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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Wien, 1832.

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§. 191.

Um diese weiblichen Theile sitzen nun die männlichen
oder die Staubfäden (stamina) herum: und bestehen aus
dem Faden (filamentum), und dem darauf ruhenden Staub-
beutel
(anthera). Dieser letztere ist mit einem mehligen häu-
figst gelben Staube (pollen) überzogen, der aber (wie man
unter starker Vergrößerung sieht) eigentlich aus zarten Bläs-
chen besteht, die bei vielen Pflanzen eine überaus sonderbare
Bildung haben, und ein unendlich feineres, duftiges Pulver
enthalten, welches seiner Bestimmung nach mit dem männlichen
Samen der Thiere verglichen zu werden pflegt*).

§. 192.

Bei der Befruchtung fällt jener Blumenstaub auf
die weibliche Narbe: scheint da sich zu öffnen, und sein duftiges
Pulver zu verschütten, welches dann vermuthlich durch den Grif-
fel in den Fruchtknoten dringt und die daselbst vorräthig liegen-
den, bis dahin aber unfruchtbar gewesenen Samenkörner fekun-
dirt. Wenn man die Blüthe vor der Befruchtungszeit eines
dieser wesentlichen Theile beraubt, so wird sie dadurch, so gut als
ein verschnittenes Thier, unfruchtbar.

§. 193.

Bei den mehresten Gewächsen sind diese beiderlei Geschlechts-
theile in der gleichen Blüthe, die folglich zwitterartig ist (§. 20.
S. 20.), verbunden. Bei einigen hingegen in verschiedenen
Blüthen, wovon die einen bloß männlichen, die andern weibli-
chen Geschlechts, aber doch am gleichen Stamme befindlich sind,
getrennt (Monoecia Linn), wie z. B. bei der Haselstaude,
dem Wallnußbaum, dem Brotbaum, den Gurken etc. Andere
Gewächse, wie z. B. der Ahorn, die Esche etc. haben gar dreyerlei
Blüthen, bloß männliche, bloß weibliche, und überdem auch
Zwitterblüthen (Polygamia). Bei noch andern aber, wie z. E.
bei den Palmen, dem Hanf, Hopfen etc. sind die beiden Ge-
schlechter in den Pflanzen selbst, so wie bei allen rothblütigen
und vielen andern Thieren abgesondert: so daß die eine Pflan-
ze bloß männliche, eine andere aber, die übrigens von der glei-
chen Art ist, bloß weibliche Blumen trägt: und die Blüthen des
weiblichen Stammes nicht anders befruchtet werden, als wenn
der Blumenstaub von der männlichen Pflanze durch den Wind

*) Der gelbe Blumenstaub mancher Gewächse wird zuweilen zur
Blüthezeit und zwar zumal bei Gewitterregen in Menge abgeweht
und abgeschwemmt, wo er sich dann besonders auf stehenden Wassern,
Gossen etc. zeigt, und wohl ehe zur Sage von vermeintem Schwe-
felregen
Anlaß gegeben hat.
§. 191.

Um diese weiblichen Theile sitzen nun die männlichen
oder die Staubfäden (stamina) herum: und bestehen aus
dem Faden (filamentum), und dem darauf ruhenden Staub-
beutel
(anthera). Dieser letztere ist mit einem mehligen häu-
figst gelben Staube (pollen) überzogen, der aber (wie man
unter starker Vergrößerung sieht) eigentlich aus zarten Bläs-
chen besteht, die bei vielen Pflanzen eine überaus sonderbare
Bildung haben, und ein unendlich feineres, duftiges Pulver
enthalten, welches seiner Bestimmung nach mit dem männlichen
Samen der Thiere verglichen zu werden pflegt*).

§. 192.

Bei der Befruchtung fällt jener Blumenstaub auf
die weibliche Narbe: scheint da sich zu öffnen, und sein duftiges
Pulver zu verschütten, welches dann vermuthlich durch den Grif-
fel in den Fruchtknoten dringt und die daselbst vorräthig liegen-
den, bis dahin aber unfruchtbar gewesenen Samenkörner fekun-
dirt. Wenn man die Blüthe vor der Befruchtungszeit eines
dieser wesentlichen Theile beraubt, so wird sie dadurch, so gut als
ein verschnittenes Thier, unfruchtbar.

§. 193.

