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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743.

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Critische Betracht. über die Ode
Die Wahrheit weiset sich in holder Zierlichkeit,
Und die Natur gläntzt hier gantz prächtig ungekleidt.
Natürlichs dieser Art ist kaum genug zu schätzen,
Und dem Erhabnen selbst nur wenig nachzusetzen.

Das Lob, das dieser geschickte Mann von
Kennern der wahren Poesie bekommen, hat
die Würckung gehabt, daß auch schale Köpfe
angefangen haben, ihn vor etwas zu halten.
Dieses hat ihm das Unglück zugezogen, daß
er von den verwegenen Verfassern der Be-
lustigungen des Witzes und Verstandes
vor
einen ihrer Bande ausgeruffen worden. Ueber-
dies haben sie ihm seine Ode auf den Wei-
sen, die er absonderlich für seine Freunde,
und gar nicht für sie gedruckt hatte, aufge-
fangen, und unter die monatlchen Geburten
ihres Witzes geworffen. Eine unbillige und
corsarenmässige Caperey! Wir haben darum
nicht vor gut gefunden, ihnen diese Beute zu
lassen; wir haben sie ihnen wieder abgenom-
men, und der Hr. Verfasser selbst hat uns
erlaubet, sie in der gegenwärtigen Sammlung
einzutragen, wo wir Sorge tragen wollen,
sie in ihrem eigenen unverdunckelten Glantze
vorzulegen.

Jn diesem philosophischen Gedichte stechen
überhaupt zweierley Schönheiten hervor. Ei-
nige beziehen sich auf die Erhabenheit der Ge-
dancken; die andern hingegen auf die Kraft
und Kühnheit des Ausdruckes Jndem der
Poet uns die erhabenen Entschlüsse seines Wei-
sen entdecket, und zeiget wie er sich dadurch

von
Critiſche Betracht. uͤber die Ode
Die Wahrheit weiſet ſich in holder Zierlichkeit,
Und die Natur glaͤntzt hier gantz praͤchtig ungekleidt.
Natuͤrlichs dieſer Art iſt kaum genug zu ſchaͤtzen,
Und dem Erhabnen ſelbſt nur wenig nachzuſetzen.

Das Lob, das dieſer geſchickte Mann von
Kennern der wahren Poeſie bekommen, hat
die Wuͤrckung gehabt, daß auch ſchale Koͤpfe
angefangen haben, ihn vor etwas zu halten.
Dieſes hat ihm das Ungluͤck zugezogen, daß
er von den verwegenen Verfaſſern der Be-
luſtigungen des Witzes und Verſtandes
vor
einen ihrer Bande ausgeruffen worden. Ueber-
dies haben ſie ihm ſeine Ode auf den Wei-
ſen, die er abſonderlich fuͤr ſeine Freunde,
und gar nicht fuͤr ſie gedruckt hatte, aufge-
fangen, und unter die monatlchen Geburten
ihres Witzes geworffen. Eine unbillige und
corſarenmaͤſſige Caperey! Wir haben darum
nicht vor gut gefunden, ihnen dieſe Beute zu
laſſen; wir haben ſie ihnen wieder abgenom-
men, und der Hr. Verfaſſer ſelbſt hat uns
erlaubet, ſie in der gegenwaͤrtigen Sammlung
einzutragen, wo wir Sorge tragen wollen,
ſie in ihrem eigenen unverdunckelten Glantze
vorzulegen.

Jn dieſem philoſophiſchen Gedichte ſtechen
uͤberhaupt zweierley Schoͤnheiten hervor. Ei-
nige beziehen ſich auf die Erhabenheit der Ge-
dancken; die andern hingegen auf die Kraft
und Kuͤhnheit des Ausdruckes Jndem der
Poet uns die erhabenen Entſchluͤſſe ſeines Wei-
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[22/0022] Critiſche Betracht. uͤber die Ode Die Wahrheit weiſet ſich in holder Zierlichkeit, Und die Natur glaͤntzt hier gantz praͤchtig ungekleidt. Natuͤrlichs dieſer Art iſt kaum genug zu ſchaͤtzen, Und dem Erhabnen ſelbſt nur wenig nachzuſetzen. Das Lob, das dieſer geſchickte Mann von Kennern der wahren Poeſie bekommen, hat die Wuͤrckung gehabt, daß auch ſchale Koͤpfe angefangen haben, ihn vor etwas zu halten. Dieſes hat ihm das Ungluͤck zugezogen, daß er von den verwegenen Verfaſſern der Be- luſtigungen des Witzes und Verſtandes vor einen ihrer Bande ausgeruffen worden. Ueber- dies haben ſie ihm ſeine Ode auf den Wei- ſen, die er abſonderlich fuͤr ſeine Freunde, und gar nicht fuͤr ſie gedruckt hatte, aufge- fangen, und unter die monatlchen Geburten ihres Witzes geworffen. Eine unbillige und corſarenmaͤſſige Caperey! Wir haben darum nicht vor gut gefunden, ihnen dieſe Beute zu laſſen; wir haben ſie ihnen wieder abgenom- men, und der Hr. Verfaſſer ſelbſt hat uns erlaubet, ſie in der gegenwaͤrtigen Sammlung einzutragen, wo wir Sorge tragen wollen, ſie in ihrem eigenen unverdunckelten Glantze vorzulegen. Jn dieſem philoſophiſchen Gedichte ſtechen uͤberhaupt zweierley Schoͤnheiten hervor. Ei- nige beziehen ſich auf die Erhabenheit der Ge- dancken; die andern hingegen auf die Kraft und Kuͤhnheit des Ausdruckes Jndem der Poet uns die erhabenen Entſchluͤſſe ſeines Wei- ſen entdecket, und zeiget wie er ſich dadurch von

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung08_1743/22>, abgerufen am 25.04.2024.