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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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I. Die Schutzwaffen
darüber kam ein dünner Kreidegrund, auf welchen Embleme in
Tempera gemalt wurden, zu welchen teils religiöse, teils heraldische
Motive mit Inschriften gewählt wurden. Letztere enthalten meist
religiöse Anrufungen, in späterer Zeit auch kabbalistische Sprüche,
Waffensegen etc., die man auch auf Schwertklingen findet.*) Die
Form dieser Setzschilde ist im allgemeinen die eines Parallelogramms,
oberhalb mit bogenförmigem Abschlusse mit leichter, konvexer
Wölbung. Die Mitte entlang zieht eine auch innen hohl gebildete
Ausbauchung, die am Oberrande in einen vorstehenden stumpfen
Schnabel oder einer Vorkragung endet. (Fig. 189.) Innerhalb ist
das Tragband aus Leder angenietet, unterhalb welchem sich die
Handhabe befindet. In einigen deutschen Heerteilen bediente man
sich am Anfange des 15. Jahrhunderts statt der Setzschilde der aller-
dings besser schützenden, aber schwer transportierbaren Sturm-
wände
, wie sich eine solche noch im Museum zu Sigmaringen er-
halten hat. Nicht selten haben Setzschilde oberhalb Visierspalten
oder Gucklöcher, viele sind unterhalb mit eisernen Spitzen versehen.
(Fig. 190.)

Wir begegnen häufig der Ansicht, dass die Pavese böhmischen
Ursprunges sei; diese Annahme ist sehr alt, denn schon in den Zeug-
büchern Maximilians von 1519 lesen wir:

"Nicht allein auf die teutschen art
Ist dises paradeis bewart,
Sonnder nach beheimischem syt
Tregt man uns gros pavesen mit."

Zu dieser Annahme wird man durch den Umstand gekommen
sein, dass sich die böhmischen Nationalheere wie die meisten anderen,
allerdings solcher Schutzwaffen bedienten, aber die Entstehung der Pavesen
dürfte sich doch aus früherer Zeit herschreiben. Schon bei den
Normanen tritt der Schild unter der Bezeichnung pavois auf, und es
scheint nicht unglaubwürdig, dass sich dieser Name von der Stadt
Pavia hergeleitet hat, wo nachweislich schon in antiker Zeit eine weit-
berühmte Schildfabrik bestand. (Fig. 191.)

War der Setzschild die bestimmte Schutzwaffe nur für die Ver-
teidigung, so musste man bestrebt sein, auch dem angreifenden Fuss-
knecht einen Schutz zu bieten; damit entstand der Handschild, die
kleine Pavese. Dieselbe ist meist viereckig, unten zuweilen auch
schmäler und besitzt gleichfalls die charakteristische Ausbauchung, die

*) Unter den gothischen Randinschriften auf Setzschilden und Pavesen findet
man häufig die Anrufungen: "Hilf, Maria!", "Hilf, heiliger Ritter St. Jörg!", "Hilf,
du ewiges Wort dem Leibe hier, den Seelen dort!", aber auch das kabbalistische
Wort "agla", das sind die Anfangsbuchstaben des Spruches: "Atha Gibbon
Leolam, Adonai", d. h. "du bist stark, Herr in Ewigkeit"; oder dafür auch die
Zusammenfassung: "Thetragramathon", d. h. das durch vier Zeichen (Worte) Aus-
gedrückte. Endlich finden sich auch häufig die Namen der heiligen drei Könige.

I. Die Schutzwaffen
darüber kam ein dünner Kreidegrund, auf welchen Embleme in
Tempera gemalt wurden, zu welchen teils religiöse, teils heraldische
Motive mit Inschriften gewählt wurden. Letztere enthalten meist
religiöse Anrufungen, in späterer Zeit auch kabbalistische Sprüche,
Waffensegen etc., die man auch auf Schwertklingen findet.*) Die
Form dieser Setzschilde ist im allgemeinen die eines Parallelogramms,
oberhalb mit bogenförmigem Abschlusse mit leichter, konvexer
Wölbung. Die Mitte entlang zieht eine auch innen hohl gebildete
Ausbauchung, die am Oberrande in einen vorstehenden stumpfen
Schnabel oder einer Vorkragung endet. (Fig. 189.) Innerhalb ist
das Tragband aus Leder angenietet, unterhalb welchem sich die
Handhabe befindet. In einigen deutschen Heerteilen bediente man
sich am Anfange des 15. Jahrhunderts statt der Setzschilde der aller-
dings besser schützenden, aber schwer transportierbaren Sturm-
wände
, wie sich eine solche noch im Museum zu Sigmaringen er-
halten hat. Nicht selten haben Setzschilde oberhalb Visierspalten
oder Gucklöcher, viele sind unterhalb mit eisernen Spitzen versehen.
(Fig. 190.)

