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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Völkerrechtliche Verträge.
434.

Bei der Leistung der Hülfe darf der Garant nur völkerrechtlich er-
laubte und nur verhältnißmäßige Mittel anwenden.

Die Waffengewalt ist nur als äußerstes Mittel und nur dann zu rechtfertigen,
wenn die friedlichen Mittel nicht ausreichen.

435.

Keinenfalls darf der Garant mehr fordern, als die Hauptpartei ver-
langt, deren Anspruch er nur unterstützt. Aber er darf und soll die For-
derungen der Hauptpartei nur in dem beschränkten Maße unterstützen, in
welchem er dieselben als berechtigt anerkennen muß.

Niemand ist verpflichtet, mehr zu leisten, als er versprochen hat. Wenn da-
her der Hülfe begehrende Stat übertriebene Ansprüche erhebt und unzeitgemäße
Forderungen stellt, so kann dem Garanten nicht zugemuthet werden, dafür seine
Kräfte anzustrengen. Die Auslegung freilich darf auch nicht in die Willkür des
Garanten gegeben werden, sondern soll bona fide geschehen.

436.

Wird der Garant von beiden Hauptparteien angerufen, so hat er
seine Hülfe jeder Partei in so weit zu leisten, als er sich von ihrem Rechte
überzeugt.

437.

Wenn die garantirte Bestimmung widerrechtlich ist oder unausführ-
bar erscheint, so ist der Garant auch nicht verbunden, seine Beihülfe zu
ihrer Durchführung zu gewähren.

Da die Vertragsverbindlichkeiten überhaupt nur innerhalb der völkerrecht-
lich anerkannten und zu schützenden Rechtsordnung gelten, so ermäßigt sich auch die
Hülfspflicht der Garanten. Fälle der Art sind:

a) die garantirte Bestimmung steht mit den Rechten eines dritten States,
vielleicht aus einem älteren Vertrage, im Widerspruch, und dieser Stat
widerspricht die Ausführung jener;
b) sie verletzt anerkannte Menschenrechte, z. B. der persönlichen Freiheit oder
des freien Verkehrs;
c) sie läßt sich nicht mehr mit den Fortschritten des Völkerrechts vereinigen,
Völkerrechtliche Verträge.
434.

Bei der Leiſtung der Hülfe darf der Garant nur völkerrechtlich er-
laubte und nur verhältnißmäßige Mittel anwenden.

Die Waffengewalt iſt nur als äußerſtes Mittel und nur dann zu rechtfertigen,
wenn die friedlichen Mittel nicht ausreichen.

435.

Keinenfalls darf der Garant mehr fordern, als die Hauptpartei ver-
langt, deren Anſpruch er nur unterſtützt. Aber er darf und ſoll die For-
derungen der Hauptpartei nur in dem beſchränkten Maße unterſtützen, in
welchem er dieſelben als berechtigt anerkennen muß.

Niemand iſt verpflichtet, mehr zu leiſten, als er verſprochen hat. Wenn da-
her der Hülfe begehrende Stat übertriebene Anſprüche erhebt und unzeitgemäße
Forderungen ſtellt, ſo kann dem Garanten nicht zugemuthet werden, dafür ſeine
Kräfte anzuſtrengen. Die Auslegung freilich darf auch nicht in die Willkür des
Garanten gegeben werden, ſondern ſoll bona fide geſchehen.

436.

Wird der Garant von beiden Hauptparteien angerufen, ſo hat er
ſeine Hülfe jeder Partei in ſo weit zu leiſten, als er ſich von ihrem Rechte
überzeugt.

437.

Wenn die garantirte Beſtimmung widerrechtlich iſt oder unausführ-
bar erſcheint, ſo iſt der Garant auch nicht verbunden, ſeine Beihülfe zu
ihrer Durchführung zu gewähren.

Da die Vertragsverbindlichkeiten überhaupt nur innerhalb der völkerrecht-
lich anerkannten und zu ſchützenden Rechtsordnung gelten, ſo ermäßigt ſich auch die
Hülfspflicht der Garanten. Fälle der Art ſind:

a) die garantirte Beſtimmung ſteht mit den Rechten eines dritten States,
vielleicht aus einem älteren Vertrage, im Widerſpruch, und dieſer Stat
widerſpricht die Ausführung jener;
b) ſie verletzt anerkannte Menſchenrechte, z. B. der perſönlichen Freiheit oder
des freien Verkehrs;
c) ſie läßt ſich nicht mehr mit den Fortſchritten des Völkerrechts vereinigen,
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[245/0267] Völkerrechtliche Verträge. 434. Bei der Leiſtung der Hülfe darf der Garant nur völkerrechtlich er- laubte und nur verhältnißmäßige Mittel anwenden. Die Waffengewalt iſt nur als äußerſtes Mittel und nur dann zu rechtfertigen, wenn die friedlichen Mittel nicht ausreichen. 435. Keinenfalls darf der Garant mehr fordern, als die Hauptpartei ver- langt, deren Anſpruch er nur unterſtützt. Aber er darf und ſoll die For- derungen der Hauptpartei nur in dem beſchränkten Maße unterſtützen, in welchem er dieſelben als berechtigt anerkennen muß. Niemand iſt verpflichtet, mehr zu leiſten, als er verſprochen hat. Wenn da- her der Hülfe begehrende Stat übertriebene Anſprüche erhebt und unzeitgemäße Forderungen ſtellt, ſo kann dem Garanten nicht zugemuthet werden, dafür ſeine Kräfte anzuſtrengen. Die Auslegung freilich darf auch nicht in die Willkür des Garanten gegeben werden, ſondern ſoll bona fide geſchehen. 436. Wird der Garant von beiden Hauptparteien angerufen, ſo hat er ſeine Hülfe jeder Partei in ſo weit zu leiſten, als er ſich von ihrem Rechte überzeugt. 437. Wenn die garantirte Beſtimmung widerrechtlich iſt oder unausführ- bar erſcheint, ſo iſt der Garant auch nicht verbunden, ſeine Beihülfe zu ihrer Durchführung zu gewähren. Da die Vertragsverbindlichkeiten überhaupt nur innerhalb der völkerrecht- lich anerkannten und zu ſchützenden Rechtsordnung gelten, ſo ermäßigt ſich auch die Hülfspflicht der Garanten. Fälle der Art ſind: a) die garantirte Beſtimmung ſteht mit den Rechten eines dritten States, vielleicht aus einem älteren Vertrage, im Widerſpruch, und dieſer Stat widerſpricht die Ausführung jener; b) ſie verletzt anerkannte Menſchenrechte, z. B. der perſönlichen Freiheit oder des freien Verkehrs; c) ſie läßt ſich nicht mehr mit den Fortſchritten des Völkerrechts vereinigen,

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/267>, abgerufen am 18.04.2024.