Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite
Völkerrechtliche Organe.
b) insofern der Exterritoriale eine besondere Privatstellung z. B. als
Kaufmann im Lande inne hat, oder ein einheimisches Amt be-
kleidet und daher in diesen Eigenschaften der inländischen und Ge-
richtshoheit untergeordnet ist;
c) wenn der Exterritoriale vertragsmäßig oder sonst in rechtlich
wirksamer Form die hiesige Gerichtsbarkeit anerkannt hat.

Auch in diesen Ausnahmsfällen ist jedoch der unmittelbare Zwang
gegen die Person (Personalverhaft) insoweit zu unterlassen, als dadurch die
völkerrechtlichen Beziehungen verletzt werden könnten, und es hat sich die
gerichtliche Execution auf vermögensrechtliche Zwangsmittel zu beschränken.

Zu a) Die Vindication eines Grundstücks, welches der Exterritoriale im
Besitz hat, ist nur vor den Landesgerichten durchzuführen, wo das Grundstück wirk-
lich gelegen ist. Ebenso die Klagen am Nachbarrecht (z. B. wegen Wasser-
ablauf) und auf oder gegen behauptete Dienstbarkeiten. Dagegen für Arrest-
klagen
kommt hinwieder die Rücksicht auf die gefährdete Würde und Freiheit des
Beklagten hemmend in Betracht, sowie die Erwägung, daß die moderne Rechtsbil-
dung in Schuldklagen überhaupt nicht geneigt ist, die gerichtliche Competenz der
inländischen Gerichte über auswärtige Souveräne oder Gesante zuzulassen.

Zu b) Wenn ein Statshaupt zugleich ein Handelsetablissement betreibt und
als Kaufmann an dem Handelsverkehr Theil nimmt, so hat er sich in dieser
Eigenschaft des Vorzugs seiner Würde begeben und muß vor den Handelsgerichten
für seine Handelsgeschäfte Rede stehen. Ebenso hat der englische Master of rolls
in einem Proceß des entthronten Herzogs von Braunschweig gegen den König von
Hannover und Herzog von Cumberland (13. Jan. 1844) sein Urtheil dahin aus-
gesprochen: "I am of opinion, that his majesty the King of Hanover is and
ought to be exempt from all liability of beeng sued in the Court of this
country, for any acts done by him as King of Hanover, or in his character
of Sovereign Prince, but that, being a subject of the Queen, he is and ought
to be liable to be sued in the Courts of this country, in respect of any acts
and transactions done by him, or in which he may heve been engaged as
subject". (Phillimore II. App. IV. S. 589).

Zu c) Wenn eine souveräne Person oder ein anderer Exterritorialer sich die
Klage gegen ihn gefallen läßt, oder wenn er etwa selber eine Civilklage in dem
fremden Lande anstellt, so muß er, oder sein Vertreter sich nach der Proceßord-
nung des anerkannten Gerichts
in dem Processe fügen und kann für sich
kein weiteres Privilegium ansprechen. Im letzteren Fall wird er sich daher auch der
Eidesleistung nicht entziehen können, wo diese als nothwendig gilt, noch der Bezah-
lung der Proceßkosten, wenn er unterliegt. Im Jahr 1828 entschied das englische
Obergericht, daß fremde Souveräne ebensowohl vor den Billigkeits- wie vor den
Rechtshöfen Klage führen können (Phillimore II. App. IV. S. 548). In
einem andern Fall wurde ebenfalls in der Appellationsinstanz von den rechtsgelehr-

Völkerrechtliche Organe.
b) inſofern der Exterritoriale eine beſondere Privatſtellung z. B. als
Kaufmann im Lande inne hat, oder ein einheimiſches Amt be-
kleidet und daher in dieſen Eigenſchaften der inländiſchen und Ge-
richtshoheit untergeordnet iſt;
c) wenn der Exterritoriale vertragsmäßig oder ſonſt in rechtlich
wirkſamer Form die hieſige Gerichtsbarkeit anerkannt hat.

