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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Vierz. Cap. II. Mon. Statsformen. G. Const. Monarchie. 1. Entstehung etc.
dem Grundgesetz vom 5. Juni 1849 in demokratischer Rich-
tung. Die Verfassungsstreitigkeiten der Dänen mit den Deut-
schen bezogen sich weniger auf den Gegensatz der Verfassungs-
form als auf den Gegensatz der Nationalitäten. Indessen auch
da kam es im Juni 1866 zu einer Verfassungsrevision, welche
von dem König mit dem Reichsrath (Landsthing und Volks-
thing) vereinbart wurde.

4. In dem neugestifteten Königreiche der Niederlande,
welches nach der Auflösung des Napoleonischen Kaiserreichs
an die Stelle der alten Republik der Vereinigten Staten und
des späteren Napoleonischen Königreichs Holland getreten
war, wurde die constitutionelle Monarchie ebenfalls eingeführt
(Verfassung vom 28. März 1814 und nach der Vereinigung
mit Belgien vom 24. August 1815). Die neue Verfassung vom
14. Oct. 1848 war ein Fortschritt in derselben Richtung und
der constitutionelle Geist ist neuerdings auch in Holland er-
starkt.

V. Deutsche Staten.

1. Das alte "römische Reich deutscher Nation" hatte in
den letzten Jahrhunderten seines Bestandes zwar die leere
Form einer kaiserlichen Monarchie beibehalten, aber das
Kaiserthum war eine machtlose Würde. Alle wirkliche Macht
war bei den Landesherrn, unter denen der Kaiser selber als
Herr von Oesterreich und König der mit Oesterreich ver-
bundenen fremden Länder nur durch diese Hausmacht an-
gesehen und stark war.

In den einzelnen Territorien aber hatte die landesherr-
liche Fürstenmacht die früheren landständischen Schranken
fast alle durchbrochen und beseitigt und sich zu absoluter
Statsherrschaft erhoben. Die überlieferte Idee dieses, ur-
sprünglich aus erblich gewordenen Reichsämtern entstandenen
Fürstenthums, war nach der Weise des Mittelalters halb theo-
kratisch, halb patrimonial, aber erweitert durch den romani-
schen Begriff der Souveränetät, der nur insofern noch eine

Vierz. Cap. II. Mon. Statsformen. G. Const. Monarchie. 1. Entstehung etc.
dem Grundgesetz vom 5. Juni 1849 in demokratischer Rich-
tung. Die Verfassungsstreitigkeiten der Dänen mit den Deut-
schen bezogen sich weniger auf den Gegensatz der Verfassungs-
form als auf den Gegensatz der Nationalitäten. Indessen auch
da kam es im Juni 1866 zu einer Verfassungsrevision, welche
von dem König mit dem Reichsrath (Landsthing und Volks-
thing) vereinbart wurde.

4. In dem neugestifteten Königreiche der Niederlande,
welches nach der Auflösung des Napoleonischen Kaiserreichs
an die Stelle der alten Republik der Vereinigten Staten und
des späteren Napoleonischen Königreichs Holland getreten
war, wurde die constitutionelle Monarchie ebenfalls eingeführt
(Verfassung vom 28. März 1814 und nach der Vereinigung
mit Belgien vom 24. August 1815). Die neue Verfassung vom
14. Oct. 1848 war ein Fortschritt in derselben Richtung und
der constitutionelle Geist ist neuerdings auch in Holland er-
starkt.

V. Deutsche Staten.

1. Das alte „römische Reich deutscher Nation“ hatte in
den letzten Jahrhunderten seines Bestandes zwar die leere
Form einer kaiserlichen Monarchie beibehalten, aber das
Kaiserthum war eine machtlose Würde. Alle wirkliche Macht
war bei den Landesherrn, unter denen der Kaiser selber als
Herr von Oesterreich und König der mit Oesterreich ver-
bundenen fremden Länder nur durch diese Hausmacht an-
gesehen und stark war.

In den einzelnen Territorien aber hatte die landesherr-
liche Fürstenmacht die früheren landständischen Schranken
fast alle durchbrochen und beseitigt und sich zu absoluter
Statsherrschaft erhoben. Die überlieferte Idee dieses, ur-
sprünglich aus erblich gewordenen Reichsämtern entstandenen
Fürstenthums, war nach der Weise des Mittelalters halb theo-
kratisch, halb patrimonial, aber erweitert durch den romani-
schen Begriff der Souveränetät, der nur insofern noch eine

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[471/0489] Vierz. Cap. II. Mon. Statsformen. G. Const. Monarchie. 1. Entstehung etc. dem Grundgesetz vom 5. Juni 1849 in demokratischer Rich- tung. Die Verfassungsstreitigkeiten der Dänen mit den Deut- schen bezogen sich weniger auf den Gegensatz der Verfassungs- form als auf den Gegensatz der Nationalitäten. Indessen auch da kam es im Juni 1866 zu einer Verfassungsrevision, welche von dem König mit dem Reichsrath (Landsthing und Volks- thing) vereinbart wurde. 4. In dem neugestifteten Königreiche der Niederlande, welches nach der Auflösung des Napoleonischen Kaiserreichs an die Stelle der alten Republik der Vereinigten Staten und des späteren Napoleonischen Königreichs Holland getreten war, wurde die constitutionelle Monarchie ebenfalls eingeführt (Verfassung vom 28. März 1814 und nach der Vereinigung mit Belgien vom 24. August 1815). Die neue Verfassung vom 14. Oct. 1848 war ein Fortschritt in derselben Richtung und der constitutionelle Geist ist neuerdings auch in Holland er- starkt. V. Deutsche Staten. 1. Das alte „römische Reich deutscher Nation“ hatte in den letzten Jahrhunderten seines Bestandes zwar die leere Form einer kaiserlichen Monarchie beibehalten, aber das Kaiserthum war eine machtlose Würde. Alle wirkliche Macht war bei den Landesherrn, unter denen der Kaiser selber als Herr von Oesterreich und König der mit Oesterreich ver- bundenen fremden Länder nur durch diese Hausmacht an- gesehen und stark war. In den einzelnen Territorien aber hatte die landesherr- liche Fürstenmacht die früheren landständischen Schranken fast alle durchbrochen und beseitigt und sich zu absoluter Statsherrschaft erhoben. Die überlieferte Idee dieses, ur- sprünglich aus erblich gewordenen Reichsämtern entstandenen Fürstenthums, war nach der Weise des Mittelalters halb theo- kratisch, halb patrimonial, aber erweitert durch den romani- schen Begriff der Souveränetät, der nur insofern noch eine

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/489>, abgerufen am 28.03.2024.