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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Neuntes Buch.
803.

Allgemein und abgesehen von besonderen Verträgen, welche andere
für die Vertragsparteien bindende Vorschriften treffen, gehören hieher:

a) die Kriegswaffen, Kanonen, Flinten, Säbel, Kugeln, Pulver und
ähnliche Kriegswerkzeuge;
b) aber auch Salpeter und Schwefel, die zur Pulverfabrication
dienen;
c) Kriegsfahrzeuge;
d) feindliche Kriegsdepeschen, die im Interesse einer Kriegspartei
transportirt werden.

1. Oft werden in Statenverträgen die Gegenstände näher bezeichnet, welche
ausschließlich als Contrebande behandelt werden dürfen. Aber dieses Vertrags-
recht
gilt nur im Verhältniß der Vertragsparteien zu einander, nicht als allge-
meines Recht.

2. Zu a) Gewisse Sachen dienen ihrer Natur nach immer und nur
-- oder doch gewöhnlich -- der Kriegsführung, wie besonders Waffen aller Art und
Kriegsinstrumente. Diese sind unzweifelhaft Contrebande. Indessen sogar da ist die
Aufzählung aller einzelnen Gegenstände deßhalb nicht möglich, weil von Zeit zu
Zeit neue Kriegswaffen erfunden werden, welche weder in den Verträgen noch in
den Gesetzen vorher benannt werden konnten. Dem Pulver z. B. steht die
Schießbaumwolle gleich, obwohl sie nicht genannt ist, und ebenso den Feuer-
steinen
und dem Zunder der alten Flinten die neueren metallenen Zünd-
hütchen
, die Patronenhülsen und die Einheitspatronen.

Wenn aber Verbandzeug und ärztliche Instrumente für die mili-
tärische Krankenpflege zugeführt werden, so ist das keine Contrebande, sondern fried-
licher Verkehr, obwohl er auch dem Heere zu Gute kommt.

3. Zu b) Salpeter und Schwefel sind freilich keine Waffen, aber ihre
Beziehung zur Pulverfabrication ist eine so nahe, daß sie deßhalb von allen
Völkern wie Kriegsmaterial betrachtet werden, wenn nicht ausnahmsweise ein an-
derer friedlicher Gebrauch dieser Stoffe klar vorliegt. Auch die zweite bewaff-
nete Neutralität
von 1800 erwähnt dieser Gegenstände ausdrücklich als
Contrebande.

4. Zu c) Die kriegerische Natur der Kriegsfahrzeuge ist zweifellos;
aber da auch Schiffe, welche bisher dem Handel dienten, in Kriegsfahrzeuge umge-
wandelt werden können, so kann es im einzelnen Fall zweifelhaft werden, ob ein
Schiff noch als Handelsschiff frei, oder bereits als Kriegsschiff Contrebande
sei. Die letztern Zweifel können nur im einzelnen Fall nach Erwägung aller Um-
stände und Anzeichen entschieden werden.

5. Zu d) Die sogenannten Kriegsdepeschen sind unzweifelhaft wieder
Contrebande, z. B. Befehle des Feldherrn an einen detachirten Corpscommandanten

Neuntes Buch.
803.

Allgemein und abgeſehen von beſonderen Verträgen, welche andere
für die Vertragsparteien bindende Vorſchriften treffen, gehören hieher:

a) die Kriegswaffen, Kanonen, Flinten, Säbel, Kugeln, Pulver und
ähnliche Kriegswerkzeuge;
b) aber auch Salpeter und Schwefel, die zur Pulverfabrication
dienen;
c) Kriegsfahrzeuge;
d) feindliche Kriegsdepeſchen, die im Intereſſe einer Kriegspartei
transportirt werden.

1. Oft werden in Statenverträgen die Gegenſtände näher bezeichnet, welche
ausſchließlich als Contrebande behandelt werden dürfen. Aber dieſes Vertrags-
recht
gilt nur im Verhältniß der Vertragsparteien zu einander, nicht als allge-
meines Recht.

2. Zu a) Gewiſſe Sachen dienen ihrer Natur nach immer und nur
— oder doch gewöhnlich — der Kriegsführung, wie beſonders Waffen aller Art und
Kriegsinſtrumente. Dieſe ſind unzweifelhaft Contrebande. Indeſſen ſogar da iſt die
Aufzählung aller einzelnen Gegenſtände deßhalb nicht möglich, weil von Zeit zu
Zeit neue Kriegswaffen erfunden werden, welche weder in den Verträgen noch in
den Geſetzen vorher benannt werden konnten. Dem Pulver z. B. ſteht die
Schießbaumwolle gleich, obwohl ſie nicht genannt iſt, und ebenſo den Feuer-
ſteinen
und dem Zunder der alten Flinten die neueren metallenen Zünd-
hütchen
, die Patronenhülſen und die Einheitspatronen.