Auch in dieſen Ausnahmsfällen iſt jedoch der unmittelbare Zwang
gegen die Perſon (Perſonalverhaft) inſoweit zu unterlaſſen, als dadurch die
völkerrechtlichen Beziehungen verletzt werden könnten, und es hat ſich die
gerichtliche Execution auf vermögensrechtliche Zwangsmittel zu beſchränken.

Zu a) Die Vindication eines Grundſtücks, welches der Exterritoriale im
Beſitz hat, iſt nur vor den Landesgerichten durchzuführen, wo das Grundſtück wirk-
lich gelegen iſt. Ebenſo die Klagen am Nachbarrecht (z. B. wegen Waſſer-
ablauf) und auf oder gegen behauptete Dienſtbarkeiten. Dagegen für Arreſt-
klagen
kommt hinwieder die Rückſicht auf die gefährdete Würde und Freiheit des
Beklagten hemmend in Betracht, ſowie die Erwägung, daß die moderne Rechtsbil-
dung in Schuldklagen überhaupt nicht geneigt iſt, die gerichtliche Competenz der
inländiſchen Gerichte über auswärtige Souveräne oder Geſante zuzulaſſen.

Zu b) Wenn ein Statshaupt zugleich ein Handelsetabliſſement betreibt und
als Kaufmann an dem Handelsverkehr Theil nimmt, ſo hat er ſich in dieſer
Eigenſchaft des Vorzugs ſeiner Würde begeben und muß vor den Handelsgerichten
für ſeine Handelsgeſchäfte Rede ſtehen. Ebenſo hat der engliſche Master of rolls
in einem Proceß des entthronten Herzogs von Braunſchweig gegen den König von
Hannover und Herzog von Cumberland (13. Jan. 1844) ſein Urtheil dahin aus-
geſprochen: „I am of opinion, that his majesty the King of Hanover is and
ought to be exempt from all liability of beeng sued in the Court of this
country, for any acts done by him as King of Hanover, or in his character
of Sovereign Prince, but that, being a subject of the Queen, he is and ought
to be liable to be sued in the Courts of this country, in respect of any acts
and transactions done by him, or in which he may heve been engaged as
subject“. (Phillimore II. App. IV. S. 589).

