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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743.

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des sechszehnten Jahrhunderts.
"dieser Ursache habe ich gedacht, Schiffe für
"die Narren auszurüsten; Galeren, Fusten,
"Kragken, Nauen, Barken, Kiele, Weidlin-
"ge, Hornache, Rennschiffe, daneben Schlitten,
"Karren, Roßbären, Rollwagen, denn ein
"Schiff möchte nicht alle die tragen, die ietzo in
"der Zahl der Narren sind. Einige haben gar
"kein Fahrzeug gefunden. Diese alle stieben um
"mich herum wie die Jmmen, viele unterstehen sich
"zum Schiffe herzu zu schwimmen. Hier will
"ein jeder Fuhrmann sey. Jch habe die Bild-
"nisse dieser Thoren und Narren daneben aus-
"gefertiget, damit ob jemand wäre, der die
"Schrift verachtete, oder vielleicht nicht lesen
"könnte, derselbe sein Wesen im Gemählde sähe.
"Er wird darinnen finden, wer er ist, und wem
"er gleich sey, und was ihm gebricht. Jch
"nenne dieses den Narren-Spiegel, in welchem
"sich ein jeder Narr kennen kan. Wer recht
"in denselben sieht, wird von ihm berichtet, wer
"er sey. Wer sich recht spiegelt, der lehrt wohl,
"daß er sich nicht vor weise achten solle, nicht
"auf sich halten, was nicht ist. Denn es ist nie-
"mand, dem nichts gebricht, oder der mit Wahr-
"heit sprechen dürffe, daß er weise und nicht ein
"Narr sey. Aber wer sich vor einen Narren
"achtet, der ist bald zu einem Weisen gemachet;
"hingegen wer witzig seyn will, der ist mein
"Gevater Fatuus. Dieser thut mir auch daran
"Gewalt, so fern er dieses Buch nicht behält.

"Hier ist kein Mangel an Narren, ein jeder
"findet, was ihn gelüstet, und wozu er gebohren
"sey;
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des ſechszehnten Jahrhunderts.
„dieſer Urſache habe ich gedacht, Schiffe fuͤr
„die Narren auszuruͤſten; Galeren, Fuſten,
„Kragken, Nauen, Barken, Kiele, Weidlin-
„ge, Hornache, Rennſchiffe, daneben Schlitten,
„Karren, Roßbaͤren, Rollwagen, denn ein
„Schiff moͤchte nicht alle die tragen, die ietzo in
„der Zahl der Narren ſind. Einige haben gar
„kein Fahrzeug gefunden. Dieſe alle ſtieben um
„mich herum wie die Jmmen, viele unterſtehen ſich
„zum Schiffe herzu zu ſchwimmen. Hier will
„ein jeder Fuhrmann ſey. Jch habe die Bild-
„niſſe dieſer Thoren und Narren daneben aus-
„gefertiget, damit ob jemand waͤre, der die
„Schrift verachtete, oder vielleicht nicht leſen
„koͤnnte, derſelbe ſein Weſen im Gemaͤhlde ſaͤhe.
„Er wird darinnen finden, wer er iſt, und wem
„er gleich ſey, und was ihm gebricht. Jch
„nenne dieſes den Narren-Spiegel, in welchem
„ſich ein jeder Narr kennen kan. Wer recht
„in denſelben ſieht, wird von ihm berichtet, wer
„er ſey. Wer ſich recht ſpiegelt, der lehrt wohl,
„daß er ſich nicht vor weiſe achten ſolle, nicht
„auf ſich halten, was nicht iſt. Denn es iſt nie-
„mand, dem nichts gebricht, oder der mit Wahr-
„heit ſprechen duͤrffe, daß er weiſe und nicht ein
„Narr ſey. Aber wer ſich vor einen Narren
„achtet, der iſt bald zu einem Weiſen gemachet;
„hingegen wer witzig ſeyn will, der iſt mein
„Gevater Fatuus. Dieſer thut mir auch daran
„Gewalt, ſo fern er dieſes Buch nicht behaͤlt.

„Hier iſt kein Mangel an Narren, ein jeder
„findet, was ihn geluͤſtet, und wozu er gebohren
„ſey;
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[5/0005] des ſechszehnten Jahrhunderts. „dieſer Urſache habe ich gedacht, Schiffe fuͤr „die Narren auszuruͤſten; Galeren, Fuſten, „Kragken, Nauen, Barken, Kiele, Weidlin- „ge, Hornache, Rennſchiffe, daneben Schlitten, „Karren, Roßbaͤren, Rollwagen, denn ein „Schiff moͤchte nicht alle die tragen, die ietzo in „der Zahl der Narren ſind. Einige haben gar „kein Fahrzeug gefunden. Dieſe alle ſtieben um „mich herum wie die Jmmen, viele unterſtehen ſich „zum Schiffe herzu zu ſchwimmen. Hier will „ein jeder Fuhrmann ſey. Jch habe die Bild- „niſſe dieſer Thoren und Narren daneben aus- „gefertiget, damit ob jemand waͤre, der die „Schrift verachtete, oder vielleicht nicht leſen „koͤnnte, derſelbe ſein Weſen im Gemaͤhlde ſaͤhe. „Er wird darinnen finden, wer er iſt, und wem „er gleich ſey, und was ihm gebricht. Jch „nenne dieſes den Narren-Spiegel, in welchem „ſich ein jeder Narr kennen kan. Wer recht „in denſelben ſieht, wird von ihm berichtet, wer „er ſey. Wer ſich recht ſpiegelt, der lehrt wohl, „daß er ſich nicht vor weiſe achten ſolle, nicht „auf ſich halten, was nicht iſt. Denn es iſt nie- „mand, dem nichts gebricht, oder der mit Wahr- „heit ſprechen duͤrffe, daß er weiſe und nicht ein „Narr ſey. Aber wer ſich vor einen Narren „achtet, der iſt bald zu einem Weiſen gemachet; „hingegen wer witzig ſeyn will, der iſt mein „Gevater Fatuus. Dieſer thut mir auch daran „Gewalt, ſo fern er dieſes Buch nicht behaͤlt. „Hier iſt kein Mangel an Narren, ein jeder „findet, was ihn geluͤſtet, und wozu er gebohren „ſey; A 3

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung08_1743/5>, abgerufen am 24.04.2024.