Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Göttingen, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

u. a.m.). Anderseits verlieren manche Gewächse
durch die Cultur gewisse Theile, die sie im Natur-
zustande hatten. So wird z. B. die indische wilde
Lawsonia spinosa in Syrien durch die Cultur
inermis. - Ueberhaupt sind auch die Gewächse
manchen Arten von Degenerationen ausgesetzt, die bei
den Thieren gar nicht Statt haben können, wie
z. B. die Ausartung der männlichen Befruchtungs-
theile in den gefüllten Blumen u. dergl. m.

§. 203.

Vorzüglich merkwürdig ist die Abartung der Ge-
wächse durch Bastardzeugung (§. 14.)*), wor-
über bekanntlich Kölreuter die scharfsinnigsten Ver-
suche angestellt, und sogar durch wiederholte Erzeu-
gung fruchtbarer Bastardpflanzen, die Eine Gattung
von Tabak (nicotiana rustica) endlich vollkommen
in eine andere (nicotiana paniculata) verwandelt
und umgeschaffen hat**): welches sich freilich mit der
Lehre von vermeinten präformirten Keimen schlech-
terdings nicht, aber wenn ich nicht irre, ganz wohl
mit der vom Bildungstriebe (§. 9.) reimen läßt.

Anm. So können auch durch Zufall Bastardpflanzen in
Gärten entstehen; wenn zwey verschiedene, aber doch ver-
wandte Gattungen zur Blühezeit nahe beisammen waren***).

§. 204.

Auch die Mißgeburten (§. 12.) sind im Ge-
wächsreiche ungleich zahlreicher, als unter den Thie-
ren und zwar bekanntlich bei den cultivirten Gewäch-

*) A. F. Wiegmann über die Bastarderzeugung im Pflanzen-
reiche. Braunschw. 1828. 4.
**) Dritte Fortsetzung der vorläufigen Nachricht. S. 51 u. f.
***) Chr. Jul. W. Schiede de plantis hybridis sponte na-
tis.
Cassel. 1825. 8.

u. a.m.). Anderseits verlieren manche Gewächse
durch die Cultur gewisse Theile, die sie im Natur-
zustande hatten. So wird z. B. die indische wilde
Lawsonia spinosa in Syrien durch die Cultur
inermis. – Ueberhaupt sind auch die Gewächse
manchen Arten von Degenerationen ausgesetzt, die bei
den Thieren gar nicht Statt haben können, wie
z. B. die Ausartung der männlichen Befruchtungs-
theile in den gefüllten Blumen u. dergl. m.

§. 203.

Vorzüglich merkwürdig ist die Abartung der Ge-
wächse durch Bastardzeugung (§. 14.)*), wor-
über bekanntlich Kölreuter die scharfsinnigsten Ver-
suche angestellt, und sogar durch wiederholte Erzeu-
gung fruchtbarer Bastardpflanzen, die Eine Gattung
von Tabak (nicotiana rustica) endlich vollkommen
in eine andere (nicotiana paniculata) verwandelt
und umgeschaffen hat**): welches sich freilich mit der
Lehre von vermeinten präformirten Keimen schlech-
terdings nicht, aber wenn ich nicht irre, ganz wohl
mit der vom Bildungstriebe (§. 9.) reimen läßt.

Anm. So können auch durch Zufall Bastardpflanzen in
Gärten entstehen; wenn zwey verschiedene, aber doch ver-
wandte Gattungen zur Blühezeit nahe beisammen waren***).

§. 204.

Auch die Mißgeburten (§. 12.) sind im Ge-
wächsreiche ungleich zahlreicher, als unter den Thie-
ren und zwar bekanntlich bei den cultivirten Gewäch-