Wenn aber Verbandzeug und ärztliche Inſtrumente für die mili-
täriſche Krankenpflege zugeführt werden, ſo iſt das keine Contrebande, ſondern fried-
licher Verkehr, obwohl er auch dem Heere zu Gute kommt.

3. Zu b) Salpeter und Schwefel ſind freilich keine Waffen, aber ihre
Beziehung zur Pulverfabrication iſt eine ſo nahe, daß ſie deßhalb von allen
Völkern wie Kriegsmaterial betrachtet werden, wenn nicht ausnahmsweiſe ein an-
derer friedlicher Gebrauch dieſer Stoffe klar vorliegt. Auch die zweite bewaff-
nete Neutralität
von 1800 erwähnt dieſer Gegenſtände ausdrücklich als
Contrebande.

4. Zu c) Die kriegeriſche Natur der Kriegsfahrzeuge iſt zweifellos;
aber da auch Schiffe, welche bisher dem Handel dienten, in Kriegsfahrzeuge umge-
wandelt werden können, ſo kann es im einzelnen Fall zweifelhaft werden, ob ein
Schiff noch als Handelsſchiff frei, oder bereits als Kriegsſchiff Contrebande
ſei. Die letztern Zweifel können nur im einzelnen Fall nach Erwägung aller Um-
ſtände und Anzeichen entſchieden werden.

5. Zu d) Die ſogenannten Kriegsdepeſchen ſind unzweifelhaft wieder
Contrebande, z. B. Befehle des Feldherrn an einen detachirten Corpscommandanten

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[434/0456] Neuntes Buch. 803. Allgemein und abgeſehen von beſonderen Verträgen, welche andere für die Vertragsparteien bindende Vorſchriften treffen, gehören hieher: a) die Kriegswaffen, Kanonen, Flinten, Säbel, Kugeln, Pulver und ähnliche Kriegswerkzeuge; b) aber auch Salpeter und Schwefel, die zur Pulverfabrication dienen; c) Kriegsfahrzeuge; d) feindliche Kriegsdepeſchen, die im Intereſſe einer Kriegspartei transportirt werden. 1. Oft werden in Statenverträgen die Gegenſtände näher bezeichnet, welche ausſchließlich als Contrebande behandelt werden dürfen. Aber dieſes Vertrags- recht gilt nur im Verhältniß der Vertragsparteien zu einander, nicht als allge- meines Recht. 2. Zu a) Gewiſſe Sachen dienen ihrer Natur nach immer und nur — oder doch gewöhnlich — der Kriegsführung, wie beſonders Waffen aller Art und Kriegsinſtrumente. Dieſe ſind unzweifelhaft Contrebande. Indeſſen ſogar da iſt die Aufzählung aller einzelnen Gegenſtände deßhalb nicht möglich, weil von Zeit zu Zeit neue Kriegswaffen erfunden werden, welche weder in den Verträgen noch in den Geſetzen vorher benannt werden konnten. Dem Pulver z. B. ſteht die Schießbaumwolle gleich, obwohl ſie nicht genannt iſt, und ebenſo den Feuer- ſteinen und dem Zunder der alten Flinten die neueren metallenen Zünd- hütchen, die Patronenhülſen und die Einheitspatronen. Wenn aber Verbandzeug und ärztliche Inſtrumente für die mili- täriſche Krankenpflege zugeführt werden, ſo iſt das keine Contrebande, ſondern fried- licher Verkehr, obwohl er auch dem Heere zu Gute kommt. 3. Zu b) Salpeter und Schwefel ſind freilich keine Waffen, aber ihre Beziehung zur Pulverfabrication iſt eine ſo nahe, daß ſie deßhalb von allen Völkern wie Kriegsmaterial betrachtet werden, wenn nicht ausnahmsweiſe ein an- derer friedlicher Gebrauch dieſer Stoffe klar vorliegt. Auch die zweite bewaff- nete Neutralität von 1800 erwähnt dieſer Gegenſtände ausdrücklich als Contrebande. 4. Zu c) Die kriegeriſche Natur der Kriegsfahrzeuge iſt zweifellos; aber da auch Schiffe, welche bisher dem Handel dienten, in Kriegsfahrzeuge umge- wandelt werden können, ſo kann es im einzelnen Fall zweifelhaft werden, ob ein Schiff noch als Handelsſchiff frei, oder bereits als Kriegsſchiff Contrebande ſei. Die letztern Zweifel können nur im einzelnen Fall nach Erwägung aller Um- ſtände und Anzeichen entſchieden werden. 5. Zu d) Die ſogenannten Kriegsdepeſchen ſind unzweifelhaft wieder Contrebande, z. B. Befehle des Feldherrn an einen detachirten Corpscommandanten

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/456>, abgerufen am 19.04.2024.