begriff von organisirten Körpern, als welcher durchaus zugleich Zweck- mäßigkeit involvirt. – s. Kant a. a. O. S. 292. *) Die Krystallisationen unterscheiden sich von den organisir- ten Körpern selbst schon durch die geometrische Regularität ihrer fast immer geradlinichten Umrisse, die auf wenige Fundamental- formen reducirbar sind; da hingegen die Gestaltungen der Thiere und Gewächse eben wegen ihrer unübersehbar vielartigen Zweck- mäßigkeit zu bestimmten Verrichtungen auch in unübersehlich viel- artige Formen (von endlos variirenden Umrissen) gebildet wer- den mußten.

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Göttingen, 1830, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1830/33>, abgerufen am 19.03.2024.