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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Viertes Buch.
Die Statshoheit im Verhältniß zum Land. Gebietshoheit.
1. Bedeutung, Erwerb und Verlust der Gebietshoheit.
276.

Die Statshoheit (Souveränetät) heißt in ihrer Anwendung auf
ein bestimmtes, dem State zugehöriges Gebiet (Reich, Land) Gebietshoheit.

Die Gebietshoheit, als einzelne Anwendung der nach innen gerichteten
Souveränetät, ist zunächst ein Begriff des Statsrechts; aber inwiefern das Völ-
kerrecht diese Anwendung in den Verhältnissen und Beziehungen der verschiedenen
Staten anerkennt und schützt, erhält dieselbe eine völkerrechtliche Bedeutung.

277.

In der Gebietshoheit liegt nicht das Eigenthum an dem Boden.
Inwiefern aber der Boden des Privateigenthums nicht fähig ist, wie bei
öffentlichen Gewässern, Wüsten, Gletschern und ähnlicher Wildniß, oder
wenn der Boden zwar des Eigenthums fähig aber noch nicht in Besitz
genommen und zu Eigenthum erworben worden ist oder wenn derselbe
von den Besitzern und Eigenthümern wieder verlassen worden und ins
Freie zurückgefallen ist, insoweit steht dem State, welcher die Gebietshoheit
hat, auch das Recht zu, über solchen Boden wirthschaftlich zu verfügen, be-
ziehungsweise Eigenthum daran zu verleihen oder die Besitznahme zu
gewähren.

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Viertes Buch.
Die Statshoheit im Verhältniß zum Land. Gebietshoheit.
1. Bedeutung, Erwerb und Verluſt der Gebietshoheit.
276.

Die Statshoheit (Souveränetät) heißt in ihrer Anwendung auf
ein beſtimmtes, dem State zugehöriges Gebiet (Reich, Land) Gebietshoheit.

Die Gebietshoheit, als einzelne Anwendung der nach innen gerichteten
Souveränetät, iſt zunächſt ein Begriff des Statsrechts; aber inwiefern das Völ-
kerrecht dieſe Anwendung in den Verhältniſſen und Beziehungen der verſchiedenen
Staten anerkennt und ſchützt, erhält dieſelbe eine völkerrechtliche Bedeutung.

277.

In der Gebietshoheit liegt nicht das Eigenthum an dem Boden.
Inwiefern aber der Boden des Privateigenthums nicht fähig iſt, wie bei
öffentlichen Gewäſſern, Wüſten, Gletſchern und ähnlicher Wildniß, oder
wenn der Boden zwar des Eigenthums fähig aber noch nicht in Beſitz
genommen und zu Eigenthum erworben worden iſt oder wenn derſelbe
von den Beſitzern und Eigenthümern wieder verlaſſen worden und ins
Freie zurückgefallen iſt, inſoweit ſteht dem State, welcher die Gebietshoheit
hat, auch das Recht zu, über ſolchen Boden wirthſchaftlich zu verfügen, be-
ziehungsweiſe Eigenthum daran zu verleihen oder die Beſitznahme zu
gewähren.

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[[163]/0185] Viertes Buch. Die Statshoheit im Verhältniß zum Land. Gebietshoheit. 1. Bedeutung, Erwerb und Verluſt der Gebietshoheit. 276. Die Statshoheit (Souveränetät) heißt in ihrer Anwendung auf ein beſtimmtes, dem State zugehöriges Gebiet (Reich, Land) Gebietshoheit. Die Gebietshoheit, als einzelne Anwendung der nach innen gerichteten Souveränetät, iſt zunächſt ein Begriff des Statsrechts; aber inwiefern das Völ- kerrecht dieſe Anwendung in den Verhältniſſen und Beziehungen der verſchiedenen Staten anerkennt und ſchützt, erhält dieſelbe eine völkerrechtliche Bedeutung. 277. In der Gebietshoheit liegt nicht das Eigenthum an dem Boden. Inwiefern aber der Boden des Privateigenthums nicht fähig iſt, wie bei öffentlichen Gewäſſern, Wüſten, Gletſchern und ähnlicher Wildniß, oder wenn der Boden zwar des Eigenthums fähig aber noch nicht in Beſitz genommen und zu Eigenthum erworben worden iſt oder wenn derſelbe von den Beſitzern und Eigenthümern wieder verlaſſen worden und ins Freie zurückgefallen iſt, inſoweit ſteht dem State, welcher die Gebietshoheit hat, auch das Recht zu, über ſolchen Boden wirthſchaftlich zu verfügen, be- ziehungsweiſe Eigenthum daran zu verleihen oder die Beſitznahme zu gewähren. 11*

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. [163]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/185>, abgerufen am 19.04.2024.