Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Siebentes Cap. II. Monarch. Statsformen. Die Hauptarten der Monarchie.
kirchlichen Zwecken. Alle Wissenschaften, Künste, Fertig-
keiten werden nur insofern geschätzt und gepflegt, als sie zu
religiösen Zwecken nützlich sind; im übrigen aber mit Misz-
trauen betrachtet und vernachlässigt, und wenn eine Gefahr
für die hergebrachte religiöse Autorität daraus zu erwachsen
scheint, unterdrückt und verfolgt.

Wissenschaft und Kunst haben keinen Werth für
sich, sondern nur für die Religion, sie sind nicht freie Schö-
pfungen des Menschengeistes, sondern Sclavinnen der Kirche.



Siebentes Capitel.
II. Monarchische Statsformen.
Die Hauptarten der Monarchie.

Die monarchische Statsform hat die allgemeinste Aner-
kennung unter den verschiedensten Völkern der Erde erlangt.
Wir finden sie in allen Welttheilen, in Asien und in Europa
fast überall und schon in den Anfängen unserer Geschichte
wie in der Gegenwart. Aber unter sich sind die Monarchien
sowohl in der Idee als in der Form ihres Daseins so sehr
verschieden und mannichfaltig, dasz es schwer wird, die
Hauptarten derselben näher zu bestimmen.

I. Den Uebergang von der Theokratie zur humanen Mo-
narchie bildet die Despotie, wie sie in Asien vorzüglich
Macht und Geltung erlangt hat. Das charakteristische Kenn-
zeichen der Despotie ist, dasz sie alles Recht in dem Mon-
archen dergestalt einigt, dasz auszer ihm und ihm gegenüber
Niemand festes Recht hat. Er allein ist der Berechtigte,
alle andern sind vor ihm rechtlose Wesen, Sclaven. Er kann
wohl von dem religiösen oder moralischen Pflichtgefühl be-
schränkt sein und anerkennen, dasz er Gott für die Ausübung

Siebentes Cap. II. Monarch. Statsformen. Die Hauptarten der Monarchie.
kirchlichen Zwecken. Alle Wissenschaften, Künste, Fertig-
keiten werden nur insofern geschätzt und gepflegt, als sie zu
religiösen Zwecken nützlich sind; im übrigen aber mit Misz-
trauen betrachtet und vernachlässigt, und wenn eine Gefahr
für die hergebrachte religiöse Autorität daraus zu erwachsen
scheint, unterdrückt und verfolgt.

Wissenschaft und Kunst haben keinen Werth für
sich, sondern nur für die Religion, sie sind nicht freie Schö-
pfungen des Menschengeistes, sondern Sclavinnen der Kirche.



Siebentes Capitel.
II. Monarchische Statsformen.
Die Hauptarten der Monarchie.

Die monarchische Statsform hat die allgemeinste Aner-
kennung unter den verschiedensten Völkern der Erde erlangt.
Wir finden sie in allen Welttheilen, in Asien und in Europa
fast überall und schon in den Anfängen unserer Geschichte
wie in der Gegenwart. Aber unter sich sind die Monarchien
sowohl in der Idee als in der Form ihres Daseins so sehr
verschieden und mannichfaltig, dasz es schwer wird, die
Hauptarten derselben näher zu bestimmen.