*) A. F. Wiegmann über die Bastarderzeugung im Pflanzen-
reiche. Braunschw. 1828. 4.
**) Dritte Fortsetzung der vorläufigen Nachricht. S. 51 u. f.
***) Chr. Jul. W. Schiede de plantis hybridis sponte na-
tis.
Cassel. 1825. 8.
<TEI>
  <text xml:id="blume_hbnatur_000034">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0460" xml:id="pb442_0001" n="442"/>
u. a.m.). Anderseits verlieren manche Gewächse<lb/>
durch die Cultur gewisse Theile, die sie im Natur-<lb/>
zustande hatten. So wird z. B. die indische wilde<lb/><hi rendition="#aq">Lawsonia</hi> <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">spinosa</hi></hi> in Syrien durch die Cultur<lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">inermis.</hi></hi> &#x2013; Ueberhaupt sind auch die Gewächse<lb/>
manchen Arten von Degenerationen ausgesetzt, die bei<lb/>
den Thieren gar nicht Statt haben können, wie<lb/>
z. B. die Ausartung der männlichen Befruchtungs-<lb/>
theile in den <hi rendition="#g">gefüllten</hi> Blumen u. dergl. m.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head rendition="#c">§. 203.</head><lb/>
          <p>Vorzüglich merkwürdig ist die Abartung der Ge-<lb/>
wächse durch <hi rendition="#g">Bastardzeugung</hi> (§. 14.)<note anchored="true" place="foot" n="*)"><p><hi rendition="#g">A. F. Wiegmann</hi> über die Bastarderzeugung im Pflanzen-<lb/>
reiche. Braunschw. 1828. 4.</p></note>, wor-<lb/>
über bekanntlich <hi rendition="#g">Kölreuter</hi> die scharfsinnigsten Ver-<lb/>
suche angestellt, und sogar durch wiederholte Erzeu-<lb/>
gung fruchtbarer Bastardpflanzen, die Eine Gattung<lb/>
von Tabak (<hi rendition="#aq">nicotiana</hi> <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">rustica</hi></hi>) endlich vollkommen<lb/>
in eine andere (<hi rendition="#aq">nicotiana</hi> <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">paniculata</hi></hi>) verwandelt<lb/>
und umgeschaffen hat<note anchored="true" place="foot" n="**)"><p>Dritte Fortsetzung der vorläufigen Nachricht. S. 51 u. f.</p></note>: welches sich freilich mit der<lb/>
Lehre von vermeinten präformirten Keimen schlech-<lb/>
terdings nicht, aber wenn ich nicht irre, ganz wohl<lb/>
mit der vom Bildungstriebe (§. 9.) reimen läßt.</p>
          <p rendition="#small"><hi rendition="#g">Anm</hi>. So können auch durch Zufall Bastardpflanzen in<lb/>
Gärten entstehen; wenn zwey verschiedene, aber doch ver-<lb/>
wandte Gattungen zur Blühezeit nahe beisammen waren<note anchored="true" place="foot" n="***)"><p><hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">Chr. Jul. W. Schiede</hi></hi><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">de plantis hybridis sponte na-<lb/>
tis.</hi></hi><hi rendition="#aq">Cassel</hi>. 1825. 8.</p></note>.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head rendition="#c">§. 204.</head><lb/>
          <p>Auch die <hi rendition="#g">Mißgeburten</hi> (§. 12.) sind im Ge-<lb/>
wächsreiche ungleich zahlreicher, als unter den Thie-<lb/>
ren und zwar bekanntlich bei den cultivirten Gewäch-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[442/0460] u. a.m.). Anderseits verlieren manche Gewächse durch die Cultur gewisse Theile, die sie im Natur- zustande hatten. So wird z. B. die indische wilde Lawsonia spinosa in Syrien durch die Cultur inermis. – Ueberhaupt sind auch die Gewächse manchen Arten von Degenerationen ausgesetzt, die bei den Thieren gar nicht Statt haben können, wie z. B. die Ausartung der männlichen Befruchtungs- theile in den gefüllten Blumen u. dergl. m. §. 203. Vorzüglich merkwürdig ist die Abartung der Ge- wächse durch Bastardzeugung (§. 14.) *), wor- über bekanntlich Kölreuter die scharfsinnigsten Ver- suche angestellt, und sogar durch wiederholte Erzeu- gung fruchtbarer Bastardpflanzen, die Eine Gattung von Tabak (nicotiana rustica) endlich vollkommen in eine andere (nicotiana paniculata) verwandelt und umgeschaffen hat **): welches sich freilich mit der Lehre von vermeinten präformirten Keimen schlech- terdings nicht, aber wenn ich nicht irre, ganz wohl mit der vom Bildungstriebe (§. 9.) reimen läßt. Anm. So können auch durch Zufall Bastardpflanzen in Gärten entstehen; wenn zwey verschiedene, aber doch ver- wandte Gattungen zur Blühezeit nahe beisammen waren ***). §. 204. Auch die Mißgeburten (§. 12.) sind im Ge- wächsreiche ungleich zahlreicher, als unter den Thie- ren und zwar bekanntlich bei den cultivirten Gewäch- *) A. F. Wiegmann über die Bastarderzeugung im Pflanzen- reiche. Braunschw. 1828. 4. **) Dritte Fortsetzung der vorläufigen Nachricht. S. 51 u. f. ***) Chr. Jul. W. Schiede de plantis hybridis sponte na- tis. Cassel. 1825. 8.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1830/460
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Göttingen, 1830, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1830/460>, abgerufen am 28.03.2024.