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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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4. Rüstkammer zu Emden.
Manche Stücke werden bestimmten Personen zugeschrieben. Von
diesen Zuschreibungen sind viele durch Belege beglaubigt, andere be-
ruhen zwar nur auf Traditionen, haben aber in Ansehung der ur-
sprünglichen Zugehörigkeit der Stücke zu der kurfürstlichen Sammlung
die Wahrscheinlichkeit für sich. Von grosser Bedeutung ist die Samm-
lung türkischer und persischer Waffen und Kriegsgeräte, die grössten-
teils von August II. zusammengebracht wurde. Ihr reiht sich eine
wertvolle ethnologische Sammlung an, die noch fortwährend vermehrt
wird. An älteren, künstlerisch ausgestatteten Sätteln und Pferdezeugen
ist das Museum eines der reichsten der Welt.

Die königliche Gewehrgalerie, 1730 gegründet,*) enthält über
2000 Nummern, die am reichsten ausgestatteten Jagdgewehre sind
vorwiegend französischer und deutscher Arbeit. Sie ist als die reich-
haltigste und instruktivste Sammlung von Feuerwaffen des 18. Jahr-
hunderts zu betrachten.

Bei der Zusammensetzung des historischen Museums ist es
schwierig, den quantitativen Gehalt desselben an speziell dem Waffen-
gebiete angehörenden Gegenständen ziffernmässig festzustellen. Der
Gesamtstand beträgt rund 30000 Nummern. Einer übersichtlichen
Schätzung nach dürfte die Zahl der Waffen kaum die Hälfte obiger
Nummernzahl betragen.

4. Die Rüstkammer der Stadt Emden.

Die reichhaltige Waffensammlung der Stadt Emden in Ostfries-
land ist nicht, wie es sonst der Fall zu sein pflegt, aus den ver-
schiedensten Orten zusammengetragen, sondern bildet in ihrem weit-
aus grössten Teile den Waffenbesitz, den die Stadt vom Ende des
16. bis in das vorige Jahrhundert angeschafft hatte. Darauf deutet
auch die alte, noch übliche Bezeichnung: "Rüstkammer". Den ur-
sprünglichen Charakter hat sie indes, gleich der Wiener, Grazer etc.,
allgemach verloren und ist eine rein museale Anstalt geworden.
Einzelne schöne Stücke sind im Laufe der Zeit als Geschenke hinzu-
gekommen, doch stammen auch sie aus der Umgebung der Stadt.

Die Emdener Rüstkammer zählt kein Waffenstück, dessen Alter
über das 16. Jahrhundert hinausreicht. Von diesem Zeitpunkt aber
angefangen, bietet sie ein sehr lehrreiches Bild der lokalen Bewaffnung.
Sehr reich ist sie an schönen und interessanten Feuerwaffen.

Die Sammlung ist noch gegenwärtig in den ursprünglich für sie
bestimmten Räumen im oberen Stockwerke des 1576 erbauten Rat-
hauses in einer langen Halle untergebracht und in neuerer Zeit auf
Grund des ältesten Kataloges von 1839 inventiert und neu aufgestellt
worden. Sie zählt an Waffenobjekten rund 2400 Nummern.



*) Seit 1733 ist sie in der königl. Stallgalerie aufgestellt.
Boeheim, Waffenkunde. 40

4. Rüstkammer zu Emden.
Manche Stücke werden bestimmten Personen zugeschrieben. Von
diesen Zuschreibungen sind viele durch Belege beglaubigt, andere be-
ruhen zwar nur auf Traditionen, haben aber in Ansehung der ur-
sprünglichen Zugehörigkeit der Stücke zu der kurfürstlichen Sammlung
die Wahrscheinlichkeit für sich. Von groſser Bedeutung ist die Samm-
lung türkischer und persischer Waffen und Kriegsgeräte, die gröſsten-
teils von August II. zusammengebracht wurde. Ihr reiht sich eine
wertvolle ethnologische Sammlung an, die noch fortwährend vermehrt
wird. An älteren, künstlerisch ausgestatteten Sätteln und Pferdezeugen
ist das Museum eines der reichsten der Welt.

Die königliche Gewehrgalerie, 1730 gegründet,*) enthält über
2000 Nummern, die am reichsten ausgestatteten Jagdgewehre sind
vorwiegend französischer und deutscher Arbeit. Sie ist als die reich-
haltigste und instruktivste Sammlung von Feuerwaffen des 18. Jahr-
hunderts zu betrachten.

Bei der Zusammensetzung des historischen Museums ist es
schwierig, den quantitativen Gehalt desselben an speziell dem Waffen-
gebiete angehörenden Gegenständen ziffernmäſsig festzustellen. Der
Gesamtstand beträgt rund 30000 Nummern. Einer übersichtlichen
Schätzung nach dürfte die Zahl der Waffen kaum die Hälfte obiger
Nummernzahl betragen.

