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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Die Statshoheit im Verhältniß zum Land. Gebietshoheit.
355.

Die Statsdienstbarkeiten bestehen entweder darin, daß der dienende
Stat um derselben willen verhindert wird, seine Statshoheit in einer be-
stimmten Richtung vollständig auszuüben oder darin, daß derselbe genöthigt
wird, eine statliche Action des fremden berechtigten States innerhalb seines
Gebietes zu dulden, die er ohne die Dienstbarkeit verwehren dürfte.

Die erstern Dienstbarkeiten bestehen im Nichtthun (in non faciendo) und
sind von negativer Wirkung, die letztern dagegen sind positiv und bestehn im
Dulden eines Thuns (in patiendo) von Seite des berechtigten Stats.

356.

Negative Dienstbarkeiten sind:

a) die Beschränkung eines States in der Größe seines Heeres
oder in der Anlage und Zahl seiner Kriegsschiffe oder in der von
Festungen u. s. f.,
b) die Verpflichtung eines Stats, sich jeder an sich begründeten
Gerichtsbarkeit über die Angehörigen des berechtigten States zu
enthalten,
c) die Schranken, welche der Ausübung der Kirchenhoheit aus Rück-
sicht auf den berechtigten Stat gesetzt werden,
d) die theilweise Befreiung gewisser Körperschaften, Stiftungen oder
Stände von der Steuerpflicht in dem dienenden State, wenn
dieselbe mit Rücksicht auf einen berechtigten Nachbarstat zugestan-
den worden ist,
e) die Verhinderung von Zollstationen zu Gunsten des freien Grenz-
verkehrs der Nachbarn.

Es sind das nur einzelne Beispiele, welche öfter vorkommen und meistens in
Friedensverträgen näher bestimmt oder bei Gebietsabtretungen vorbehalten worden
sind.

357.

Beispiele von positiven Dienstbarkeiten sind:

a) das Recht eines fremden Stats, die inländischen Straßen zu
seinen Truppenmärschen zu benutzen (Etappenstraßen),
b) das Recht eines fremden Stats, einen inländischen Gebietstheil
unter Umständen mit seinen Truppen zu besetzen,
Die Statshoheit im Verhältniß zum Land. Gebietshoheit.
355.

Die Statsdienſtbarkeiten beſtehen entweder darin, daß der dienende
Stat um derſelben willen verhindert wird, ſeine Statshoheit in einer be-
ſtimmten Richtung vollſtändig auszuüben oder darin, daß derſelbe genöthigt
wird, eine ſtatliche Action des fremden berechtigten States innerhalb ſeines
Gebietes zu dulden, die er ohne die Dienſtbarkeit verwehren dürfte.

Die erſtern Dienſtbarkeiten beſtehen im Nichtthun (in non faciendo) und
ſind von negativer Wirkung, die letztern dagegen ſind poſitiv und beſtehn im
Dulden eines Thuns (in patiendo) von Seite des berechtigten Stats.

356.

Negative Dienſtbarkeiten ſind:

a) die Beſchränkung eines States in der Größe ſeines Heeres
oder in der Anlage und Zahl ſeiner Kriegsſchiffe oder in der von
Feſtungen u. ſ. f.,
b) die Verpflichtung eines Stats, ſich jeder an ſich begründeten
Gerichtsbarkeit über die Angehörigen des berechtigten States zu
enthalten,
c) die Schranken, welche der Ausübung der Kirchenhoheit aus Rück-
ſicht auf den berechtigten Stat geſetzt werden,
d) die theilweiſe Befreiung gewiſſer Körperſchaften, Stiftungen oder
Stände von der Steuerpflicht in dem dienenden State, wenn
dieſelbe mit Rückſicht auf einen berechtigten Nachbarſtat zugeſtan-
den worden iſt,
e) die Verhinderung von Zollſtationen zu Gunſten des freien Grenz-
verkehrs der Nachbarn.

Es ſind das nur einzelne Beiſpiele, welche öfter vorkommen und meiſtens in
Friedensverträgen näher beſtimmt oder bei Gebietsabtretungen vorbehalten worden
ſind.

357.

Beiſpiele von poſitiven Dienſtbarkeiten ſind:

a) das Recht eines fremden Stats, die inländiſchen Straßen zu
ſeinen Truppenmärſchen zu benutzen (Etappenſtraßen),
b) das Recht eines fremden Stats, einen inländiſchen Gebietstheil
unter Umſtänden mit ſeinen Truppen zu beſetzen,
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[205/0227] Die Statshoheit im Verhältniß zum Land. Gebietshoheit. 355. Die Statsdienſtbarkeiten beſtehen entweder darin, daß der dienende Stat um derſelben willen verhindert wird, ſeine Statshoheit in einer be- ſtimmten Richtung vollſtändig auszuüben oder darin, daß derſelbe genöthigt wird, eine ſtatliche Action des fremden berechtigten States innerhalb ſeines Gebietes zu dulden, die er ohne die Dienſtbarkeit verwehren dürfte. Die erſtern Dienſtbarkeiten beſtehen im Nichtthun (in non faciendo) und ſind von negativer Wirkung, die letztern dagegen ſind poſitiv und beſtehn im Dulden eines Thuns (in patiendo) von Seite des berechtigten Stats. 356. Negative Dienſtbarkeiten ſind: a) die Beſchränkung eines States in der Größe ſeines Heeres oder in der Anlage und Zahl ſeiner Kriegsſchiffe oder in der von Feſtungen u. ſ. f., b) die Verpflichtung eines Stats, ſich jeder an ſich begründeten Gerichtsbarkeit über die Angehörigen des berechtigten States zu enthalten, c) die Schranken, welche der Ausübung der Kirchenhoheit aus Rück- ſicht auf den berechtigten Stat geſetzt werden, d) die theilweiſe Befreiung gewiſſer Körperſchaften, Stiftungen oder Stände von der Steuerpflicht in dem dienenden State, wenn dieſelbe mit Rückſicht auf einen berechtigten Nachbarſtat zugeſtan- den worden iſt, e) die Verhinderung von Zollſtationen zu Gunſten des freien Grenz- verkehrs der Nachbarn. Es ſind das nur einzelne Beiſpiele, welche öfter vorkommen und meiſtens in Friedensverträgen näher beſtimmt oder bei Gebietsabtretungen vorbehalten worden ſind. 357. Beiſpiele von poſitiven Dienſtbarkeiten ſind: a) das Recht eines fremden Stats, die inländiſchen Straßen zu ſeinen Truppenmärſchen zu benutzen (Etappenſtraßen), b) das Recht eines fremden Stats, einen inländiſchen Gebietstheil unter Umſtänden mit ſeinen Truppen zu beſetzen,

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/227>, abgerufen am 24.04.2024.