zur Confiscation. Die neuere Praxis dagegen ist mäßiger geworden. Die englischen Prisengerichte erkennen dem geschädigten Eigenthümer über den realen Werth des ent- zogenen Gutes noch 10% Gewinn zu und es ist diese Bestimmung auch in mehrere Statenverträge aufgenommen worden, so in dem Vertrag zwischen England und den Vereinigten Staten vom 19. Nov. 1794. Vgl. PhillimoreIII. § 267 f. und besonders das Erkenntniß des Lord Stowell, ebenda § 270.
812.
Der Kriegsstat darf sich keineswegs solcher Schiffe und Waaren bemächtigen, welche zwar für die Kriegsführung brauchbar sind, aber nicht dem Feinde, sondern einem neutralen Lande oder einem dritten Kriegslande, mit welchem er aber im Frieden ist, zugeführt werden.
In diesen Fällen ist auch nicht die Gefahr einer zufälligen Kriegs- hülfe und daher auch keine zufällige Contrebande vorhanden (806). In den Verkehr der Neutralen mit andern Ländern als der Gegenpartei hat sich der Kriegsstat in keiner Weise einzumischen.
813.
Wird aber die Fahrt nach einem neutralen Hafen nur in der Absicht unternommen, um auf diesem Umwege sicherer die Kriegsführung des Feindes zu unterstützen, so ist das Contrebande und die Wegnahme gerecht- fertigt.
Z. B. eine Schiffsladung mit Waffen und Munition aus Amerika fährt nach dem neutralen Hamburg, während Petersburg der eigentliche Bestimmungsort ist und die Absicht, Rußland im Kriege mit England zu unterstützen aus den Umstän- den erhellt. Oder in einem Kriege zwischen Deutschland und Frankreich wird ein Panzerschiff aus England nach dem neutralen Holland geführt, zur Unterstützung einer der beiden Kriegsparteien.
814.
Die Beschlagnahme kann auf dem Kriegsfelde, aber nicht in den neutralen Eigengewässern von der Kriegsmacht vollzogen werden. Zu dem Kriegsfelde wird auch die offene See insofern gerechnet, als sie zur Ver- mittlung der Kriegshülfe dient.
Die neutralen Eigengewässer sind so wenig als das neutrale Land
Neuntes Buch.
zur Confiscation. Die neuere Praxis dagegen iſt mäßiger geworden. Die engliſchen Priſengerichte erkennen dem geſchädigten Eigenthümer über den realen Werth des ent- zogenen Gutes noch 10% Gewinn zu und es iſt dieſe Beſtimmung auch in mehrere Statenverträge aufgenommen worden, ſo in dem Vertrag zwiſchen England und den Vereinigten Staten vom 19. Nov. 1794. Vgl. PhillimoreIII. § 267 f. und beſonders das Erkenntniß des Lord Stowell, ebenda § 270.
812.
Der Kriegsſtat darf ſich keineswegs ſolcher Schiffe und Waaren bemächtigen, welche zwar für die Kriegsführung brauchbar ſind, aber nicht dem Feinde, ſondern einem neutralen Lande oder einem dritten Kriegslande, mit welchem er aber im Frieden iſt, zugeführt werden.
In dieſen Fällen iſt auch nicht die Gefahr einer zufälligen Kriegs- hülfe und daher auch keine zufällige Contrebande vorhanden (806). In den Verkehr der Neutralen mit andern Ländern als der Gegenpartei hat ſich der Kriegsſtat in keiner Weiſe einzumiſchen.
813.
Wird aber die Fahrt nach einem neutralen Hafen nur in der Abſicht unternommen, um auf dieſem Umwege ſicherer die Kriegsführung des Feindes zu unterſtützen, ſo iſt das Contrebande und die Wegnahme gerecht- fertigt.
Z. B. eine Schiffsladung mit Waffen und Munition aus Amerika fährt nach dem neutralen Hamburg, während Petersburg der eigentliche Beſtimmungsort iſt und die Abſicht, Rußland im Kriege mit England zu unterſtützen aus den Umſtän- den erhellt. Oder in einem Kriege zwiſchen Deutſchland und Frankreich wird ein Panzerſchiff aus England nach dem neutralen Holland geführt, zur Unterſtützung einer der beiden Kriegsparteien.
814.
Die Beſchlagnahme kann auf dem Kriegsfelde, aber nicht in den neutralen Eigengewäſſern von der Kriegsmacht vollzogen werden. Zu dem Kriegsfelde wird auch die offene See inſofern gerechnet, als ſie zur Ver- mittlung der Kriegshülfe dient.
Die neutralen Eigengewäſſer ſind ſo wenig als das neutrale Land
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Neuntes Buch.
zur Confiscation. Die neuere Praxis dagegen iſt mäßiger geworden. Die engliſchen
Priſengerichte erkennen dem geſchädigten Eigenthümer über den realen Werth des ent-
zogenen Gutes noch 10% Gewinn zu und es iſt dieſe Beſtimmung auch in mehrere
Statenverträge aufgenommen worden, ſo in dem Vertrag zwiſchen England und den
Vereinigten Staten vom 19. Nov. 1794. Vgl. Phillimore III. § 267 f. und
beſonders das Erkenntniß des Lord Stowell, ebenda § 270.
812.
Der Kriegsſtat darf ſich keineswegs ſolcher Schiffe und Waaren
bemächtigen, welche zwar für die Kriegsführung brauchbar ſind, aber nicht
dem Feinde, ſondern einem neutralen Lande oder einem dritten Kriegslande,
mit welchem er aber im Frieden iſt, zugeführt werden.
In dieſen Fällen iſt auch nicht die Gefahr einer zufälligen Kriegs-
hülfe und daher auch keine zufällige Contrebande vorhanden (806). In
den Verkehr der Neutralen mit andern Ländern als der Gegenpartei hat ſich der
Kriegsſtat in keiner Weiſe einzumiſchen.
813.
Wird aber die Fahrt nach einem neutralen Hafen nur in der Abſicht
unternommen, um auf dieſem Umwege ſicherer die Kriegsführung des
Feindes zu unterſtützen, ſo iſt das Contrebande und die Wegnahme gerecht-
fertigt.
Z. B. eine Schiffsladung mit Waffen und Munition aus Amerika fährt nach
dem neutralen Hamburg, während Petersburg der eigentliche Beſtimmungsort iſt
und die Abſicht, Rußland im Kriege mit England zu unterſtützen aus den Umſtän-
den erhellt. Oder in einem Kriege zwiſchen Deutſchland und Frankreich wird ein
Panzerſchiff aus England nach dem neutralen Holland geführt, zur Unterſtützung
einer der beiden Kriegsparteien.
814.
Die Beſchlagnahme kann auf dem Kriegsfelde, aber nicht in den
neutralen Eigengewäſſern von der Kriegsmacht vollzogen werden. Zu dem
Kriegsfelde wird auch die offene See inſofern gerechnet, als ſie zur Ver-
mittlung der Kriegshülfe dient.
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <http://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/462>, abgerufen am 16.02.2019.
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