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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Völkerrechtliche Organe.
Sicherheitsgefährliche Handlungen der exterritorialen Person zu verhindern
und die exterritoriale Person ist ihrerseits verbunden, die allgemeinen
policeilichen Anordnungen und Einrichtungen des Landes nicht zu stören.

Wollte die exterritoriale Person z. B. Schießproben in ihrem Garten vorneh-
men, welche die Nachbarn bedrohten, oder ein Feuer anzünden, durch welches die
anstoßenden Häuser in Gefahr versetzt würden, so wäre die Policei im Recht, das
zu hindern. Die Rücksicht auf die Würde des fremden Stats muß sich vereinigen
lassen mit der nothwendigen Sorge für die eigene Sicherheit. Die bau- und
feuerpoliceilichen Vorschriften gelten daher auch für die Wohnungen der Ex-
territorialen.

138.

Die exterritoriale Person ist nicht steuerpflichtig. Inwiefern aber
im Lande Gebühren erhoben werden für öffentliche Dienstleistungen, so ist
auch die exterritoriale Person, insofern sie diese Leistungen benutzt, nicht
von Rechts wegen von der Gebühr befreit.

Die Steuerbefreiung erklärt sich zunächst wieder aus der Verneinung
der Steuerhoheit des einheimischen States über den fremden Souverän. Dieselbe
wird aber aus Courtoisie zuweilen in weiterem Sinne geübt, als die rechtliche Con-
sequenz des Princips fordert. Es versteht sich, daß der Exterritoriale keiner Ein-
kommens-
oder Vermögenssteuer, keiner Kriegs- oder Armensteuer
unterworfen ist und ebenso, daß er Zoll- und Octroifreiheit genießt für die
Effekten und Waaren, welche er mit sich führt oder zu seinem Gebrauche kommen
läßt. Aber zweifelhafter ist schon die Befreiung von Weg- und Brücken-
geldern
, weil das Gebühren sind für die Anlage und Unterhaltung der Wege und
Brücken. Indessen die Courtoisie reicht gewöhnlich so weit. Nicht ebenso verhält
es sich mit den Taxen für Erwerb von Grundstücken oder andern Sachen, oder
bezüglich der Gerichtsgebühren in Processen, welche der Exterritoriale freiwillig
vor den einheimischen Gerichten führt oder führen läßt. Diese Gebühren werden
meistens gefordert und können jedenfalls gefordert werden. Selbstverständlich sind
auch die Postgebühren, die Telegraphengebühren, die Kosten für Be-
nutzung der Eisenbahnen ohne Unterschied, ob diese Anstalten von Privaten
unternommen oder von Stats wegen besorgt werden, nicht in jener Steuerfreiheit
inbegriffen. Wird der Exterritoriale zuweilen auch von den Briefporti befreit, so ist
das eine ihm erwiesene Gefälligkeit, keine Rechtspflicht.

139.

Die Landesgerichte nehmen in der Regel keine bürgerliche Klage,
insbesondere keine Schuldklage gegen die exterritorialen Personen an und

Völkerrechtliche Organe.
Sicherheitsgefährliche Handlungen der exterritorialen Perſon zu verhindern
und die exterritoriale Perſon iſt ihrerſeits verbunden, die allgemeinen
policeilichen Anordnungen und Einrichtungen des Landes nicht zu ſtören.

Wollte die exterritoriale Perſon z. B. Schießproben in ihrem Garten vorneh-
men, welche die Nachbarn bedrohten, oder ein Feuer anzünden, durch welches die
anſtoßenden Häuſer in Gefahr verſetzt würden, ſo wäre die Policei im Recht, das
zu hindern. Die Rückſicht auf die Würde des fremden Stats muß ſich vereinigen
laſſen mit der nothwendigen Sorge für die eigene Sicherheit. Die bau- und
feuerpoliceilichen Vorſchriften gelten daher auch für die Wohnungen der Ex-
territorialen.

138.

Die exterritoriale Perſon iſt nicht ſteuerpflichtig. Inwiefern aber
im Lande Gebühren erhoben werden für öffentliche Dienſtleiſtungen, ſo iſt
auch die exterritoriale Perſon, inſofern ſie dieſe Leiſtungen benutzt, nicht
von Rechts wegen von der Gebühr befreit.

