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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Wien, 1832.

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verbrauchen; und dagegen während der Zeit aus ihren Blättern
Sauerstoffgas, den respirablen Theil der atmosphärischen Luft,
entbinden*).

§. 174.

Inzwischen sind doch die Blätter, diese so wichtigen Organe,
bei den mehresten Gewächsen der kältern Himmelsstriche, ein
vergänglicher Schmuck, womit sie bloß den Sommer hindurch
versehen sind, der hingegen mit Annäherung des Winters ver-
trocknet, welkt und theils abfällt. Daß dieses Entblättern
hauptsächlich durch den Frost bewirkt werde, der die Gewächse
in ihren Winterschlaf versenkt, und so wie bei den Thieren den
Lauf ihrer Säfte verzögert, die Gefäße zusammen zieht, so daß
die Blätter nun an ihrer sonstigen Verrichtung gehindert wer-
den und absterben, wird dadurch wahrscheinlich, weil die Ge-
wächse der heißen Zonen (bis auf wenige Ausnahmen) diesem
Abfallen des Laubes nicht so ausgesetzt sind: und weil auch selbst
in den kältern diejenigen Pflanzen, die ein sehr festes harzrei-
ches Blatt haben, wie z. B. die mehresten Tangel- oder Nadel-
hölzer, der Epheu, die Preußel- oder Mehlbeeren (vaccini-
um
vitis idaea), das Heidekraut, der Buxbaum u. s. w. das-
selbe den Winter über grün behalten.

Anm. So wie es aber hinwiederum Thiere gibt, die gerade im
Winter am lebhaftesten sind, sich da paaren etc. so gibt es auch
manche Pflanzen, die dann am stärksten vegetiren, wie die schwar-
ze Nieswurzel, die Zeitlosen, Schneeglöckchen etc.

§. 175.

Bei vielen Gewächsen ist es auffallend, wie sich ihre Blät-
ter und bei manchen die Blüthen des Abends zusammenlegen
oder doch niedersenken, und sich gleichsam zur Ruhe begeben, und
fast wie in eine Art von Schlaf fallen; der übrigens nicht etwa
bloß von der kühlen Abendluft herrührt, da er im Treibhause
eben so gut wie im Freien erfolgt: auch schwerlich bloß von der
Dunkelheit, denn manche Pflanzen schlafen schon im Sommer
des Nachmittags ein: ja, so wie die animalia nocturna (§.
31.) den Tag zum Schlaf verwenden, so ist dieß auch der Fall
mit den Blüthen einiger Pflanzen, z. B. des cactus grandi-
florus
, mesenbryanthemum noctiflorum, der hesperis
tristis etc.

§. 176.

Außerdem zeigen auch noch viele Pflanzen verschiedene an-
dere Arten von eigenthümlicher Bewegung; wohin z. B.

*) J. Ingen-Housz's Experiments upon vegetables. Lond.
1779. 8.

verbrauchen; und dagegen während der Zeit aus ihren Blättern
Sauerstoffgas, den respirablen Theil der atmosphärischen Luft,
entbinden*).

§. 174.

Inzwischen sind doch die Blätter, diese so wichtigen Organe,
bei den mehresten Gewächsen der kältern Himmelsstriche, ein
vergänglicher Schmuck, womit sie bloß den Sommer hindurch
versehen sind, der hingegen mit Annäherung des Winters ver-
trocknet, welkt und theils abfällt. Daß dieses Entblättern
hauptsächlich durch den Frost bewirkt werde, der die Gewächse
in ihren Winterschlaf versenkt, und so wie bei den Thieren den
Lauf ihrer Säfte verzögert, die Gefäße zusammen zieht, so daß
die Blätter nun an ihrer sonstigen Verrichtung gehindert wer-
den und absterben, wird dadurch wahrscheinlich, weil die Ge-
wächse der heißen Zonen (bis auf wenige Ausnahmen) diesem
Abfallen des Laubes nicht so ausgesetzt sind: und weil auch selbst
in den kältern diejenigen Pflanzen, die ein sehr festes harzrei-
ches Blatt haben, wie z. B. die mehresten Tangel- oder Nadel-
hölzer, der Epheu, die Preußel- oder Mehlbeeren (vaccini-
um
vitis idaea), das Heidekraut, der Buxbaum u. s. w. das-
selbe den Winter über grün behalten.

