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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Göttingen, 1830.

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folg als Regel angesehen werden. Denn gewöhnlich sind
die Maulthiere steril, und nur in äußerst seltenen Fällen
hat man sie zur Fortpflanzung fähig befunden. Wollte
man also diesen wunderseltenen Fall als Regel gelten lassen,
so müßte man Pferd und Esel für Thiere derselben Spe-
cies
halten, ungeachtet sie in ihrem ganzen Körperbau -
zumahl im Innern (und namentlich in der ganz auffallend
verschiedenen Einrichtung ihrer Stimmwerkzeuge), wenig-
stens eben so specifisch von einander differiren als Löwe
und Katze. Da stimmt hingegen alle Analogie dafür, sie
als zwey ganz verschiedene Gattungen anzuerkennen. Und
eben diesem Grundsatze der Analogie gemäß halte ich auch
die gedachten beiderlei Elephanten für ganz verschiedene
Gattungen, weil ihr Gebiß, äußeres Ohr etc. eine so con-
stante auffallende Verschiedenheit zeigt, die sich unmöglich
als bloße Folge der Degeneration gedenken läßt.

§. 16.

Zu den mancherlei Ursachen der Ausartung ge-
hören vorzüglichst der Einfluß des Himmelstrichs,
der Nahrung, und bei Menschen und Thieren auch
der Lebensart.

Kaltes Clima z. B. unterdrückt das Wachsthum
der organisirten Körper, und darum sind die Grön-
länder, Lappländer etc. so wie die Thiere und Ge-
wächse kalter Erdstriche, klein, untersetzt. Eben so
bringt dieses Clima weiße Farbe an Thieren und
Gewächsen hervor, und darum sind die Nordländer
von Natur von weißer Haut etc. so wie viele warm-
blütige Thiere der kältesten Gegenden anomalisch
weiße Haare und Federn, viele Pflanzen daselbst
anomalisch weiße Blüthen haben u. s. w. - Dage-
gen tragen die Creolen (d. h. die in Ost- und
West-Indien von europäischen Aeltern gebohrenen
Weißen) meist das unverkennbare Gepräge ihrer
südlichen Heimath an sich.

Wie sehr aber verschiedene Lebensart, Cultur
und Nahrungsmittel nach und nach die Bildung,

folg als Regel angesehen werden. Denn gewöhnlich sind
die Maulthiere steril, und nur in äußerst seltenen Fällen
hat man sie zur Fortpflanzung fähig befunden. Wollte
man also diesen wunderseltenen Fall als Regel gelten lassen,
so müßte man Pferd und Esel für Thiere derselben Spe-
cies
halten, ungeachtet sie in ihrem ganzen Körperbau –
zumahl im Innern (und namentlich in der ganz auffallend
verschiedenen Einrichtung ihrer Stimmwerkzeuge), wenig-
stens eben so specifisch von einander differiren als Löwe
und Katze. Da stimmt hingegen alle Analogie dafür, sie
als zwey ganz verschiedene Gattungen anzuerkennen. Und
eben diesem Grundsatze der Analogie gemäß halte ich auch
die gedachten beiderlei Elephanten für ganz verschiedene
Gattungen, weil ihr Gebiß, äußeres Ohr ꝛc. eine so con-
stante auffallende Verschiedenheit zeigt, die sich unmöglich
als bloße Folge der Degeneration gedenken läßt.

§. 16.

Zu den mancherlei Ursachen der Ausartung ge-
hören vorzüglichst der Einfluß des Himmelstrichs,
der Nahrung, und bei Menschen und Thieren auch
der Lebensart.

Kaltes Clima z. B. unterdrückt das Wachsthum
der organisirten Körper, und darum sind die Grön-
länder, Lappländer ꝛc. so wie die Thiere und Ge-
wächse kalter Erdstriche, klein, untersetzt. Eben so
bringt dieses Clima weiße Farbe an Thieren und
Gewächsen hervor, und darum sind die Nordländer
von Natur von weißer Haut ꝛc. so wie viele warm-
blütige Thiere der kältesten Gegenden anomalisch
weiße Haare und Federn, viele Pflanzen daselbst
anomalisch weiße Blüthen haben u. s. w. – Dage-
gen tragen die Creolen (d. h. die in Ost- und
West-Indien von europäischen Aeltern gebohrenen
Weißen) meist das unverkennbare Gepräge ihrer
südlichen Heimath an sich.

Wie sehr aber verschiedene Lebensart, Cultur
und Nahrungsmittel nach und nach die Bildung,

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[23/0041] folg als Regel angesehen werden. Denn gewöhnlich sind die Maulthiere steril, und nur in äußerst seltenen Fällen hat man sie zur Fortpflanzung fähig befunden. Wollte man also diesen wunderseltenen Fall als Regel gelten lassen, so müßte man Pferd und Esel für Thiere derselben Spe- cies halten, ungeachtet sie in ihrem ganzen Körperbau – zumahl im Innern (und namentlich in der ganz auffallend verschiedenen Einrichtung ihrer Stimmwerkzeuge), wenig- stens eben so specifisch von einander differiren als Löwe und Katze. Da stimmt hingegen alle Analogie dafür, sie als zwey ganz verschiedene Gattungen anzuerkennen. Und eben diesem Grundsatze der Analogie gemäß halte ich auch die gedachten beiderlei Elephanten für ganz verschiedene Gattungen, weil ihr Gebiß, äußeres Ohr ꝛc. eine so con- stante auffallende Verschiedenheit zeigt, die sich unmöglich als bloße Folge der Degeneration gedenken läßt. §. 16. Zu den mancherlei Ursachen der Ausartung ge- hören vorzüglichst der Einfluß des Himmelstrichs, der Nahrung, und bei Menschen und Thieren auch der Lebensart. Kaltes Clima z. B. unterdrückt das Wachsthum der organisirten Körper, und darum sind die Grön- länder, Lappländer ꝛc. so wie die Thiere und Ge- wächse kalter Erdstriche, klein, untersetzt. Eben so bringt dieses Clima weiße Farbe an Thieren und Gewächsen hervor, und darum sind die Nordländer von Natur von weißer Haut ꝛc. so wie viele warm- blütige Thiere der kältesten Gegenden anomalisch weiße Haare und Federn, viele Pflanzen daselbst anomalisch weiße Blüthen haben u. s. w. – Dage- gen tragen die Creolen (d. h. die in Ost- und West-Indien von europäischen Aeltern gebohrenen Weißen) meist das unverkennbare Gepräge ihrer südlichen Heimath an sich. Wie sehr aber verschiedene Lebensart, Cultur und Nahrungsmittel nach und nach die Bildung,

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Göttingen, 1830, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1830/41>, abgerufen am 19.03.2024.