Die Steuerbefreiung erklärt ſich zunächſt wieder aus der Verneinung
der Steuerhoheit des einheimiſchen States über den fremden Souverän. Dieſelbe
wird aber aus Courtoiſie zuweilen in weiterem Sinne geübt, als die rechtliche Con-
ſequenz des Princips fordert. Es verſteht ſich, daß der Exterritoriale keiner Ein-
kommens-
oder Vermögensſteuer, keiner Kriegs- oder Armenſteuer
unterworfen iſt und ebenſo, daß er Zoll- und Octroifreiheit genießt für die
Effekten und Waaren, welche er mit ſich führt oder zu ſeinem Gebrauche kommen
läßt. Aber zweifelhafter iſt ſchon die Befreiung von Weg- und Brücken-
geldern
, weil das Gebühren ſind für die Anlage und Unterhaltung der Wege und
Brücken. Indeſſen die Courtoiſie reicht gewöhnlich ſo weit. Nicht ebenſo verhält
es ſich mit den Taxen für Erwerb von Grundſtücken oder andern Sachen, oder
bezüglich der Gerichtsgebühren in Proceſſen, welche der Exterritoriale freiwillig
vor den einheimiſchen Gerichten führt oder führen läßt. Dieſe Gebühren werden
meiſtens gefordert und können jedenfalls gefordert werden. Selbſtverſtändlich ſind
auch die Poſtgebühren, die Telegraphengebühren, die Koſten für Be-
nutzung der Eiſenbahnen ohne Unterſchied, ob dieſe Anſtalten von Privaten
unternommen oder von Stats wegen beſorgt werden, nicht in jener Steuerfreiheit
inbegriffen. Wird der Exterritoriale zuweilen auch von den Briefporti befreit, ſo iſt
das eine ihm erwieſene Gefälligkeit, keine Rechtspflicht.

139.

Die Landesgerichte nehmen in der Regel keine bürgerliche Klage,
insbeſondere keine Schuldklage gegen die exterritorialen Perſonen an und

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[117/0139] Völkerrechtliche Organe. Sicherheitsgefährliche Handlungen der exterritorialen Perſon zu verhindern und die exterritoriale Perſon iſt ihrerſeits verbunden, die allgemeinen policeilichen Anordnungen und Einrichtungen des Landes nicht zu ſtören. Wollte die exterritoriale Perſon z. B. Schießproben in ihrem Garten vorneh- men, welche die Nachbarn bedrohten, oder ein Feuer anzünden, durch welches die anſtoßenden Häuſer in Gefahr verſetzt würden, ſo wäre die Policei im Recht, das zu hindern. Die Rückſicht auf die Würde des fremden Stats muß ſich vereinigen laſſen mit der nothwendigen Sorge für die eigene Sicherheit. Die bau- und feuerpoliceilichen Vorſchriften gelten daher auch für die Wohnungen der Ex- territorialen. 138. Die exterritoriale Perſon iſt nicht ſteuerpflichtig. Inwiefern aber im Lande Gebühren erhoben werden für öffentliche Dienſtleiſtungen, ſo iſt auch die exterritoriale Perſon, inſofern ſie dieſe Leiſtungen benutzt, nicht von Rechts wegen von der Gebühr befreit. Die Steuerbefreiung erklärt ſich zunächſt wieder aus der Verneinung der Steuerhoheit des einheimiſchen States über den fremden Souverän. Dieſelbe wird aber aus Courtoiſie zuweilen in weiterem Sinne geübt, als die rechtliche Con- ſequenz des Princips fordert. Es verſteht ſich, daß der Exterritoriale keiner Ein- kommens- oder Vermögensſteuer, keiner Kriegs- oder Armenſteuer unterworfen iſt und ebenſo, daß er Zoll- und Octroifreiheit genießt für die Effekten und Waaren, welche er mit ſich führt oder zu ſeinem Gebrauche kommen läßt. Aber zweifelhafter iſt ſchon die Befreiung von Weg- und Brücken- geldern, weil das Gebühren ſind für die Anlage und Unterhaltung der Wege und Brücken. Indeſſen die Courtoiſie reicht gewöhnlich ſo weit. Nicht ebenſo verhält es ſich mit den Taxen für Erwerb von Grundſtücken oder andern Sachen, oder bezüglich der Gerichtsgebühren in Proceſſen, welche der Exterritoriale freiwillig vor den einheimiſchen Gerichten führt oder führen läßt. Dieſe Gebühren werden meiſtens gefordert und können jedenfalls gefordert werden. Selbſtverſtändlich ſind auch die Poſtgebühren, die Telegraphengebühren, die Koſten für Be- nutzung der Eiſenbahnen ohne Unterſchied, ob dieſe Anſtalten von Privaten unternommen oder von Stats wegen beſorgt werden, nicht in jener Steuerfreiheit inbegriffen. Wird der Exterritoriale zuweilen auch von den Briefporti befreit, ſo iſt das eine ihm erwieſene Gefälligkeit, keine Rechtspflicht. 139. Die Landesgerichte nehmen in der Regel keine bürgerliche Klage, insbeſondere keine Schuldklage gegen die exterritorialen Perſonen an und

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/139>, abgerufen am 28.03.2024.