Bei den mehresten Gewächsen sind diese beiderlei Geschlechts-
theile in der gleichen Blüthe, die folglich zwitterartig ist (§. 20.
S. 20.), verbunden. Bei einigen hingegen in verschiedenen
Blüthen, wovon die einen bloß männlichen, die andern weibli-
chen Geschlechts, aber doch am gleichen Stamme befindlich sind,
getrennt (Monoecia Linn), wie z. B. bei der Haselstaude,
dem Wallnußbaum, dem Brotbaum, den Gurken ꝛc. Andere
Gewächse, wie z. B. der Ahorn, die Esche ꝛc. haben gar dreyerlei
Blüthen, bloß männliche, bloß weibliche, und überdem auch
Zwitterblüthen (Polygamia). Bei noch andern aber, wie z. E.
bei den Palmen, dem Hanf, Hopfen ꝛc. sind die beiden Ge-
schlechter in den Pflanzen selbst, so wie bei allen rothblütigen
und vielen andern Thieren abgesondert: so daß die eine Pflan-
ze bloß männliche, eine andere aber, die übrigens von der glei-
chen Art ist, bloß weibliche Blumen trägt: und die Blüthen des
weiblichen Stammes nicht anders befruchtet werden, als wenn
der Blumenstaub von der männlichen Pflanze durch den Wind

*) Der gelbe Blumenstaub mancher Gewächse wird zuweilen zur
Blüthezeit und zwar zumal bei Gewitterregen in Menge abgeweht
und abgeschwemmt, wo er sich dann besonders auf stehenden Wassern,
Gossen ꝛc. zeigt, und wohl ehe zur Sage von vermeintem Schwe-
felregen
Anlaß gegeben hat.
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[344/0354] §. 191. Um diese weiblichen Theile sitzen nun die männlichen oder die Staubfäden (stamina) herum: und bestehen aus dem Faden (filamentum), und dem darauf ruhenden Staub- beutel (anthera). Dieser letztere ist mit einem mehligen häu- figst gelben Staube (pollen) überzogen, der aber (wie man unter starker Vergrößerung sieht) eigentlich aus zarten Bläs- chen besteht, die bei vielen Pflanzen eine überaus sonderbare Bildung haben, und ein unendlich feineres, duftiges Pulver enthalten, welches seiner Bestimmung nach mit dem männlichen Samen der Thiere verglichen zu werden pflegt *). §. 192. Bei der Befruchtung fällt jener Blumenstaub auf die weibliche Narbe: scheint da sich zu öffnen, und sein duftiges Pulver zu verschütten, welches dann vermuthlich durch den Grif- fel in den Fruchtknoten dringt und die daselbst vorräthig liegen- den, bis dahin aber unfruchtbar gewesenen Samenkörner fekun- dirt. Wenn man die Blüthe vor der Befruchtungszeit eines dieser wesentlichen Theile beraubt, so wird sie dadurch, so gut als ein verschnittenes Thier, unfruchtbar. §. 193. Bei den mehresten Gewächsen sind diese beiderlei Geschlechts- theile in der gleichen Blüthe, die folglich zwitterartig ist (§. 20. S. 20.), verbunden. Bei einigen hingegen in verschiedenen Blüthen, wovon die einen bloß männlichen, die andern weibli- chen Geschlechts, aber doch am gleichen Stamme befindlich sind, getrennt (Monoecia Linn), wie z. B. bei der Haselstaude, dem Wallnußbaum, dem Brotbaum, den Gurken ꝛc. Andere Gewächse, wie z. B. der Ahorn, die Esche ꝛc. haben gar dreyerlei Blüthen, bloß männliche, bloß weibliche, und überdem auch Zwitterblüthen (Polygamia). Bei noch andern aber, wie z. E. bei den Palmen, dem Hanf, Hopfen ꝛc. sind die beiden Ge- schlechter in den Pflanzen selbst, so wie bei allen rothblütigen und vielen andern Thieren abgesondert: so daß die eine Pflan- ze bloß männliche, eine andere aber, die übrigens von der glei- chen Art ist, bloß weibliche Blumen trägt: und die Blüthen des weiblichen Stammes nicht anders befruchtet werden, als wenn der Blumenstaub von der männlichen Pflanze durch den Wind *) Der gelbe Blumenstaub mancher Gewächse wird zuweilen zur Blüthezeit und zwar zumal bei Gewitterregen in Menge abgeweht und abgeschwemmt, wo er sich dann besonders auf stehenden Wassern, Gossen ꝛc. zeigt, und wohl ehe zur Sage von vermeintem Schwe- felregen Anlaß gegeben hat.

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  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Wien, 1832, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1832/354>, abgerufen am 29.03.2024.