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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Das Kriegsrecht.
besondere läuft der so Reisende, wenn er offen verfährt, Gefahr, zurückgewiesen zu
werden, und wenn er sich heimlich durchzuschleichen sucht, Gefahr, verhaftet zu
werden. Der Handelsmann ist in Gefahr, daß seine Waaren mit Beschlag belegt,
oder gar zur Strafe confiscirt werden. Wenn damit überdem eine Verrätherei
verbunden ist, so kann eine schwerere Strafe, sogar unter Umständen die Todesstrafe
verhängt werden.

4. Außerdem kann der kriegführende Stat auch in weiterem Umfange
und überhaupt den Verkehr während des Kriegs verbieten, wenn er das für
nothwendig erachtet, um den Krieg mit Nachdruck zu raschem Ende zu führen. Nur
versteht sich solche Allgemeinheit des Verbots nicht von selbst. Ist dasselbe erlassen,
dann können noch in Form von sogenannten Licenzen (Erlaubnißscheinen)
für einzelne Personen und für gewisse Handels- oder Verkehrsbeziehungen Ausnahmen
verstattet werden.

675.

Militärische Sicherheitspässe für Personen und Geleitscheine für
Waaren werden von dem Befehlshaber der Truppen ausgestellt und sichern
das Recht der betreffenden Personen, die militärischen Linien ungehindert
und ungefährdet zu passiren und der Frachtführer, die betreffenden Güter
ebenso durchzuführen. Sie beruhen nicht auf persönlicher Ermächtigung,
sondern auf der Erlaubniß des Amts.

Diese Pässe und Geleitscheine beruhen im letzten Grund auf der Auto-
rität der Kriegs- beziehungsweise Statsgewalt. Sie bedürfen aber den Verhältnissen
gemäß im Einzelnen der militärischen Controle. Es ist je nach Umständen
aus militärischen Gründen nothwendig, der Erlaubniß im einzelnen Falle keine wei-
tere Folge zu geben, wenn Gefahr damit verbunden ist. Auch die untern Befehls-
haber sind oft ermächtigt, solche Scheine auszustellen, so jedoch, daß der obere Be-
fehlshaber deren Wirksamkeit hemmen kann. Aber es wäre gegen die bona fides,
wenn ein Schein nicht weiter geachtet würde, weil er von einem Befehlshaber aus-
gestellt worden ist, der vielleicht nicht mehr am Leben oder doch durch eine andere
Person inzwischen im Commando ersetzt worden ist. Die Erlaubniß ist nicht von
der Person, sondern von der amtlichen Stellung und Vollmacht dessen
abhängig, welcher sie gegeben hat.

676.

Der Sicherheitspaß gilt lediglich für die Person, welche darin genannt
ist, und ist nicht übertragbar.

Der Geleitschein für den Güterverkehr ist übertragbar, insofern nicht
gegen die Person des Frachtfuhrmanns besondere Bedenken vorhanden sind.

Bluntschli, Das Völkerrecht. 24

Das Kriegsrecht.
beſondere läuft der ſo Reiſende, wenn er offen verfährt, Gefahr, zurückgewieſen zu
werden, und wenn er ſich heimlich durchzuſchleichen ſucht, Gefahr, verhaftet zu
werden. Der Handelsmann iſt in Gefahr, daß ſeine Waaren mit Beſchlag belegt,
oder gar zur Strafe confiscirt werden. Wenn damit überdem eine Verrätherei
verbunden iſt, ſo kann eine ſchwerere Strafe, ſogar unter Umſtänden die Todesſtrafe
verhängt werden.

4. Außerdem kann der kriegführende Stat auch in weiterem Umfange
und überhaupt den Verkehr während des Kriegs verbieten, wenn er das für
nothwendig erachtet, um den Krieg mit Nachdruck zu raſchem Ende zu führen. Nur
verſteht ſich ſolche Allgemeinheit des Verbots nicht von ſelbſt. Iſt dasſelbe erlaſſen,
dann können noch in Form von ſogenannten Licenzen (Erlaubnißſcheinen)
für einzelne Perſonen und für gewiſſe Handels- oder Verkehrsbeziehungen Ausnahmen
verſtattet werden.

675.

Militäriſche Sicherheitspäſſe für Perſonen und Geleitſcheine für
Waaren werden von dem Befehlshaber der Truppen ausgeſtellt und ſichern
das Recht der betreffenden Perſonen, die militäriſchen Linien ungehindert
und ungefährdet zu paſſiren und der Frachtführer, die betreffenden Güter
ebenſo durchzuführen. Sie beruhen nicht auf perſönlicher Ermächtigung,
ſondern auf der Erlaubniß des Amts.

