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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Wien, 1832.

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weniger vom Totalhabitus des andern; z. B. weibliche Weich-
lichkeit in der Totalform des männlichen*).

§. 14.

Wenn ein weibliches Geschöpf der einen Gattung von einem
männlichen einer andern Gattung befruchtet worden, so ent-
stehen daraus Bastarde, deren Bildung aus der beiderlei
Aeltern ihrer gleichsam zusammengeschmolzen ist**). Da aber
von der bestimmten Bildung der organisirten Körper, be-
sonders der Thiere, die behörige und für den Gang der Schö-
pfung so äußerst wichtige Vollziehung ihrer Geschäfte abhängt,
so ist es eine weise Einrichtung in der Natur, daß erstens,
wenigstens unter den rothblütigen Thieren, in ihrem freien
Natur-Zustande meines Wissens niemals eine Paarung und
Vermischung unter zweyerlei Gattungen bemerkt worden;
zweytens aber die Bastarde überhaupt meistentheils unfrucht-
bar, und nur sehr selten im Stande sind, ihr Geschlecht wei-
ter fortzuflanzen. Daher gehört es zu den seltnern Aus-
nahmen, wenn Maulthiere, oder die Bastarde von Hänflingen
und Canarienvögeln zuweilen fruchtbar sind. Bei den Pflan-
zen gelingt es leichter, daß durch künstliche Befruchtung ver-
schiedener Gattungen Bastarde hervorgebracht werden können,
die fruchtbaren Samen tragen (- s. oben Seite 10. -).
Hingegen bedürfen die fabelhaften Sagen von vermeinten Ba-
starden aus der Vermischung vom Rindvieh und Pferden oder
Eseln, und von Caninchen und Hühnern, oder vollends gar
von Menschen und Vieh, jetzt hoffentlich keiner weitern Wider-
legung.

Anm. Eben in der gedachten notorischen Erfahrung, daß im freien
Natur-Zustande jener Geschöpfe nur die von einer und eben
derselben Species sich mit einander gatten, liegt der natürliche
Grund, warum das Wort Species im Deutschen am allerna-
türlichsten durch Gattung übersetzt wird (- davon mit mehren
in der Vorrede -).

§. 15.

Rassen und Spielarten (varietates) sind diejeni-
gen Abweichungen von der ursprünglichen specifiken Gestaltung

*) Mehr hierüber s. in meinem Specimen historiae natura-
lis antiquae artis operibus illustratae eaque vicissim illustran-
tis.
im XVIten B. der Commentat. Soc. Gotting.
**) Blendlinge hingegen heißen zwar ebenfalls bastardar-
tige Geschöpfe, die aber nicht aus der Vermischung von zweyerlei
specifisch verschiedenen Aeltern, sondern nur aus der von ver-
schiedenen Rassen der nähmlichen Gattung, erzeugt werden; wie
z. B. selbst im Menschen-Geschlechte die Mulatten etc. (§. 15.)

weniger vom Totalhabitus des andern; z. B. weibliche Weich-
lichkeit in der Totalform des männlichen*).

§. 14.

Wenn ein weibliches Geschöpf der einen Gattung von einem
männlichen einer andern Gattung befruchtet worden, so ent-
stehen daraus Bastarde, deren Bildung aus der beiderlei
Aeltern ihrer gleichsam zusammengeschmolzen ist**). Da aber
von der bestimmten Bildung der organisirten Körper, be-
sonders der Thiere, die behörige und für den Gang der Schö-
pfung so äußerst wichtige Vollziehung ihrer Geschäfte abhängt,
so ist es eine weise Einrichtung in der Natur, daß erstens,
wenigstens unter den rothblütigen Thieren, in ihrem freien
Natur-Zustande meines Wissens niemals eine Paarung und
Vermischung unter zweyerlei Gattungen bemerkt worden;
zweytens aber die Bastarde überhaupt meistentheils unfrucht-
bar, und nur sehr selten im Stande sind, ihr Geschlecht wei-
ter fortzuflanzen. Daher gehört es zu den seltnern Aus-
nahmen, wenn Maulthiere, oder die Bastarde von Hänflingen
und Canarienvögeln zuweilen fruchtbar sind. Bei den Pflan-
zen gelingt es leichter, daß durch künstliche Befruchtung ver-
schiedener Gattungen Bastarde hervorgebracht werden können,
die fruchtbaren Samen tragen (– s. oben Seite 10. –).
Hingegen bedürfen die fabelhaften Sagen von vermeinten Ba-
starden aus der Vermischung vom Rindvieh und Pferden oder
Eseln, und von Caninchen und Hühnern, oder vollends gar
von Menschen und Vieh, jetzt hoffentlich keiner weitern Wider-
legung.

