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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Wien, 1832.

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Körper, die sich ihre sehr vielartige Nahrung mittelst willkür-
licher Bewegung suchen, und selbige durch den Mund in den
Magen bringen.

Die Pflanzen sind zwar ebenfalls belebte organisirte Kör-
per, aber unbeseelt, so daß sie ihren sehr homogenen Nah-
rungssaft ohne willkürliche Bewegung mittelst der Wurzeln
einsaugen.

Die Mineralien endlich sind unbelebte und unorgani-
sirte Körper, die folglich ohne Lebenskraft nach den physischen
(mechanischen und chemischen) Gesetzen von Anziehung, Anhäu
fung, Bildungskraft etc. entstehen.

Anm. Gegen diese Eintheilung in drey Reiche, ist, zumahl neu-
erlich, eine doppelte Einwendung gemacht worden.

Manche haben zwar die Kluft zwischen den organisirten
und unorganisirten Körpern anerkannt, aber nur keine bestimm-
ten Gränzen zwischen Thieren und Gewächsen zugeben wollen:

Andere hingegen haben die beliebten Metaphern von Stu-
fenfolge der Geschöpfe geradezu dahin gedeutet, als ob überhaupt
keine bestimmbaren Eintheilungen der Naturalien in Reiche u.
s. w. Statt fänden.

Was das erste betrifft, so sollte man zwar überhaupt nicht
vergessen, was so oft bey Gegenständen der Erfahrung der Fall
ist, daß man sie weit leichter für das, was sie sind, richtig an-
erkennen und von andern unterscheiden, als ihre einzelnen unter-
scheidenden Merkzeichen ausfinden und angeben kann*) - So
sagte z. B. Linne: "nullum characterem hactenus eruere
potui, unde Homo a Simia internoscatur
."
Nun glaube ich
zwar in diesem Buche solche äußere Charaktere der Humanität
angegeben zu haben, wodurch sich der Mensch von den noch so
menschenähnlichen Affen (wie man sie nennt); so wie überhaupt
von allen andern Säugethieren unverkennbar auszeichnet. Aber
auch ohne dieselben wird doch hoffentlich nie ein Naturforscher in
praxi
in Verlegenheit gekommen seyn, Menschen und Affen etwa
zu verwechseln. - Außerdem aber können ferner Geschöpfe aus
noch so verschiedenen Classen manche theils auffallende und uner-
wartete Aehnlichkeit mit einander haben, ohne daß dadurch die
dessen ungeachtet unverkennbare Verschiedenheit zwischen diesen
Classen selbst wegfallen dürfte. Man theilt z. B. die Thiere sehr
natürlich in warmblütige und kaltblütige; und rechnet eben so na-
türlicher Weise die Säugethiere zu jenen und hingegen die Insec-
ten zu diesen; ohne je deßhalb irre zu werden, daß die Bienen
in ihrem Stocke so ganz ohne Vergleich wärmer sind, als etwa
ein Igel während seines Winterschlafs. - So gibt es unter den

*) "Facilius plerumque est rem praesentem discernere,
quam verbis exacte definire."
. Gaubius. "Allein der Fehler liegt nicht am Unterscheidungsgrunde, welcher
stets wahr bleibt, sondern nur an der Schwierigkeit ihn in manchen
Fällen zu finden."
J. Aug. Unzer.

Körper, die sich ihre sehr vielartige Nahrung mittelst willkür-
licher Bewegung suchen, und selbige durch den Mund in den
Magen bringen.

Die Pflanzen sind zwar ebenfalls belebte organisirte Kör-
per, aber unbeseelt, so daß sie ihren sehr homogenen Nah-
rungssaft ohne willkürliche Bewegung mittelst der Wurzeln
einsaugen.

Die Mineralien endlich sind unbelebte und unorgani-
sirte Körper, die folglich ohne Lebenskraft nach den physischen
(mechanischen und chemischen) Gesetzen von Anziehung, Anhäu
fung, Bildungskraft ꝛc. entstehen.

Anm. Gegen diese Eintheilung in drey Reiche, ist, zumahl neu-
erlich, eine doppelte Einwendung gemacht worden.

Manche haben zwar die Kluft zwischen den organisirten
und unorganisirten Körpern anerkannt, aber nur keine bestimm-
ten Gränzen zwischen Thieren und Gewächsen zugeben wollen:

Andere hingegen haben die beliebten Metaphern von Stu-
fenfolge der Geschöpfe geradezu dahin gedeutet, als ob überhaupt
keine bestimmbaren Eintheilungen der Naturalien in Reiche u.
s. w. Statt fänden.

Was das erste betrifft, so sollte man zwar überhaupt nicht
vergessen, was so oft bey Gegenständen der Erfahrung der Fall
ist, daß man sie weit leichter für das, was sie sind, richtig an-
erkennen und von andern unterscheiden, als ihre einzelnen unter-
scheidenden Merkzeichen ausfinden und angeben kann*) – So
sagte z. B. Linné: nullum characterem hactenus eruere
potui, unde Homo a Simia internoscatur
.“
Nun glaube ich
zwar in diesem Buche solche äußere Charaktere der Humanität
angegeben zu haben, wodurch sich der Mensch von den noch so
menschenähnlichen Affen (wie man sie nennt); so wie überhaupt
von allen andern Säugethieren unverkennbar auszeichnet. Aber
auch ohne dieselben wird doch hoffentlich nie ein Naturforscher in
praxi
in Verlegenheit gekommen seyn, Menschen und Affen etwa
zu verwechseln. – Außerdem aber können ferner Geschöpfe aus
noch so verschiedenen Classen manche theils auffallende und uner-
wartete Aehnlichkeit mit einander haben, ohne daß dadurch die
dessen ungeachtet unverkennbare Verschiedenheit zwischen diesen
Classen selbst wegfallen dürfte. Man theilt z. B. die Thiere sehr
natürlich in warmblütige und kaltblütige; und rechnet eben so na-
türlicher Weise die Säugethiere zu jenen und hingegen die Insec-
ten zu diesen; ohne je deßhalb irre zu werden, daß die Bienen
in ihrem Stocke so ganz ohne Vergleich wärmer sind, als etwa
ein Igel während seines Winterschlafs. – So gibt es unter den

*) Facilius plerumque est rem praesentem discernere,
quam verbis exacte definire.“
. Gaubius. „Allein der Fehler liegt nicht am Unterscheidungsgrunde, welcher
stets wahr bleibt, sondern nur an der Schwierigkeit ihn in manchen
Fällen zu finden.“
J. Aug. Unzer.
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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Wien, 1832, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1832/14>, abgerufen am 19.04.2024.