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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Drittes Buch.
stellen und Gelder desselben, sowie Waaren, Schuldtitel und andere Ver-
mögensstücke in amtliche Verwahrung nehmen.

Unter "Landsleuten" verstehen wir in diesem Zusammenhang die Bürger
und Unterthanen des States, dem die Consuln dienen, im weiteren Sinne werden
aber die Personen mitbegriffen, welchen der Stat im Ausland als seinen Schutz-
befohlenen und Schutzverwanten dieselbe Hülfe gewährt.

256.

Wo es das Recht und die Interessen ihrer Landsleute erfordern und
diese verhindert sind, für sich selber zu sorgen, können die Consuln für
dieselben bei den Orts- und Landesbehörden die zur Sicherstellung dersel-
ben nöthigen Anträge stellen, Beschwerden erheben, Proteste einreichen.

Das Recht der Consuln zur Vertretung für ihre schutzbedürftigen Landsleute
ist freilich nur ein Nothrecht und beschränkt sich daher auch auf die Nothhülfe.
Die Consuln sind demnach nicht berechtigt, für dieselben Speculationsgeschäfte zu machen,
sondern nur berechtigt, diejenigen Vorsichtsmaßregeln zu ergreifen, welche zur Er-
haltung ihres Vermögens und insbesondere zur Abwendung von drohendem Schaden
dienen. Dagegen bedürfen sie zu einer bloß schützenden Vertretung selbst im Proceß
vor Gericht keiner besondern Vollmacht. (Vgl. Kent Comment. I. S. 42.)

257.

Sie sind als ermächtigt zu betrachten, in Nothfällen diejenige Hülfe
zu gewähren, welche erforderlich ist, um ihren Landsleuten die Rückkehr in
ihre Heimat möglich zu machen oder hülfsbedürftigen Landsleuten in Noth-
fällen die unentbehrliche Unterstützung auf öffentliche Kosten zu gewähren.

Die Consuln vertreten die Statshülfe, die sonst innerhalb des Statsgebiets
in Nothfällen gewährt wird, in der Fremde. Durch sie erstreckt der Stat seine ret-
tenden Hände über den Erdboden hin. Aber keinenfalls reicht diese amtliche Sorge
über die Bedingungen und den Umfang der regelmäßig geübten Statshülfe hinaus;
denn es ist kein Grund, die Bürger außerhalb ihrer Heimat besser zu schützen, als
in derselben. Es darf daher die Ermächtigung zu solcher Hülfe nur unter sehr
engen Bedingungen und in engem Umfang verstanden und keineswegs auf eine all-
gemeine Unterstützung aller Personen ausgedehnt werden, welche in dem fremden
Lande sich nur schwer ernähren können und es vorziehen, auf öffentliche Kosten wie-
der heimzukehren.

258.

Die Consuln der Seestädte und der an Flüssen oder Binnenseen

Drittes Buch.
ſtellen und Gelder desſelben, ſowie Waaren, Schuldtitel und andere Ver-
mögensſtücke in amtliche Verwahrung nehmen.

Unter „Landsleuten“ verſtehen wir in dieſem Zuſammenhang die Bürger
und Unterthanen des States, dem die Conſuln dienen, im weiteren Sinne werden
aber die Perſonen mitbegriffen, welchen der Stat im Ausland als ſeinen Schutz-
befohlenen und Schutzverwanten dieſelbe Hülfe gewährt.

256.

Wo es das Recht und die Intereſſen ihrer Landsleute erfordern und
dieſe verhindert ſind, für ſich ſelber zu ſorgen, können die Conſuln für
dieſelben bei den Orts- und Landesbehörden die zur Sicherſtellung derſel-
ben nöthigen Anträge ſtellen, Beſchwerden erheben, Proteſte einreichen.

Das Recht der Conſuln zur Vertretung für ihre ſchutzbedürftigen Landsleute
iſt freilich nur ein Nothrecht und beſchränkt ſich daher auch auf die Nothhülfe.
Die Conſuln ſind demnach nicht berechtigt, für dieſelben Speculationsgeſchäfte zu machen,
ſondern nur berechtigt, diejenigen Vorſichtsmaßregeln zu ergreifen, welche zur Er-
haltung ihres Vermögens und insbeſondere zur Abwendung von drohendem Schaden
dienen. Dagegen bedürfen ſie zu einer bloß ſchützenden Vertretung ſelbſt im Proceß
vor Gericht keiner beſondern Vollmacht. (Vgl. Kent Comment. I. S. 42.)

