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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Völkerrechtliche Verträge.
3. Verstärkung der Verträge. Garantieverträge.
425.

Der Eid fügt dem beschworenen Vertrage nur eine religiöse nicht
auch eine rechtliche Verstärkung bei. Ebenso hat die Bekräftigung mit dem
Ehrenwort nur eine moralische keine rechtliche Bedeutung.

Der Eid war noch im siebzehnten Jahrhundert im Gebrauch, kommt aber
heute fast nur noch gegen barbarische Völker vor, deren Rechtsversprechen man nicht
vertraut, wenn es nicht durch die Furcht vor den angerufenen Göttern verstärkt
wird. Da die Päpste öfter die contrahirenden Statshäupter ihrer eidlichen Verpflich-
tung entbanden, so wurde zuweilen in den europäischen beschwornen Verträgen die
Clausel beigefügt, daß keine Eidesentbindung begehrt, oder daß dieselbe,
wenn gewährt, ungültig sein solle. Ein Beispiel der Spanische Cessions-
vertrag
vom Jahre 1703. Ein merkwürdiges Beispiel eines mit Königlichem
Ehrenwort bekräftigten Vertrags zwischen Frankreich und Spanien von 1659,
der nicht gehalten wurde, findet sich bei Laurent "Etudes sur l'histoire de l'hu-
manite. XI.
424. 434.

426.

Werden zur Verstärkung eines Vertrags Geiseln gegeben, so kann
der berechtigte Stat die Geiseln zurückhalten, bis der Vertrag vollzogen
oder der Vollzug hinreichend gesichert ist. Wenn aber dieß geschehen ist,
so dürfen die Geiseln nicht um anderer Forderungen willen an der Heim-
kehr verhindert werden. Auch wenn der Vertrag nicht erfüllt wird, so
darf den Geiseln kein anderes Uebel zugefügt werden, als daß ihnen die
Freiheit der Heimkehr entzogen bleibt.

Wenn früher die Geiseln sogar am Leben bedroht wurden, insofern der
Vertrag nicht erfüllt ward, so wird das schon lange nicht mehr als Rechtsübung,
sondern als widerrechtliche Barbarei ansehen.

427.

Werden Geiseln genommen, nicht gegeben, so ist der Nehmer ver-
pflichtet, auf seine Kosten für angemessenen Lebensunterhalt der Geiseln
zu sorgen.

Bluntschli, Das Völkerrecht. 16
Völkerrechtliche Verträge.
3. Verſtärkung der Verträge. Garantieverträge.
425.

Der Eid fügt dem beſchworenen Vertrage nur eine religiöſe nicht
auch eine rechtliche Verſtärkung bei. Ebenſo hat die Bekräftigung mit dem
Ehrenwort nur eine moraliſche keine rechtliche Bedeutung.

Der Eid war noch im ſiebzehnten Jahrhundert im Gebrauch, kommt aber
heute faſt nur noch gegen barbariſche Völker vor, deren Rechtsverſprechen man nicht
vertraut, wenn es nicht durch die Furcht vor den angerufenen Göttern verſtärkt
wird. Da die Päpſte öfter die contrahirenden Statshäupter ihrer eidlichen Verpflich-
tung entbanden, ſo wurde zuweilen in den europäiſchen beſchwornen Verträgen die
Clauſel beigefügt, daß keine Eidesentbindung begehrt, oder daß dieſelbe,
wenn gewährt, ungültig ſein ſolle. Ein Beiſpiel der Spaniſche Ceſſions-
vertrag
vom Jahre 1703. Ein merkwürdiges Beiſpiel eines mit Königlichem
Ehrenwort bekräftigten Vertrags zwiſchen Frankreich und Spanien von 1659,
der nicht gehalten wurde, findet ſich bei Laurent „Études sur l’histoire de l’hu-
manité. XI.
424. 434.

426.

Werden zur Verſtärkung eines Vertrags Geiſeln gegeben, ſo kann
der berechtigte Stat die Geiſeln zurückhalten, bis der Vertrag vollzogen
oder der Vollzug hinreichend geſichert iſt. Wenn aber dieß geſchehen iſt,
ſo dürfen die Geiſeln nicht um anderer Forderungen willen an der Heim-
kehr verhindert werden. Auch wenn der Vertrag nicht erfüllt wird, ſo
darf den Geiſeln kein anderes Uebel zugefügt werden, als daß ihnen die
Freiheit der Heimkehr entzogen bleibt.

Wenn früher die Geiſeln ſogar am Leben bedroht wurden, inſofern der
Vertrag nicht erfüllt ward, ſo wird das ſchon lange nicht mehr als Rechtsübung,
ſondern als widerrechtliche Barbarei anſehen.

427.

Werden Geiſeln genommen, nicht gegeben, ſo iſt der Nehmer ver-
pflichtet, auf ſeine Koſten für angemeſſenen Lebensunterhalt der Geiſeln
zu ſorgen.

Bluntſchli, Das Völkerrecht. 16
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[241/0263] Völkerrechtliche Verträge. 3. Verſtärkung der Verträge. Garantieverträge. 425. Der Eid fügt dem beſchworenen Vertrage nur eine religiöſe nicht auch eine rechtliche Verſtärkung bei. Ebenſo hat die Bekräftigung mit dem Ehrenwort nur eine moraliſche keine rechtliche Bedeutung. Der Eid war noch im ſiebzehnten Jahrhundert im Gebrauch, kommt aber heute faſt nur noch gegen barbariſche Völker vor, deren Rechtsverſprechen man nicht vertraut, wenn es nicht durch die Furcht vor den angerufenen Göttern verſtärkt wird. Da die Päpſte öfter die contrahirenden Statshäupter ihrer eidlichen Verpflich- tung entbanden, ſo wurde zuweilen in den europäiſchen beſchwornen Verträgen die Clauſel beigefügt, daß keine Eidesentbindung begehrt, oder daß dieſelbe, wenn gewährt, ungültig ſein ſolle. Ein Beiſpiel der Spaniſche Ceſſions- vertrag vom Jahre 1703. Ein merkwürdiges Beiſpiel eines mit Königlichem Ehrenwort bekräftigten Vertrags zwiſchen Frankreich und Spanien von 1659, der nicht gehalten wurde, findet ſich bei Laurent „Études sur l’histoire de l’hu- manité. XI. 424. 434. 426. Werden zur Verſtärkung eines Vertrags Geiſeln gegeben, ſo kann der berechtigte Stat die Geiſeln zurückhalten, bis der Vertrag vollzogen oder der Vollzug hinreichend geſichert iſt. Wenn aber dieß geſchehen iſt, ſo dürfen die Geiſeln nicht um anderer Forderungen willen an der Heim- kehr verhindert werden. Auch wenn der Vertrag nicht erfüllt wird, ſo darf den Geiſeln kein anderes Uebel zugefügt werden, als daß ihnen die Freiheit der Heimkehr entzogen bleibt. Wenn früher die Geiſeln ſogar am Leben bedroht wurden, inſofern der Vertrag nicht erfüllt ward, ſo wird das ſchon lange nicht mehr als Rechtsübung, ſondern als widerrechtliche Barbarei anſehen. 427. Werden Geiſeln genommen, nicht gegeben, ſo iſt der Nehmer ver- pflichtet, auf ſeine Koſten für angemeſſenen Lebensunterhalt der Geiſeln zu ſorgen. Bluntſchli, Das Völkerrecht. 16

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/263>, abgerufen am 23.04.2024.