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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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I. Die Schutzwaffen.
Die Mauren trugen im 15. Jahrhundert Handschuhe an der linken
Hand, welche mit einer dreizackigen Klinge in Verbindung als An-
griffswaffe gelten konnte. Eine Nachahmung dieser Form in Spanien
und Italien ersehen wir in den Armschilden des 16. Jahrhunderts,
welche sich als eine Verbindung von Handschuh, Rundschild und
Klingen darstellten. Wir werden ihrer bei der Beschreibung der Schilde
gedenken. Noch in spätester Zeit des Jahrhunderts finden wir An-
klänge an diese Konstruktion in Handschuhen, welche mit 3 bis 4
Stacheln besetzt sind. Sie konnten unter Umständen nur im Hand-
gemenge von einigem Vorteile sein.



5. Die Harnischbrust.

So wie der Plattenharnisch nur allgemach und dadurch sich
herauszubilden begann, dass anfänglich nur einzelne Teile des Körpers
durch geschlagenes und aufgenietetes Eisenblech verstärkt wurden,
ebenso bildete sich der wichtigste Teil desselben, die Brust, aus ein-
zelnen Verstärkungsplatten, welche über den Lentner geschnallt oder
an diesen genietet wurden. Aber mit der mittelst einfacher Nieten
bewirkten Überkleidung eines Lederwamses durch grössere oder kleinere
Platten von Eisen oder anderem Metall ist der Plattenharnisch noch
keineswegs erstanden. Bei derlei überkleideten Lentnern waren die
Eisenplatten musivisch aneinander gefügt, und jede Streckbewegung
öffnete die Zwischenspalten, in welche die Schneide jeder Hiebwaffe
eindringen konnte. Erst durch die scharf von der früheren sich
unterscheidende Art der Deckung durch nach auf- oder abwärts
sich übergreifende schienenartige Eisenplatten, durch das sogenannte
Geschübe, erwuchs der eigentliche Plattenharnisch und damit dessen
wichtigster Bestandteil, die Harnischbrust. Nun übernahm die
Eisenschiene selbst die Aufgabe, die früher dem mit Eisenplatten be-
nähten Lederkleide zugeteilt war, und die Verbindung der einzelnen
Platten untereinander erfolgte, wie erwähnt, im Inneren durch breite
Streifen aus Alaunleder, sogenannte Geschübeleder, welche von
innen an die Schienen genietet waren und infolge ihrer Elastizität
und Geschmeidigkeit eine verhältnismässig freie Körperbewegung zu-
lässig machten. Betrachten wir das neue Geschübesystem, welches
eigentlich den Plattenharnisch charakterisiert, so scheint es, als hätten
die Plattner des 15. Jahrhunderts ihr Vorbild dafür in der Natur ge-
sucht und gefunden. Es ist dasselbe System der Deckung, welches
wir in den Krustaceen finden. Dass diese Ähnlichkeit auch den
alten Meistern im Bewusstsein lag, beweist, dass man geschobene
Bruststücke allgemein Krebse benannte.


I. Die Schutzwaffen.
Die Mauren trugen im 15. Jahrhundert Handschuhe an der linken
Hand, welche mit einer dreizackigen Klinge in Verbindung als An-
griffswaffe gelten konnte. Eine Nachahmung dieser Form in Spanien
und Italien ersehen wir in den Armschilden des 16. Jahrhunderts,
welche sich als eine Verbindung von Handschuh, Rundschild und
Klingen darstellten. Wir werden ihrer bei der Beschreibung der Schilde
gedenken. Noch in spätester Zeit des Jahrhunderts finden wir An-
klänge an diese Konstruktion in Handschuhen, welche mit 3 bis 4
Stacheln besetzt sind. Sie konnten unter Umständen nur im Hand-
gemenge von einigem Vorteile sein.