Zu c) Wenn eine ſouveräne Perſon oder ein anderer Exterritorialer ſich die
Klage gegen ihn gefallen läßt, oder wenn er etwa ſelber eine Civilklage in dem
fremden Lande anſtellt, ſo muß er, oder ſein Vertreter ſich nach der Proceßord-
nung des anerkannten Gerichts
in dem Proceſſe fügen und kann für ſich
kein weiteres Privilegium anſprechen. Im letzteren Fall wird er ſich daher auch der
Eidesleiſtung nicht entziehen können, wo dieſe als nothwendig gilt, noch der Bezah-
lung der Proceßkoſten, wenn er unterliegt. Im Jahr 1828 entſchied das engliſche
Obergericht, daß fremde Souveräne ebenſowohl vor den Billigkeits- wie vor den
Rechtshöfen Klage führen können (Phillimore II. App. IV. S. 548). In
einem andern Fall wurde ebenfalls in der Appellationsinſtanz von den rechtsgelehr-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <pb facs="#f0141" n="119"/>
                <fw place="top" type="header">Völkerrechtliche Organe.</fw><lb/>
                <list>
                  <item><hi rendition="#aq">b)</hi> in&#x017F;ofern der Exterritoriale eine be&#x017F;ondere Privat&#x017F;tellung z. B. als<lb/>
Kaufmann im Lande inne hat, oder ein einheimi&#x017F;ches Amt be-<lb/>
kleidet und daher in die&#x017F;en Eigen&#x017F;chaften der inländi&#x017F;chen und Ge-<lb/>
richtshoheit untergeordnet i&#x017F;t;</item><lb/>
                  <item><hi rendition="#aq">c)</hi> wenn der Exterritoriale vertragsmäßig oder &#x017F;on&#x017F;t in rechtlich<lb/>
wirk&#x017F;amer Form die hie&#x017F;ige Gerichtsbarkeit anerkannt hat.</item>
                </list><lb/>
                <p>Auch in die&#x017F;en Ausnahmsfällen i&#x017F;t jedoch der unmittelbare Zwang<lb/>
gegen die Per&#x017F;on (Per&#x017F;onalverhaft) in&#x017F;oweit zu unterla&#x017F;&#x017F;en, als dadurch die<lb/>
völkerrechtlichen Beziehungen verletzt werden könnten, und es hat &#x017F;ich die<lb/>
gerichtliche Execution auf vermögensrechtliche Zwangsmittel zu be&#x017F;chränken.</p><lb/>
                <p>Zu <hi rendition="#aq">a)</hi> Die <hi rendition="#g">Vindication</hi> eines Grund&#x017F;tücks, welches der Exterritoriale im<lb/>
Be&#x017F;itz hat, i&#x017F;t nur vor den Landesgerichten durchzuführen, wo das Grund&#x017F;tück wirk-<lb/>
lich gelegen i&#x017F;t. Eben&#x017F;o die Klagen am <hi rendition="#g">Nachbarrecht</hi> (z. B. wegen Wa&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
ablauf) und auf oder gegen behauptete <hi rendition="#g">Dien&#x017F;tbarkeiten</hi>. Dagegen für <hi rendition="#g">Arre&#x017F;t-<lb/>
klagen</hi> kommt hinwieder die Rück&#x017F;icht auf die gefährdete Würde und Freiheit des<lb/>
Beklagten hemmend in Betracht, &#x017F;owie die Erwägung, daß die moderne Rechtsbil-<lb/>
dung in Schuldklagen überhaupt nicht geneigt i&#x017F;t, die gerichtliche Competenz der<lb/>
inländi&#x017F;chen Gerichte über auswärtige Souveräne oder Ge&#x017F;ante zuzula&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
                <p>Zu <hi rendition="#aq">b)</hi> Wenn ein Statshaupt zugleich ein Handelsetabli&#x017F;&#x017F;ement betreibt und<lb/>
als <hi rendition="#g">Kaufmann</hi> an dem Handelsverkehr Theil nimmt, &#x017F;o hat er &#x017F;ich in die&#x017F;er<lb/>
Eigen&#x017F;chaft des Vorzugs &#x017F;einer Würde begeben und muß vor den Handelsgerichten<lb/>
für &#x017F;eine Handelsge&#x017F;chäfte Rede &#x017F;tehen. Eben&#x017F;o hat der engli&#x017F;che <hi rendition="#aq">Master of rolls</hi><lb/>
in einem Proceß des entthronten Herzogs von Braun&#x017F;chweig gegen den König von<lb/>
Hannover und Herzog von Cumberland (13. Jan. 1844) &#x017F;ein Urtheil dahin aus-<lb/>
ge&#x017F;prochen: <hi rendition="#aq">&#x201E;I am of opinion, that his majesty the King of Hanover is and<lb/>
ought to be exempt from all liability of beeng sued in the Court of this<lb/>
country, for any acts done by him as King of Hanover, or in his character<lb/>
of Sovereign Prince, but that, being a subject of the Queen, he is and ought<lb/>
to be liable to be sued in the Courts of this country, in respect of any acts<lb/>
and transactions done by him, or in which he may heve been engaged as<lb/>
subject&#x201C;. (<hi rendition="#g">Phillimore</hi> II. App. IV. S. 589).</hi></p><lb/>
