Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite

von der deutschen Sprache.
andere Deutschen können sie nicht verstehen.
Sie thun dieses, damit sie ihrer Sprache etwas
sanftes mittheilen, das ihr nicht eigen ist, und
sie verderbt. Man muß den Franzosen und den
Jtalienern das Lebhafte und das Sanftfliessende
in der Sprache lassen; aber das Deutsche und
das Spanische muß man mit Ernst und Hoheit
reden, wenn man sie nach seiner Würde reden
will; sonst bekommen sie durch eine Flüssigkeit
der Aussprache, die ihnen nicht natürlich ist,
ein gantz lächerliches Aussehen.

Des
weise fragen, so ist es dieser, daß man fast in allen Wor-
ten ein gar nicht männliches Gezisch nach Art der Franzo-
sen hören lasse, und also das männliche Wesen der deut-
schen Sprache gantz unterdrücke, nachdem man sich so
starck auf das Französische geleget." Und etwas weiter-
hin: "Da Niedersachsen gegen Norden liegt, so sollte
man eher meinen, daß die Einwohner von Natur zu einer
ernsthaften und männlichen, oder, wie sie die Verächter
nennen, rauhen und harten Sprache geneigt wären, als
zu der fast weibischen und zischenden Meißner Mundart."

von der deutſchen Sprache.
andere Deutſchen koͤnnen ſie nicht verſtehen.
Sie thun dieſes, damit ſie ihrer Sprache etwas
ſanftes mittheilen, das ihr nicht eigen iſt, und
ſie verderbt. Man muß den Franzoſen und den
Jtalienern das Lebhafte und das Sanftflieſſende
in der Sprache laſſen; aber das Deutſche und
das Spaniſche muß man mit Ernſt und Hoheit
reden, wenn man ſie nach ſeiner Wuͤrde reden
will; ſonſt bekommen ſie durch eine Fluͤſſigkeit
der Ausſprache, die ihnen nicht natuͤrlich iſt,
ein gantz laͤcherliches Ausſehen.

Des
weiſe fragen, ſo iſt es dieſer, daß man faſt in allen Wor-
ten ein gar nicht maͤnnliches Geziſch nach Art der Franzo-
ſen hoͤren laſſe, und alſo das maͤnnliche Weſen der deut-
ſchen Sprache gantz unterdruͤcke, nachdem man ſich ſo
ſtarck auf das Franzoͤſiſche geleget.„ Und etwas weiter-
hin: „Da Niederſachſen gegen Norden liegt, ſo ſollte
man eher meinen, daß die Einwohner von Natur zu einer
ernſthaften und maͤnnlichen, oder, wie ſie die Veraͤchter
nennen, rauhen und harten Sprache geneigt waͤren, als
zu der faſt weibiſchen und ziſchenden Meißner Mundart.„
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0029" n="29"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von der deut&#x017F;chen Sprache.</hi></fw><lb/>
andere Deut&#x017F;chen ko&#x0364;nnen &#x017F;ie nicht ver&#x017F;tehen.<lb/>
Sie thun die&#x017F;es, damit &#x017F;ie ihrer Sprache etwas<lb/>
&#x017F;anftes mittheilen, das ihr nicht eigen i&#x017F;t, und<lb/>
&#x017F;ie verderbt. Man muß den Franzo&#x017F;en und den<lb/>
Jtalienern das Lebhafte und das Sanftflie&#x017F;&#x017F;ende<lb/>
in der Sprache la&#x017F;&#x017F;en; aber das Deut&#x017F;che und<lb/>
das Spani&#x017F;che muß man mit Ern&#x017F;t und Hoheit<lb/>
reden, wenn man &#x017F;ie nach &#x017F;einer Wu&#x0364;rde reden<lb/>
will; &#x017F;on&#x017F;t bekommen &#x017F;ie durch eine Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;igkeit<lb/>
der Aus&#x017F;prache, die ihnen nicht natu&#x0364;rlich i&#x017F;t,<lb/>
ein gantz la&#x0364;cherliches Aus&#x017F;ehen.</p><lb/>
          <p>
            <note xml:id="a013b" prev="#a013" place="foot">wei&#x017F;e fragen, &#x017F;o i&#x017F;t es die&#x017F;er, daß man fa&#x017F;t in allen Wor-<lb/>
ten ein gar nicht ma&#x0364;nnliches Gezi&#x017F;ch nach Art der Franzo-<lb/>
&#x017F;en ho&#x0364;ren la&#x017F;&#x017F;e, und al&#x017F;o das ma&#x0364;nnliche We&#x017F;en der deut-<lb/>
&#x017F;chen Sprache gantz unterdru&#x0364;cke, nachdem man &#x017F;ich &#x017F;o<lb/>
&#x017F;tarck auf das Franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che geleget.&#x201E; Und etwas weiter-<lb/>
hin: &#x201E;Da Nieder&#x017F;ach&#x017F;en gegen Norden liegt, &#x017F;o &#x017F;ollte<lb/>
man eher meinen, daß die Einwohner von Natur zu einer<lb/>
ern&#x017F;thaften und ma&#x0364;nnlichen, oder, wie &#x017F;ie die Vera&#x0364;chter<lb/>
nennen, rauhen und harten Sprache geneigt wa&#x0364;ren, als<lb/>
zu der fa&#x017F;t weibi&#x017F;chen und zi&#x017F;chenden Meißner Mundart.&#x201E;</note>
          </p>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Des</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0029] von der deutſchen Sprache. andere Deutſchen koͤnnen ſie nicht verſtehen. Sie thun dieſes, damit ſie ihrer Sprache etwas ſanftes mittheilen, das ihr nicht eigen iſt, und ſie verderbt. Man muß den Franzoſen und den Jtalienern das Lebhafte und das Sanftflieſſende in der Sprache laſſen; aber das Deutſche und das Spaniſche muß man mit Ernſt und Hoheit reden, wenn man ſie nach ſeiner Wuͤrde reden will; ſonſt bekommen ſie durch eine Fluͤſſigkeit der Ausſprache, die ihnen nicht natuͤrlich iſt, ein gantz laͤcherliches Ausſehen. Des weiſe fragen, ſo iſt es dieſer, daß man faſt in allen Wor- ten ein gar nicht maͤnnliches Geziſch nach Art der Franzo- ſen hoͤren laſſe, und alſo das maͤnnliche Weſen der deut- ſchen Sprache gantz unterdruͤcke, nachdem man ſich ſo ſtarck auf das Franzoͤſiſche geleget.„ Und etwas weiter- hin: „Da Niederſachſen gegen Norden liegt, ſo ſollte man eher meinen, daß die Einwohner von Natur zu einer ernſthaften und maͤnnlichen, oder, wie ſie die Veraͤchter nennen, rauhen und harten Sprache geneigt waͤren, als zu der faſt weibiſchen und ziſchenden Meißner Mundart.„

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung05_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung05_1742/29
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung05_1742/29>, abgerufen am 28.03.2024.