4. Die Rüstkammer der Stadt Emden.

Die reichhaltige Waffensammlung der Stadt Emden in Ostfries-
land ist nicht, wie es sonst der Fall zu sein pflegt, aus den ver-
schiedensten Orten zusammengetragen, sondern bildet in ihrem weit-
aus gröſsten Teile den Waffenbesitz, den die Stadt vom Ende des
16. bis in das vorige Jahrhundert angeschafft hatte. Darauf deutet
auch die alte, noch übliche Bezeichnung: „Rüstkammer“. Den ur-
sprünglichen Charakter hat sie indes, gleich der Wiener, Grazer etc.,
allgemach verloren und ist eine rein museale Anstalt geworden.
Einzelne schöne Stücke sind im Laufe der Zeit als Geschenke hinzu-
gekommen, doch stammen auch sie aus der Umgebung der Stadt.

Die Emdener Rüstkammer zählt kein Waffenstück, dessen Alter
über das 16. Jahrhundert hinausreicht. Von diesem Zeitpunkt aber
angefangen, bietet sie ein sehr lehrreiches Bild der lokalen Bewaffnung.
Sehr reich ist sie an schönen und interessanten Feuerwaffen.

Die Sammlung ist noch gegenwärtig in den ursprünglich für sie
bestimmten Räumen im oberen Stockwerke des 1576 erbauten Rat-
hauses in einer langen Halle untergebracht und in neuerer Zeit auf
Grund des ältesten Kataloges von 1839 inventiert und neu aufgestellt
worden. Sie zählt an Waffenobjekten rund 2400 Nummern.



*) Seit 1733 ist sie in der königl. Stallgalerie aufgestellt.
Boeheim, Waffenkunde. 40
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[625/0643] 4. Rüstkammer zu Emden. Manche Stücke werden bestimmten Personen zugeschrieben. Von diesen Zuschreibungen sind viele durch Belege beglaubigt, andere be- ruhen zwar nur auf Traditionen, haben aber in Ansehung der ur- sprünglichen Zugehörigkeit der Stücke zu der kurfürstlichen Sammlung die Wahrscheinlichkeit für sich. Von groſser Bedeutung ist die Samm- lung türkischer und persischer Waffen und Kriegsgeräte, die gröſsten- teils von August II. zusammengebracht wurde. Ihr reiht sich eine wertvolle ethnologische Sammlung an, die noch fortwährend vermehrt wird. An älteren, künstlerisch ausgestatteten Sätteln und Pferdezeugen ist das Museum eines der reichsten der Welt. Die königliche Gewehrgalerie, 1730 gegründet, *) enthält über 2000 Nummern, die am reichsten ausgestatteten Jagdgewehre sind vorwiegend französischer und deutscher Arbeit. Sie ist als die reich- haltigste und instruktivste Sammlung von Feuerwaffen des 18. Jahr- hunderts zu betrachten. Bei der Zusammensetzung des historischen Museums ist es schwierig, den quantitativen Gehalt desselben an speziell dem Waffen- gebiete angehörenden Gegenständen ziffernmäſsig festzustellen. Der Gesamtstand beträgt rund 30000 Nummern. Einer übersichtlichen Schätzung nach dürfte die Zahl der Waffen kaum die Hälfte obiger Nummernzahl betragen. 4. Die Rüstkammer der Stadt Emden. Die reichhaltige Waffensammlung der Stadt Emden in Ostfries- land ist nicht, wie es sonst der Fall zu sein pflegt, aus den ver- schiedensten Orten zusammengetragen, sondern bildet in ihrem weit- aus gröſsten Teile den Waffenbesitz, den die Stadt vom Ende des 16. bis in das vorige Jahrhundert angeschafft hatte. Darauf deutet auch die alte, noch übliche Bezeichnung: „Rüstkammer“. Den ur- sprünglichen Charakter hat sie indes, gleich der Wiener, Grazer etc., allgemach verloren und ist eine rein museale Anstalt geworden. Einzelne schöne Stücke sind im Laufe der Zeit als Geschenke hinzu- gekommen, doch stammen auch sie aus der Umgebung der Stadt. Die Emdener Rüstkammer zählt kein Waffenstück, dessen Alter über das 16. Jahrhundert hinausreicht. Von diesem Zeitpunkt aber angefangen, bietet sie ein sehr lehrreiches Bild der lokalen Bewaffnung. Sehr reich ist sie an schönen und interessanten Feuerwaffen. Die Sammlung ist noch gegenwärtig in den ursprünglich für sie bestimmten Räumen im oberen Stockwerke des 1576 erbauten Rat- hauses in einer langen Halle untergebracht und in neuerer Zeit auf Grund des ältesten Kataloges von 1839 inventiert und neu aufgestellt worden. Sie zählt an Waffenobjekten rund 2400 Nummern. *) Seit 1733 ist sie in der königl. Stallgalerie aufgestellt. Boeheim, Waffenkunde. 40

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 625. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/643>, abgerufen am 20.04.2024.