I. Den Uebergang von der Theokratie zur humanen Mo-
narchie bildet die Despotie, wie sie in Asien vorzüglich
Macht und Geltung erlangt hat. Das charakteristische Kenn-
zeichen der Despotie ist, dasz sie alles Recht in dem Mon-
archen dergestalt einigt, dasz auszer ihm und ihm gegenüber
Niemand festes Recht hat. Er allein ist der Berechtigte,
alle andern sind vor ihm rechtlose Wesen, Sclaven. Er kann
wohl von dem religiösen oder moralischen Pflichtgefühl be-
schränkt sein und anerkennen, dasz er Gott für die Ausübung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0417" n="399"/><fw place="top" type="header">Siebentes Cap. II. Monarch. Statsformen. Die Hauptarten der Monarchie.</fw><lb/>
kirchlichen Zwecken. Alle Wissenschaften, Künste, Fertig-<lb/>
keiten werden nur insofern geschätzt und gepflegt, als sie zu<lb/>
religiösen Zwecken nützlich sind; im übrigen aber mit Misz-<lb/>
trauen betrachtet und vernachlässigt, und wenn eine Gefahr<lb/>
für die hergebrachte religiöse Autorität daraus zu erwachsen<lb/>
scheint, unterdrückt und verfolgt.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Wissenschaft</hi> und <hi rendition="#g">Kunst</hi> haben keinen Werth für<lb/>
sich, sondern nur für die Religion, sie sind nicht freie Schö-<lb/>
pfungen des Menschengeistes, sondern Sclavinnen der Kirche.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>Siebentes Capitel.<lb/><hi rendition="#b">II. Monarchische Statsformen.<lb/>
Die Hauptarten der Monarchie.</hi></head><lb/>
          <p>Die monarchische Statsform hat die allgemeinste Aner-<lb/>
kennung unter den verschiedensten Völkern der Erde erlangt.<lb/>
Wir finden sie in allen Welttheilen, in Asien und in Europa<lb/>
fast überall und schon in den Anfängen unserer Geschichte<lb/>
wie in der Gegenwart. Aber unter sich sind die Monarchien<lb/>
sowohl in der Idee als in der Form ihres Daseins so sehr<lb/>
verschieden und mannichfaltig, dasz es schwer wird, die<lb/>
Hauptarten derselben näher zu bestimmen.</p><lb/>
          <p>I. Den Uebergang von der Theokratie zur humanen Mo-<lb/>
narchie bildet die <hi rendition="#g">Despotie</hi>, wie sie in Asien vorzüglich<lb/>
Macht und Geltung erlangt hat. Das charakteristische Kenn-<lb/>
zeichen der Despotie ist, dasz sie <hi rendition="#g">alles Recht</hi> in dem Mon-<lb/>
archen dergestalt einigt, dasz auszer ihm und ihm gegenüber<lb/>
Niemand festes Recht hat. Er allein ist der Berechtigte,<lb/>
alle andern sind vor ihm rechtlose Wesen, Sclaven. Er kann<lb/>
wohl von dem religiösen oder moralischen Pflichtgefühl be-<lb/>
schränkt sein und anerkennen, dasz er Gott für die Ausübung<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[399/0417] Siebentes Cap. II. Monarch. Statsformen. Die Hauptarten der Monarchie. kirchlichen Zwecken. Alle Wissenschaften, Künste, Fertig- keiten werden nur insofern geschätzt und gepflegt, als sie zu religiösen Zwecken nützlich sind; im übrigen aber mit Misz- trauen betrachtet und vernachlässigt, und wenn eine Gefahr für die hergebrachte religiöse Autorität daraus zu erwachsen scheint, unterdrückt und verfolgt. Wissenschaft und Kunst haben keinen Werth für sich, sondern nur für die Religion, sie sind nicht freie Schö- pfungen des Menschengeistes, sondern Sclavinnen der Kirche. Siebentes Capitel. II. Monarchische Statsformen. Die Hauptarten der Monarchie. Die monarchische Statsform hat die allgemeinste Aner- kennung unter den verschiedensten Völkern der Erde erlangt. Wir finden sie in allen Welttheilen, in Asien und in Europa fast überall und schon in den Anfängen unserer Geschichte wie in der Gegenwart. Aber unter sich sind die Monarchien sowohl in der Idee als in der Form ihres Daseins so sehr verschieden und mannichfaltig, dasz es schwer wird, die Hauptarten derselben näher zu bestimmen. I. Den Uebergang von der Theokratie zur humanen Mo- narchie bildet die Despotie, wie sie in Asien vorzüglich Macht und Geltung erlangt hat. Das charakteristische Kenn- zeichen der Despotie ist, dasz sie alles Recht in dem Mon- archen dergestalt einigt, dasz auszer ihm und ihm gegenüber Niemand festes Recht hat. Er allein ist der Berechtigte, alle andern sind vor ihm rechtlose Wesen, Sclaven. Er kann wohl von dem religiösen oder moralischen Pflichtgefühl be- schränkt sein und anerkennen, dasz er Gott für die Ausübung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/417
Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/417>, abgerufen am 16.04.2024.