Anm. So wie es aber hinwiederum Thiere gibt, die gerade im
Winter am lebhaftesten sind, sich da paaren ꝛc. so gibt es auch
manche Pflanzen, die dann am stärksten vegetiren, wie die schwar-
ze Nieswurzel, die Zeitlosen, Schneeglöckchen ꝛc.

§. 175.

Bei vielen Gewächsen ist es auffallend, wie sich ihre Blät-
ter und bei manchen die Blüthen des Abends zusammenlegen
oder doch niedersenken, und sich gleichsam zur Ruhe begeben, und
fast wie in eine Art von Schlaf fallen; der übrigens nicht etwa
bloß von der kühlen Abendluft herrührt, da er im Treibhause
eben so gut wie im Freien erfolgt: auch schwerlich bloß von der
Dunkelheit, denn manche Pflanzen schlafen schon im Sommer
des Nachmittags ein: ja, so wie die animalia nocturna (§.
31.) den Tag zum Schlaf verwenden, so ist dieß auch der Fall
mit den Blüthen einiger Pflanzen, z. B. des cactus grandi-
florus
, mesenbryanthemum noctiflorum, der hesperis
tristis ꝛc.

§. 176.

Außerdem zeigen auch noch viele Pflanzen verschiedene an-
dere Arten von eigenthümlicher Bewegung; wohin z. B.

*) J. Ingen-Housz's Experiments upon vegetables. Lond.
1779. 8.
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[338/0348] verbrauchen; und dagegen während der Zeit aus ihren Blättern Sauerstoffgas, den respirablen Theil der atmosphärischen Luft, entbinden *). §. 174. Inzwischen sind doch die Blätter, diese so wichtigen Organe, bei den mehresten Gewächsen der kältern Himmelsstriche, ein vergänglicher Schmuck, womit sie bloß den Sommer hindurch versehen sind, der hingegen mit Annäherung des Winters ver- trocknet, welkt und theils abfällt. Daß dieses Entblättern hauptsächlich durch den Frost bewirkt werde, der die Gewächse in ihren Winterschlaf versenkt, und so wie bei den Thieren den Lauf ihrer Säfte verzögert, die Gefäße zusammen zieht, so daß die Blätter nun an ihrer sonstigen Verrichtung gehindert wer- den und absterben, wird dadurch wahrscheinlich, weil die Ge- wächse der heißen Zonen (bis auf wenige Ausnahmen) diesem Abfallen des Laubes nicht so ausgesetzt sind: und weil auch selbst in den kältern diejenigen Pflanzen, die ein sehr festes harzrei- ches Blatt haben, wie z. B. die mehresten Tangel- oder Nadel- hölzer, der Epheu, die Preußel- oder Mehlbeeren (vaccini- um vitis idaea), das Heidekraut, der Buxbaum u. s. w. das- selbe den Winter über grün behalten. Anm. So wie es aber hinwiederum Thiere gibt, die gerade im Winter am lebhaftesten sind, sich da paaren ꝛc. so gibt es auch manche Pflanzen, die dann am stärksten vegetiren, wie die schwar- ze Nieswurzel, die Zeitlosen, Schneeglöckchen ꝛc. §. 175. Bei vielen Gewächsen ist es auffallend, wie sich ihre Blät- ter und bei manchen die Blüthen des Abends zusammenlegen oder doch niedersenken, und sich gleichsam zur Ruhe begeben, und fast wie in eine Art von Schlaf fallen; der übrigens nicht etwa bloß von der kühlen Abendluft herrührt, da er im Treibhause eben so gut wie im Freien erfolgt: auch schwerlich bloß von der Dunkelheit, denn manche Pflanzen schlafen schon im Sommer des Nachmittags ein: ja, so wie die animalia nocturna (§. 31.) den Tag zum Schlaf verwenden, so ist dieß auch der Fall mit den Blüthen einiger Pflanzen, z. B. des cactus grandi- florus , mesenbryanthemum noctiflorum, der hesperis tristis ꝛc. §. 176. Außerdem zeigen auch noch viele Pflanzen verschiedene an- dere Arten von eigenthümlicher Bewegung; wohin z. B. *) J. Ingen-Housz's Experiments upon vegetables. Lond. 1779. 8.

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Wien, 1832, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1832/348>, abgerufen am 18.04.2024.