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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741.

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Auszüge aus Hr. Breitingers
hat etwas nur den Schein des Widerspruchs?
Wie sehr irrete der, der keinen Unterscheid mach-
te zwischen diesen beyden Säzen, 1. die Ver-
knüpfung und Wahrheit der Dinge nicht ver-
stehen, und 2. gründlich erkennen daß sie einan-
der aufheben? Kan es dann, da wir die Na-
tur Gottes etc. nicht genugsam kennen, nicht auch
in Absicht auf die Religion Wahrheiten geben,
die mit allem Schein des Widerspruchs doch
Wahrheiten bleiben, und von uns als solche
würden erkennt werden, wann wir ihren Zu-
sammenhang mit andern einsahen? Sind wir
also im Stande nach der von dem Ungenannten
angegebenen Regel die Zahl und Beschaffenheit
der Säze, welche zur Religion gehören, gewiß
und genau zu bestimmen? (*)

IV.

Lasset uns sehen wie derselbe nun seinen Grund-
saz anwende: Er betrachtet erstlich nach demselben
die Natur Gottes und sagt: Gott ist ein Wesen
das sich selbst genugsam ist; Folglich kan bey

der
(*) Es lassen sich leicht aus einem gegebnen Begriffe,
oder auch gewissen Würckungen, von einem vernünftigen
Wesen einige Eigenschaften überhaupt herleiten, Z. E.
Güte, Weißheit, Verstand, Willen etc. aber wann, was,
und wie, ein solches Wesen, nach dem Verhältniß die-
ser allgemeinen erkannten Eigenschaften gegen sich selbst
und gegen die Dinge ausser sich, würken solle, da liegt
mehr Schwierigkeit: Weil es nicht so leicht angeht, die
Zahl, den Grad, das Verhaltniß dieser Eigenschaften gegen
einander und gegen andern Dingen zu bestimmen. Ein
Kind weiß überhaupt wohl daß seine Eltern gut, weise etc.
sind,

Auszuͤge aus Hr. Breitingers
hat etwas nur den Schein des Widerſpruchs?
Wie ſehr irrete der, der keinen Unterſcheid mach-
te zwiſchen dieſen beyden Saͤzen, 1. die Ver-
knuͤpfung und Wahrheit der Dinge nicht ver-
ſtehen, und 2. gruͤndlich erkennen daß ſie einan-
der aufheben? Kan es dann, da wir die Na-
tur Gottes ꝛc. nicht genugſam kennen, nicht auch
in Abſicht auf die Religion Wahrheiten geben,
die mit allem Schein des Widerſpruchs doch
Wahrheiten bleiben, und von uns als ſolche
wuͤrden erkennt werden, wann wir ihren Zu-
ſammenhang mit andern einſahen? Sind wir
alſo im Stande nach der von dem Ungenannten
angegebenen Regel die Zahl und Beſchaffenheit
der Saͤze, welche zur Religion gehoͤren, gewiß
und genau zu beſtimmen? (*)

IV.

Laſſet uns ſehen wie derſelbe nun ſeinen Grund-
ſaz anwende: Er betrachtet erſtlich nach demſelben
die Natur Gottes und ſagt: Gott iſt ein Weſen
das ſich ſelbſt genugſam iſt; Folglich kan bey

der
(*) Es laſſen ſich leicht aus einem gegebnen Begriffe,
oder auch gewiſſen Wuͤrckungen, von einem vernuͤnftigen
Weſen einige Eigenſchaften uͤberhaupt herleiten, Z. E.
Guͤte, Weißheit, Verſtand, Willen ꝛc. aber wann, was,
und wie, ein ſolches Weſen, nach dem Verhaͤltniß die-
ſer allgemeinen erkannten Eigenſchaften gegen ſich ſelbſt
und gegen die Dinge auſſer ſich, wuͤrken ſolle, da liegt
mehr Schwierigkeit: Weil es nicht ſo leicht angeht, die
Zahl, den Grad, das Verhaltniß dieſer Eigenſchaften gegen
einander und gegen andern Dingen zu beſtimmen. Ein
Kind weiß uͤberhaupt wohl daß ſeine Eltern gut, weiſe ꝛc.
ſind,
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[142/0158] Auszuͤge aus Hr. Breitingers hat etwas nur den Schein des Widerſpruchs? Wie ſehr irrete der, der keinen Unterſcheid mach- te zwiſchen dieſen beyden Saͤzen, 1. die Ver- knuͤpfung und Wahrheit der Dinge nicht ver- ſtehen, und 2. gruͤndlich erkennen daß ſie einan- der aufheben? Kan es dann, da wir die Na- tur Gottes ꝛc. nicht genugſam kennen, nicht auch in Abſicht auf die Religion Wahrheiten geben, die mit allem Schein des Widerſpruchs doch Wahrheiten bleiben, und von uns als ſolche wuͤrden erkennt werden, wann wir ihren Zu- ſammenhang mit andern einſahen? Sind wir alſo im Stande nach der von dem Ungenannten angegebenen Regel die Zahl und Beſchaffenheit der Saͤze, welche zur Religion gehoͤren, gewiß und genau zu beſtimmen? (*) IV. Laſſet uns ſehen wie derſelbe nun ſeinen Grund- ſaz anwende: Er betrachtet erſtlich nach demſelben die Natur Gottes und ſagt: Gott iſt ein Weſen das ſich ſelbſt genugſam iſt; Folglich kan bey der (*) Es laſſen ſich leicht aus einem gegebnen Begriffe, oder auch gewiſſen Wuͤrckungen, von einem vernuͤnftigen Weſen einige Eigenſchaften uͤberhaupt herleiten, Z. E. Guͤte, Weißheit, Verſtand, Willen ꝛc. aber wann, was, und wie, ein ſolches Weſen, nach dem Verhaͤltniß die- ſer allgemeinen erkannten Eigenſchaften gegen ſich ſelbſt und gegen die Dinge auſſer ſich, wuͤrken ſolle, da liegt mehr Schwierigkeit: Weil es nicht ſo leicht angeht, die Zahl, den Grad, das Verhaltniß dieſer Eigenſchaften gegen einander und gegen andern Dingen zu beſtimmen. Ein Kind weiß uͤberhaupt wohl daß ſeine Eltern gut, weiſe ꝛc. ſind,

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741/158>, abgerufen am 28.03.2024.