Anm. Eben in der gedachten notorischen Erfahrung, daß im freien
Natur-Zustande jener Geschöpfe nur die von einer und eben
derselben Species sich mit einander gatten, liegt der natürliche
Grund, warum das Wort Species im Deutschen am allerna-
türlichsten durch Gattung übersetzt wird (– davon mit mehren
in der Vorrede –).

§. 15.

Rassen und Spielarten (varietates) sind diejeni-
gen Abweichungen von der ursprünglichen specifiken Gestaltung

*) Mehr hierüber s. in meinem Specimen historiae natura-
lis antiquae artis operibus illustratae eaque vicissim illustran-
tis.
im XVIten B. der Commentat. Soc. Gotting.
**) Blendlinge hingegen heißen zwar ebenfalls bastardar-
tige Geschöpfe, die aber nicht aus der Vermischung von zweyerlei
specifisch verschiedenen Aeltern, sondern nur aus der von ver-
schiedenen Rassen der nähmlichen Gattung, erzeugt werden; wie
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[15/0025] weniger vom Totalhabitus des andern; z. B. weibliche Weich- lichkeit in der Totalform des männlichen *). §. 14. Wenn ein weibliches Geschöpf der einen Gattung von einem männlichen einer andern Gattung befruchtet worden, so ent- stehen daraus Bastarde, deren Bildung aus der beiderlei Aeltern ihrer gleichsam zusammengeschmolzen ist **). Da aber von der bestimmten Bildung der organisirten Körper, be- sonders der Thiere, die behörige und für den Gang der Schö- pfung so äußerst wichtige Vollziehung ihrer Geschäfte abhängt, so ist es eine weise Einrichtung in der Natur, daß erstens, wenigstens unter den rothblütigen Thieren, in ihrem freien Natur-Zustande meines Wissens niemals eine Paarung und Vermischung unter zweyerlei Gattungen bemerkt worden; zweytens aber die Bastarde überhaupt meistentheils unfrucht- bar, und nur sehr selten im Stande sind, ihr Geschlecht wei- ter fortzuflanzen. Daher gehört es zu den seltnern Aus- nahmen, wenn Maulthiere, oder die Bastarde von Hänflingen und Canarienvögeln zuweilen fruchtbar sind. Bei den Pflan- zen gelingt es leichter, daß durch künstliche Befruchtung ver- schiedener Gattungen Bastarde hervorgebracht werden können, die fruchtbaren Samen tragen (– s. oben Seite 10. –). Hingegen bedürfen die fabelhaften Sagen von vermeinten Ba- starden aus der Vermischung vom Rindvieh und Pferden oder Eseln, und von Caninchen und Hühnern, oder vollends gar von Menschen und Vieh, jetzt hoffentlich keiner weitern Wider- legung. Anm. Eben in der gedachten notorischen Erfahrung, daß im freien Natur-Zustande jener Geschöpfe nur die von einer und eben derselben Species sich mit einander gatten, liegt der natürliche Grund, warum das Wort Species im Deutschen am allerna- türlichsten durch Gattung übersetzt wird (– davon mit mehren in der Vorrede –). §. 15. Rassen und Spielarten (varietates) sind diejeni- gen Abweichungen von der ursprünglichen specifiken Gestaltung *) Mehr hierüber s. in meinem Specimen historiae natura- lis antiquae artis operibus illustratae eaque vicissim illustran- tis. im XVIten B. der Commentat. Soc. Gotting. **) Blendlinge hingegen heißen zwar ebenfalls bastardar- tige Geschöpfe, die aber nicht aus der Vermischung von zweyerlei specifisch verschiedenen Aeltern, sondern nur aus der von ver- schiedenen Rassen der nähmlichen Gattung, erzeugt werden; wie z. B. selbst im Menschen-Geschlechte die Mulatten ꝛc. (§. 15.)

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Wien, 1832, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1832/25>, abgerufen am 20.04.2024.