Wir begegnen häufig der Ansicht, daſs die Pavese böhmischen
Ursprunges sei; diese Annahme ist sehr alt, denn schon in den Zeug-
büchern Maximilians von 1519 lesen wir:

„Nicht allein auf die teutschen art
Ist dises paradeis bewart,
Sonnder nach beheimischem syt
Tregt man uns gros pavesen mit.“

Zu dieser Annahme wird man durch den Umstand gekommen
sein, daſs sich die böhmischen Nationalheere wie die meisten anderen,
allerdings solcher Schutzwaffen bedienten, aber die Entstehung der Pavesen
dürfte sich doch aus früherer Zeit herschreiben. Schon bei den
Normanen tritt der Schild unter der Bezeichnung pavois auf, und es
scheint nicht unglaubwürdig, daſs sich dieser Name von der Stadt
Pavia hergeleitet hat, wo nachweislich schon in antiker Zeit eine weit-
berühmte Schildfabrik bestand. (Fig. 191.)

War der Setzschild die bestimmte Schutzwaffe nur für die Ver-
teidigung, so muſste man bestrebt sein, auch dem angreifenden Fuſs-
knecht einen Schutz zu bieten; damit entstand der Handschild, die
kleine Pavese. Dieselbe ist meist viereckig, unten zuweilen auch
schmäler und besitzt gleichfalls die charakteristische Ausbauchung, die

*) Unter den gothischen Randinschriften auf Setzschilden und Pavesen findet
man häufig die Anrufungen: „Hilf, Maria!“, „Hilf, heiliger Ritter St. Jörg!“, „Hilf,
du ewiges Wort dem Leibe hier, den Seelen dort!“, aber auch das kabbalistische
Wort „agla“, das sind die Anfangsbuchstaben des Spruches: „Atha Gibbon
Leolam, Adonai“, d. h. „du bist stark, Herr in Ewigkeit“; oder dafür auch die
Zusammenfassung: „Thetragramathon“, d. h. das durch vier Zeichen (Worte) Aus-
gedrückte. Endlich finden sich auch häufig die Namen der heiligen drei Könige.
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[180/0198] I. Die Schutzwaffen darüber kam ein dünner Kreidegrund, auf welchen Embleme in Tempera gemalt wurden, zu welchen teils religiöse, teils heraldische Motive mit Inschriften gewählt wurden. Letztere enthalten meist religiöse Anrufungen, in späterer Zeit auch kabbalistische Sprüche, Waffensegen etc., die man auch auf Schwertklingen findet. *) Die Form dieser Setzschilde ist im allgemeinen die eines Parallelogramms, oberhalb mit bogenförmigem Abschlusse mit leichter, konvexer Wölbung. Die Mitte entlang zieht eine auch innen hohl gebildete Ausbauchung, die am Oberrande in einen vorstehenden stumpfen Schnabel oder einer Vorkragung endet. (Fig. 189.) Innerhalb ist das Tragband aus Leder angenietet, unterhalb welchem sich die Handhabe befindet. In einigen deutschen Heerteilen bediente man sich am Anfange des 15. Jahrhunderts statt der Setzschilde der aller- dings besser schützenden, aber schwer transportierbaren Sturm- wände, wie sich eine solche noch im Museum zu Sigmaringen er- halten hat. Nicht selten haben Setzschilde oberhalb Visierspalten oder Gucklöcher, viele sind unterhalb mit eisernen Spitzen versehen. (Fig. 190.) Wir begegnen häufig der Ansicht, daſs die Pavese böhmischen Ursprunges sei; diese Annahme ist sehr alt, denn schon in den Zeug- büchern Maximilians von 1519 lesen wir: „Nicht allein auf die teutschen art Ist dises paradeis bewart, Sonnder nach beheimischem syt Tregt man uns gros pavesen mit.“ Zu dieser Annahme wird man durch den Umstand gekommen sein, daſs sich die böhmischen Nationalheere wie die meisten anderen, allerdings solcher Schutzwaffen bedienten, aber die Entstehung der Pavesen dürfte sich doch aus früherer Zeit herschreiben. Schon bei den Normanen tritt der Schild unter der Bezeichnung pavois auf, und es scheint nicht unglaubwürdig, daſs sich dieser Name von der Stadt Pavia hergeleitet hat, wo nachweislich schon in antiker Zeit eine weit- berühmte Schildfabrik bestand. (Fig. 191.) War der Setzschild die bestimmte Schutzwaffe nur für die Ver- teidigung, so muſste man bestrebt sein, auch dem angreifenden Fuſs- knecht einen Schutz zu bieten; damit entstand der Handschild, die kleine Pavese. Dieselbe ist meist viereckig, unten zuweilen auch schmäler und besitzt gleichfalls die charakteristische Ausbauchung, die *) Unter den gothischen Randinschriften auf Setzschilden und Pavesen findet man häufig die Anrufungen: „Hilf, Maria!“, „Hilf, heiliger Ritter St. Jörg!“, „Hilf, du ewiges Wort dem Leibe hier, den Seelen dort!“, aber auch das kabbalistische Wort „agla“, das sind die Anfangsbuchstaben des Spruches: „Atha Gibbon Leolam, Adonai“, d. h. „du bist stark, Herr in Ewigkeit“; oder dafür auch die Zusammenfassung: „Thetragramathon“, d. h. das durch vier Zeichen (Worte) Aus- gedrückte. Endlich finden sich auch häufig die Namen der heiligen drei Könige.

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/198>, abgerufen am 25.04.2024.