Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Anfangsgründe der Physiologie. (Übers. Joseph Eyerel). Wien, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

drey Minuten das Herz, welches nicht mehr reitz-
bar zu seyn schien, auf meine flache Hand legte,
fieng die linke Herzkammer wieder einige Minu-
ten zu schlagen an, aber die rechte Herzkammer
samt ihrer Vorkammer blieb unbeweglich.

Merkwürdig ist Hallers Versuch; er unterband in
einem lebendigen Thier beide Hohladern, und
schnitt die Lungenarterie entzwey, da sodann
die linke Herzkammer ihre Bewegung länger
behielt, als die rechte. Dieß bezieht sich jedoch
näher auf den folgenden Abschnitt.

§. 112.

Aus dieser Anhäufung des Blutes gegen die
rechte Herzkammer in den letzten Augenblicken des
Lebens, sieht man ein, warum nach dem Tode
die größern Arterien von dem Blute entleert ge-
funden werden a).

Von dieser Ursache suchen auch Aurivillius
b), Weiß c), und Sabathier d) die größere
Weite der rechten Herzkammer herzuleiten.

a) Diese bekannte und nun leicht zu erklären-
de Erscheinung mag ehemals den Erasistratus
verleitet haben, daß er die Arterien mit Luft
angefüllt zu seyn glaubte; dieß kann man ihm
jedoch bei dem damaligen Mangel anatomischer
Kenntniße verzeihen.

Daß aber auch in unsern Zeiten ein Mann auf-
stand, der diese veraltete Meinungen aufwärm-
te, und sogar mit einem ungewöhnlichen Starr-
sinn in verschiedenen Schriften zu vertheidigen
suchte, wird unsern Nachkömmlingen unglaub-
lich scheinen.

drey Minuten das Herz, welches nicht mehr reitz-
bar zu seyn schien, auf meine flache Hand legte,
fieng die linke Herzkammer wieder einige Minu-
ten zu schlagen an, aber die rechte Herzkammer
samt ihrer Vorkammer blieb unbeweglich.

Merkwürdig ist Hallers Versuch; er unterband in
einem lebendigen Thier beide Hohladern, und
schnitt die Lungenarterie entzwey, da sodann
die linke Herzkammer ihre Bewegung länger
behielt, als die rechte. Dieß bezieht sich jedoch
näher auf den folgenden Abschnitt.

§. 112.

Aus dieser Anhäufung des Blutes gegen die
rechte Herzkammer in den letzten Augenblicken des
Lebens, sieht man ein, warum nach dem Tode
die größern Arterien von dem Blute entleert ge-
funden werden a).

Von dieser Ursache suchen auch Aurivillius
b), Weiß c), und Sabathier d) die größere
Weite der rechten Herzkammer herzuleiten.

a) Diese bekannte und nun leicht zu erklären-
de Erscheinung mag ehemals den Erasistratus
verleitet haben, daß er die Arterien mit Luft
angefüllt zu seyn glaubte; dieß kann man ihm
jedoch bei dem damaligen Mangel anatomischer
Kenntniße verzeihen.

Daß aber auch in unsern Zeiten ein Mann auf-
stand, der diese veraltete Meinungen aufwärm-
te, und sogar mit einem ungewöhnlichen Starr-
sinn in verschiedenen Schriften zu vertheidigen
suchte, wird unsern Nachkömmlingen unglaub-
lich scheinen.

<TEI>
  <text xml:id="blume_hbnatur_000071">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p rendition="#indent-2"><pb facs="#f0084" xml:id="pb064_0001" n="64"/>
drey Minuten das Herz, welches nicht mehr reitz-<lb/>
bar zu seyn schien, auf meine flache Hand legte,<lb/>
fieng die linke Herzkammer wieder einige Minu-<lb/>
ten zu schlagen an, aber die rechte Herzkammer<lb/>
samt ihrer Vorkammer blieb unbeweglich.</p>
          <p rendition="#indent-2">Merkwürdig ist Hallers Versuch; er unterband in<lb/>
einem lebendigen Thier beide Hohladern, und<lb/>
schnitt die Lungenarterie entzwey, da sodann<lb/>
die linke Herzkammer ihre Bewegung länger<lb/>
behielt, als die rechte. Dieß bezieht sich jedoch<lb/>
näher auf den folgenden Abschnitt.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head rendition="#c">§. 112.</head><lb/>
          <p>Aus dieser Anhäufung des Blutes gegen die<lb/>
rechte Herzkammer in den letzten Augenblicken des<lb/>
Lebens, sieht man ein, warum nach dem Tode<lb/>
die größern Arterien von dem Blute entleert ge-<lb/>
funden werden <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">a</hi></hi>).</p>
          <p>Von dieser Ursache suchen auch Aurivillius<lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">b</hi></hi><hi rendition="#aq">),</hi> Weiß <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">c</hi></hi>), und Sabathier <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">d)</hi></hi> die größere<lb/>
Weite der rechten Herzkammer herzuleiten.</p>
          <p rendition="#indent-2"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">a</hi></hi>) Diese bekannte und nun leicht zu erklären-<lb/>
de Erscheinung mag ehemals den Erasistratus<lb/>
verleitet haben, daß er die Arterien mit Luft<lb/>
angefüllt zu seyn glaubte; dieß kann man ihm<lb/>
jedoch bei dem damaligen Mangel anatomischer<lb/>
Kenntniße verzeihen.</p>
          <p rendition="#indent-2">Daß aber auch in unsern Zeiten ein Mann auf-<lb/>
stand, der diese veraltete Meinungen aufwärm-<lb/>
te, und sogar mit einem ungewöhnlichen Starr-<lb/>
sinn in verschiedenen Schriften zu vertheidigen<lb/>
suchte, wird unsern Nachkömmlingen unglaub-<lb/>
lich scheinen.</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0084] drey Minuten das Herz, welches nicht mehr reitz- bar zu seyn schien, auf meine flache Hand legte, fieng die linke Herzkammer wieder einige Minu- ten zu schlagen an, aber die rechte Herzkammer samt ihrer Vorkammer blieb unbeweglich. Merkwürdig ist Hallers Versuch; er unterband in einem lebendigen Thier beide Hohladern, und schnitt die Lungenarterie entzwey, da sodann die linke Herzkammer ihre Bewegung länger behielt, als die rechte. Dieß bezieht sich jedoch näher auf den folgenden Abschnitt. §. 112. Aus dieser Anhäufung des Blutes gegen die rechte Herzkammer in den letzten Augenblicken des Lebens, sieht man ein, warum nach dem Tode die größern Arterien von dem Blute entleert ge- funden werden a). Von dieser Ursache suchen auch Aurivillius b), Weiß c), und Sabathier d) die größere Weite der rechten Herzkammer herzuleiten. a) Diese bekannte und nun leicht zu erklären- de Erscheinung mag ehemals den Erasistratus verleitet haben, daß er die Arterien mit Luft angefüllt zu seyn glaubte; dieß kann man ihm jedoch bei dem damaligen Mangel anatomischer Kenntniße verzeihen. Daß aber auch in unsern Zeiten ein Mann auf- stand, der diese veraltete Meinungen aufwärm- te, und sogar mit einem ungewöhnlichen Starr- sinn in verschiedenen Schriften zu vertheidigen suchte, wird unsern Nachkömmlingen unglaub- lich scheinen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_physiologie_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_physiologie_1789/84
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Anfangsgründe der Physiologie. (Übers. Joseph Eyerel). Wien, 1789, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_physiologie_1789/84>, abgerufen am 28.03.2024.