5. Die Harnischbrust.

So wie der Plattenharnisch nur allgemach und dadurch sich
herauszubilden begann, daſs anfänglich nur einzelne Teile des Körpers
durch geschlagenes und aufgenietetes Eisenblech verstärkt wurden,
ebenso bildete sich der wichtigste Teil desselben, die Brust, aus ein-
zelnen Verstärkungsplatten, welche über den Lentner geschnallt oder
an diesen genietet wurden. Aber mit der mittelst einfacher Nieten
bewirkten Überkleidung eines Lederwamses durch gröſsere oder kleinere
Platten von Eisen oder anderem Metall ist der Plattenharnisch noch
keineswegs erstanden. Bei derlei überkleideten Lentnern waren die
Eisenplatten musivisch aneinander gefügt, und jede Streckbewegung
öffnete die Zwischenspalten, in welche die Schneide jeder Hiebwaffe
eindringen konnte. Erst durch die scharf von der früheren sich
unterscheidende Art der Deckung durch nach auf- oder abwärts
sich übergreifende schienenartige Eisenplatten, durch das sogenannte
Geschübe, erwuchs der eigentliche Plattenharnisch und damit dessen
wichtigster Bestandteil, die Harnischbrust. Nun übernahm die
Eisenschiene selbst die Aufgabe, die früher dem mit Eisenplatten be-
nähten Lederkleide zugeteilt war, und die Verbindung der einzelnen
Platten untereinander erfolgte, wie erwähnt, im Inneren durch breite
Streifen aus Alaunleder, sogenannte Geschübeleder, welche von
innen an die Schienen genietet waren und infolge ihrer Elastizität
und Geschmeidigkeit eine verhältnismäſsig freie Körperbewegung zu-
lässig machten. Betrachten wir das neue Geschübesystem, welches
eigentlich den Plattenharnisch charakterisiert, so scheint es, als hätten
die Plattner des 15. Jahrhunderts ihr Vorbild dafür in der Natur ge-
sucht und gefunden. Es ist dasselbe System der Deckung, welches
wir in den Krustaceen finden. Daſs diese Ähnlichkeit auch den
alten Meistern im Bewuſstsein lag, beweist, daſs man geschobene
Bruststücke allgemein Krebse benannte.


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[86/0104] I. Die Schutzwaffen. Die Mauren trugen im 15. Jahrhundert Handschuhe an der linken Hand, welche mit einer dreizackigen Klinge in Verbindung als An- griffswaffe gelten konnte. Eine Nachahmung dieser Form in Spanien und Italien ersehen wir in den Armschilden des 16. Jahrhunderts, welche sich als eine Verbindung von Handschuh, Rundschild und Klingen darstellten. Wir werden ihrer bei der Beschreibung der Schilde gedenken. Noch in spätester Zeit des Jahrhunderts finden wir An- klänge an diese Konstruktion in Handschuhen, welche mit 3 bis 4 Stacheln besetzt sind. Sie konnten unter Umständen nur im Hand- gemenge von einigem Vorteile sein. 5. Die Harnischbrust. So wie der Plattenharnisch nur allgemach und dadurch sich herauszubilden begann, daſs anfänglich nur einzelne Teile des Körpers durch geschlagenes und aufgenietetes Eisenblech verstärkt wurden, ebenso bildete sich der wichtigste Teil desselben, die Brust, aus ein- zelnen Verstärkungsplatten, welche über den Lentner geschnallt oder an diesen genietet wurden. Aber mit der mittelst einfacher Nieten bewirkten Überkleidung eines Lederwamses durch gröſsere oder kleinere Platten von Eisen oder anderem Metall ist der Plattenharnisch noch keineswegs erstanden. Bei derlei überkleideten Lentnern waren die Eisenplatten musivisch aneinander gefügt, und jede Streckbewegung öffnete die Zwischenspalten, in welche die Schneide jeder Hiebwaffe eindringen konnte. Erst durch die scharf von der früheren sich unterscheidende Art der Deckung durch nach auf- oder abwärts sich übergreifende schienenartige Eisenplatten, durch das sogenannte Geschübe, erwuchs der eigentliche Plattenharnisch und damit dessen wichtigster Bestandteil, die Harnischbrust. Nun übernahm die Eisenschiene selbst die Aufgabe, die früher dem mit Eisenplatten be- nähten Lederkleide zugeteilt war, und die Verbindung der einzelnen Platten untereinander erfolgte, wie erwähnt, im Inneren durch breite Streifen aus Alaunleder, sogenannte Geschübeleder, welche von innen an die Schienen genietet waren und infolge ihrer Elastizität und Geschmeidigkeit eine verhältnismäſsig freie Körperbewegung zu- lässig machten. Betrachten wir das neue Geschübesystem, welches eigentlich den Plattenharnisch charakterisiert, so scheint es, als hätten die Plattner des 15. Jahrhunderts ihr Vorbild dafür in der Natur ge- sucht und gefunden. Es ist dasselbe System der Deckung, welches wir in den Krustaceen finden. Daſs diese Ähnlichkeit auch den alten Meistern im Bewuſstsein lag, beweist, daſs man geschobene Bruststücke allgemein Krebse benannte.

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/104>, abgerufen am 29.03.2024.