257.

Sie ſind als ermächtigt zu betrachten, in Nothfällen diejenige Hülfe
zu gewähren, welche erforderlich iſt, um ihren Landsleuten die Rückkehr in
ihre Heimat möglich zu machen oder hülfsbedürftigen Landsleuten in Noth-
fällen die unentbehrliche Unterſtützung auf öffentliche Koſten zu gewähren.

Die Conſuln vertreten die Statshülfe, die ſonſt innerhalb des Statsgebiets
in Nothfällen gewährt wird, in der Fremde. Durch ſie erſtreckt der Stat ſeine ret-
tenden Hände über den Erdboden hin. Aber keinenfalls reicht dieſe amtliche Sorge
über die Bedingungen und den Umfang der regelmäßig geübten Statshülfe hinaus;
denn es iſt kein Grund, die Bürger außerhalb ihrer Heimat beſſer zu ſchützen, als
in derſelben. Es darf daher die Ermächtigung zu ſolcher Hülfe nur unter ſehr
engen Bedingungen und in engem Umfang verſtanden und keineswegs auf eine all-
gemeine Unterſtützung aller Perſonen ausgedehnt werden, welche in dem fremden
Lande ſich nur ſchwer ernähren können und es vorziehen, auf öffentliche Koſten wie-
der heimzukehren.

258.

Die Conſuln der Seeſtädte und der an Flüſſen oder Binnenſeen

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[156/0178] Drittes Buch. ſtellen und Gelder desſelben, ſowie Waaren, Schuldtitel und andere Ver- mögensſtücke in amtliche Verwahrung nehmen. Unter „Landsleuten“ verſtehen wir in dieſem Zuſammenhang die Bürger und Unterthanen des States, dem die Conſuln dienen, im weiteren Sinne werden aber die Perſonen mitbegriffen, welchen der Stat im Ausland als ſeinen Schutz- befohlenen und Schutzverwanten dieſelbe Hülfe gewährt. 256. Wo es das Recht und die Intereſſen ihrer Landsleute erfordern und dieſe verhindert ſind, für ſich ſelber zu ſorgen, können die Conſuln für dieſelben bei den Orts- und Landesbehörden die zur Sicherſtellung derſel- ben nöthigen Anträge ſtellen, Beſchwerden erheben, Proteſte einreichen. Das Recht der Conſuln zur Vertretung für ihre ſchutzbedürftigen Landsleute iſt freilich nur ein Nothrecht und beſchränkt ſich daher auch auf die Nothhülfe. Die Conſuln ſind demnach nicht berechtigt, für dieſelben Speculationsgeſchäfte zu machen, ſondern nur berechtigt, diejenigen Vorſichtsmaßregeln zu ergreifen, welche zur Er- haltung ihres Vermögens und insbeſondere zur Abwendung von drohendem Schaden dienen. Dagegen bedürfen ſie zu einer bloß ſchützenden Vertretung ſelbſt im Proceß vor Gericht keiner beſondern Vollmacht. (Vgl. Kent Comment. I. S. 42.) 257. Sie ſind als ermächtigt zu betrachten, in Nothfällen diejenige Hülfe zu gewähren, welche erforderlich iſt, um ihren Landsleuten die Rückkehr in ihre Heimat möglich zu machen oder hülfsbedürftigen Landsleuten in Noth- fällen die unentbehrliche Unterſtützung auf öffentliche Koſten zu gewähren. Die Conſuln vertreten die Statshülfe, die ſonſt innerhalb des Statsgebiets in Nothfällen gewährt wird, in der Fremde. Durch ſie erſtreckt der Stat ſeine ret- tenden Hände über den Erdboden hin. Aber keinenfalls reicht dieſe amtliche Sorge über die Bedingungen und den Umfang der regelmäßig geübten Statshülfe hinaus; denn es iſt kein Grund, die Bürger außerhalb ihrer Heimat beſſer zu ſchützen, als in derſelben. Es darf daher die Ermächtigung zu ſolcher Hülfe nur unter ſehr engen Bedingungen und in engem Umfang verſtanden und keineswegs auf eine all- gemeine Unterſtützung aller Perſonen ausgedehnt werden, welche in dem fremden Lande ſich nur ſchwer ernähren können und es vorziehen, auf öffentliche Koſten wie- der heimzukehren. 258. Die Conſuln der Seeſtädte und der an Flüſſen oder Binnenſeen

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/178>, abgerufen am 29.03.2024.