Dieſe Päſſe und Geleitſcheine beruhen im letzten Grund auf der Auto-
rität der Kriegs- beziehungsweiſe Statsgewalt. Sie bedürfen aber den Verhältniſſen
gemäß im Einzelnen der militäriſchen Controle. Es iſt je nach Umſtänden
aus militäriſchen Gründen nothwendig, der Erlaubniß im einzelnen Falle keine wei-
tere Folge zu geben, wenn Gefahr damit verbunden iſt. Auch die untern Befehls-
haber ſind oft ermächtigt, ſolche Scheine auszuſtellen, ſo jedoch, daß der obere Be-
fehlshaber deren Wirkſamkeit hemmen kann. Aber es wäre gegen die bona fides,
wenn ein Schein nicht weiter geachtet würde, weil er von einem Befehlshaber aus-
geſtellt worden iſt, der vielleicht nicht mehr am Leben oder doch durch eine andere
Perſon inzwiſchen im Commando erſetzt worden iſt. Die Erlaubniß iſt nicht von
der Perſon, ſondern von der amtlichen Stellung und Vollmacht deſſen
abhängig, welcher ſie gegeben hat.

676.

Der Sicherheitspaß gilt lediglich für die Perſon, welche darin genannt
iſt, und iſt nicht übertragbar.

Der Geleitſchein für den Güterverkehr iſt übertragbar, inſofern nicht
gegen die Perſon des Frachtfuhrmanns beſondere Bedenken vorhanden ſind.

Bluntſchli, Das Völkerrecht. 24
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[369/0391] Das Kriegsrecht. beſondere läuft der ſo Reiſende, wenn er offen verfährt, Gefahr, zurückgewieſen zu werden, und wenn er ſich heimlich durchzuſchleichen ſucht, Gefahr, verhaftet zu werden. Der Handelsmann iſt in Gefahr, daß ſeine Waaren mit Beſchlag belegt, oder gar zur Strafe confiscirt werden. Wenn damit überdem eine Verrätherei verbunden iſt, ſo kann eine ſchwerere Strafe, ſogar unter Umſtänden die Todesſtrafe verhängt werden. 4. Außerdem kann der kriegführende Stat auch in weiterem Umfange und überhaupt den Verkehr während des Kriegs verbieten, wenn er das für nothwendig erachtet, um den Krieg mit Nachdruck zu raſchem Ende zu führen. Nur verſteht ſich ſolche Allgemeinheit des Verbots nicht von ſelbſt. Iſt dasſelbe erlaſſen, dann können noch in Form von ſogenannten Licenzen (Erlaubnißſcheinen) für einzelne Perſonen und für gewiſſe Handels- oder Verkehrsbeziehungen Ausnahmen verſtattet werden. 675. Militäriſche Sicherheitspäſſe für Perſonen und Geleitſcheine für Waaren werden von dem Befehlshaber der Truppen ausgeſtellt und ſichern das Recht der betreffenden Perſonen, die militäriſchen Linien ungehindert und ungefährdet zu paſſiren und der Frachtführer, die betreffenden Güter ebenſo durchzuführen. Sie beruhen nicht auf perſönlicher Ermächtigung, ſondern auf der Erlaubniß des Amts. Dieſe Päſſe und Geleitſcheine beruhen im letzten Grund auf der Auto- rität der Kriegs- beziehungsweiſe Statsgewalt. Sie bedürfen aber den Verhältniſſen gemäß im Einzelnen der militäriſchen Controle. Es iſt je nach Umſtänden aus militäriſchen Gründen nothwendig, der Erlaubniß im einzelnen Falle keine wei- tere Folge zu geben, wenn Gefahr damit verbunden iſt. Auch die untern Befehls- haber ſind oft ermächtigt, ſolche Scheine auszuſtellen, ſo jedoch, daß der obere Be- fehlshaber deren Wirkſamkeit hemmen kann. Aber es wäre gegen die bona fides, wenn ein Schein nicht weiter geachtet würde, weil er von einem Befehlshaber aus- geſtellt worden iſt, der vielleicht nicht mehr am Leben oder doch durch eine andere Perſon inzwiſchen im Commando erſetzt worden iſt. Die Erlaubniß iſt nicht von der Perſon, ſondern von der amtlichen Stellung und Vollmacht deſſen abhängig, welcher ſie gegeben hat. 676. Der Sicherheitspaß gilt lediglich für die Perſon, welche darin genannt iſt, und iſt nicht übertragbar. Der Geleitſchein für den Güterverkehr iſt übertragbar, inſofern nicht gegen die Perſon des Frachtfuhrmanns beſondere Bedenken vorhanden ſind. Bluntſchli, Das Völkerrecht. 24

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/391>, abgerufen am 29.03.2024.