                <p>Zu <hi rendition="#aq">c)</hi> Wenn eine &#x017F;ouveräne Per&#x017F;on oder ein anderer Exterritorialer &#x017F;ich die<lb/>
Klage gegen ihn gefallen läßt, oder wenn er etwa &#x017F;elber eine Civilklage in dem<lb/>
fremden Lande an&#x017F;tellt, &#x017F;o muß er, oder &#x017F;ein Vertreter &#x017F;ich nach der <hi rendition="#g">Proceßord-<lb/>
nung des anerkannten Gerichts</hi> in dem Proce&#x017F;&#x017F;e fügen und kann für &#x017F;ich<lb/>
kein weiteres Privilegium an&#x017F;prechen. Im letzteren Fall wird er &#x017F;ich daher auch der<lb/>
Eideslei&#x017F;tung nicht entziehen können, wo die&#x017F;e als nothwendig gilt, noch der Bezah-<lb/>
lung der Proceßko&#x017F;ten, wenn er unterliegt. Im Jahr 1828 ent&#x017F;chied das engli&#x017F;che<lb/>
Obergericht, daß fremde Souveräne eben&#x017F;owohl vor den Billigkeits- wie vor den<lb/>
Rechtshöfen Klage führen können (<hi rendition="#g">Phillimore</hi> <hi rendition="#aq">II. App. IV.</hi> S. 548). In<lb/>
einem andern Fall wurde ebenfalls in der Appellationsin&#x017F;tanz von den rechtsgelehr-<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0141] Völkerrechtliche Organe. b) inſofern der Exterritoriale eine beſondere Privatſtellung z. B. als Kaufmann im Lande inne hat, oder ein einheimiſches Amt be- kleidet und daher in dieſen Eigenſchaften der inländiſchen und Ge- richtshoheit untergeordnet iſt; c) wenn der Exterritoriale vertragsmäßig oder ſonſt in rechtlich wirkſamer Form die hieſige Gerichtsbarkeit anerkannt hat. Auch in dieſen Ausnahmsfällen iſt jedoch der unmittelbare Zwang gegen die Perſon (Perſonalverhaft) inſoweit zu unterlaſſen, als dadurch die völkerrechtlichen Beziehungen verletzt werden könnten, und es hat ſich die gerichtliche Execution auf vermögensrechtliche Zwangsmittel zu beſchränken. Zu a) Die Vindication eines Grundſtücks, welches der Exterritoriale im Beſitz hat, iſt nur vor den Landesgerichten durchzuführen, wo das Grundſtück wirk- lich gelegen iſt. Ebenſo die Klagen am Nachbarrecht (z. B. wegen Waſſer- ablauf) und auf oder gegen behauptete Dienſtbarkeiten. Dagegen für Arreſt- klagen kommt hinwieder die Rückſicht auf die gefährdete Würde und Freiheit des Beklagten hemmend in Betracht, ſowie die Erwägung, daß die moderne Rechtsbil- dung in Schuldklagen überhaupt nicht geneigt iſt, die gerichtliche Competenz der inländiſchen Gerichte über auswärtige Souveräne oder Geſante zuzulaſſen. Zu b) Wenn ein Statshaupt zugleich ein Handelsetabliſſement betreibt und als Kaufmann an dem Handelsverkehr Theil nimmt, ſo hat er ſich in dieſer Eigenſchaft des Vorzugs ſeiner Würde begeben und muß vor den Handelsgerichten für ſeine Handelsgeſchäfte Rede ſtehen. Ebenſo hat der engliſche Master of rolls in einem Proceß des entthronten Herzogs von Braunſchweig gegen den König von Hannover und Herzog von Cumberland (13. Jan. 1844) ſein Urtheil dahin aus- geſprochen: „I am of opinion, that his majesty the King of Hanover is and ought to be exempt from all liability of beeng sued in the Court of this country, for any acts done by him as King of Hanover, or in his character of Sovereign Prince, but that, being a subject of the Queen, he is and ought to be liable to be sued in the Courts of this country, in respect of any acts and transactions done by him, or in which he may heve been engaged as subject“. (Phillimore II. App. IV. S. 589). Zu c) Wenn eine ſouveräne Perſon oder ein anderer Exterritorialer ſich die Klage gegen ihn gefallen läßt, oder wenn er etwa ſelber eine Civilklage in dem fremden Lande anſtellt, ſo muß er, oder ſein Vertreter ſich nach der Proceßord- nung des anerkannten Gerichts in dem Proceſſe fügen und kann für ſich kein weiteres Privilegium anſprechen. Im letzteren Fall wird er ſich daher auch der Eidesleiſtung nicht entziehen können, wo dieſe als nothwendig gilt, noch der Bezah- lung der Proceßkoſten, wenn er unterliegt. Im Jahr 1828 entſchied das engliſche Obergericht, daß fremde Souveräne ebenſowohl vor den Billigkeits- wie vor den Rechtshöfen Klage führen können (Phillimore II. App. IV. S. 548). In einem andern Fall wurde ebenfalls in der Appellationsinſtanz von den rechtsgelehr-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/141
Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/141>, abgerufen am 20.04.2024.