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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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10. Das bayrische Nationalmuseum in München.
der Stelle des alten Alcazars durch Gasparo de Vega ein grosses
Gebäude, die Stallmeisterei (las caballerizas) errichten. In der Folge
vergrösserte sich die Armeria durch Waffenstücke der folgenden Herr-
scher und nach und nach wandelte sich die für Kriegszwecke ange-
legte Waffenkammer in ein Museum um.

Wenn wir von der Beraubung, die die Armeria in den Napoleo-
nischen Kriegen erlitten hat, absehen, erhielt sich ihr alter Bestand
bis auf den heutigen Tag. Als ein ehrwürdiges Denkmal der ruhm-
vollen Geschichte Spaniens bildete sie zu allen Zeiten den Stolz der
Nation, und alle Parteien trugen die äusserste Sorge, dass die kostbare
Sammlung selbst mitten revolutionärer Aufstände nicht geschädigt wurde.

Ungeachtet aller dieser für ihre Erhaltung günstigen Umstände
fiel sie dennoch vor einigen Jahren einer Katastrophe zum Opfer,
die sie der völligen Vernichtung nahe brachte. Am 9. Juli 1884
entstand in dem Gebäude Feuer, das sich mit ungemeiner Schnellig-
keit nach allen Seiten verbreitete. Nur der Geistesgegenwart des ver-
ewigten Königs Alphons XII. war es zu danken, dass wenigstens ein
erheblicher Teil des Inhaltes gerettet wurde. Er drang in das bren-
nende Gebäude, rettete das nächstbeste Stück und forderte die zahl-
reiche Umgebung auf, das Gleiche zu thun. Mit Enthusiasmus und
Kühnheit folgten die Anwesenden dem königlichen Beispiele.

Die Armeria war und ist noch heute die kostbarste Waffen-
sammlung in Europa. Sie enthält eine unschätzbare Menge von
Waffen maurischer wie christlicher Herkunft vom 13. bis ins 15.
Jahrhundert, wie eine solche nirgends angetroffen wird. An den
Harnischen und Waffen Karls V. und Philipps II. haben die berühm-
testen Kunstarbeiter Spaniens, Deutschlands und Italiens das Erlesenste
zu schaffen sich bemüht. Der Gesamtbestand hat einen ungemeinen
historischen Wert, und wenn auch viele der historischen Daten, die
an einzelnen Stücken geknüpft werden, nur auf Tradition beruhen,
so dürfte doch eine nähere Durchforschung der Archive von Simancas
eine Fülle von interessanten und wichtigen Belegen zur Geschichte
derselben ans Licht bringen. Einen wichtigen, ja unschätzbaren Be-
leg hierzu, eine Grundlage zum Studium bildet ein vorhandener Bild-
kodex aus dem Beginne der Regierungszeit Philipp II.

Vor dem Brande 1884 zählte die Armeria nicht ganz 2700
Nummern, über ihren gegenwärtigen etwas verminderten Bestand sind
dem Verfasser bisher noch keine authentischen Nachrichten zuge-
kommen.

10. Das bayrische Nationalmuseum in München.

Wenn auch der Bestand des bayrischen Nationalmuseums an
Waffen infolge der getroffenen Aufstellung nicht so im Zusammen-
hange vorgeführt wird, wie dies zu wünschen wäre, so ist er doch an

10. Das bayrische Nationalmuseum in München.
der Stelle des alten Alcazars durch Gasparo de Vega ein groſses
Gebäude, die Stallmeisterei (las caballerizas) errichten. In der Folge
vergröſserte sich die Armeria durch Waffenstücke der folgenden Herr-
scher und nach und nach wandelte sich die für Kriegszwecke ange-
legte Waffenkammer in ein Museum um.

Wenn wir von der Beraubung, die die Armeria in den Napoleo-
nischen Kriegen erlitten hat, absehen, erhielt sich ihr alter Bestand
bis auf den heutigen Tag. Als ein ehrwürdiges Denkmal der ruhm-
vollen Geschichte Spaniens bildete sie zu allen Zeiten den Stolz der
Nation, und alle Parteien trugen die äuſserste Sorge, daſs die kostbare
Sammlung selbst mitten revolutionärer Aufstände nicht geschädigt wurde.

Ungeachtet aller dieser für ihre Erhaltung günstigen Umstände
fiel sie dennoch vor einigen Jahren einer Katastrophe zum Opfer,
die sie der völligen Vernichtung nahe brachte. Am 9. Juli 1884
entstand in dem Gebäude Feuer, das sich mit ungemeiner Schnellig-
keit nach allen Seiten verbreitete. Nur der Geistesgegenwart des ver-
ewigten Königs Alphons XII. war es zu danken, daſs wenigstens ein
erheblicher Teil des Inhaltes gerettet wurde. Er drang in das bren-
nende Gebäude, rettete das nächstbeste Stück und forderte die zahl-
reiche Umgebung auf, das Gleiche zu thun. Mit Enthusiasmus und
Kühnheit folgten die Anwesenden dem königlichen Beispiele.

Die Armeria war und ist noch heute die kostbarste Waffen-
sammlung in Europa. Sie enthält eine unschätzbare Menge von
Waffen maurischer wie christlicher Herkunft vom 13. bis ins 15.
Jahrhundert, wie eine solche nirgends angetroffen wird. An den
Harnischen und Waffen Karls V. und Philipps II. haben die berühm-
testen Kunstarbeiter Spaniens, Deutschlands und Italiens das Erlesenste
zu schaffen sich bemüht. Der Gesamtbestand hat einen ungemeinen
historischen Wert, und wenn auch viele der historischen Daten, die
an einzelnen Stücken geknüpft werden, nur auf Tradition beruhen,
so dürfte doch eine nähere Durchforschung der Archive von Simancas
eine Fülle von interessanten und wichtigen Belegen zur Geschichte
derselben ans Licht bringen. Einen wichtigen, ja unschätzbaren Be-
leg hierzu, eine Grundlage zum Studium bildet ein vorhandener Bild-
kodex aus dem Beginne der Regierungszeit Philipp II.

Vor dem Brande 1884 zählte die Armeria nicht ganz 2700
Nummern, über ihren gegenwärtigen etwas verminderten Bestand sind
dem Verfasser bisher noch keine authentischen Nachrichten zuge-
kommen.

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Wenn auch der Bestand des bayrischen Nationalmuseums an
Waffen infolge der getroffenen Aufstellung nicht so im Zusammen-
hange vorgeführt wird, wie dies zu wünschen wäre, so ist er doch an

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[629/0647] 10. Das bayrische Nationalmuseum in München. der Stelle des alten Alcazars durch Gasparo de Vega ein groſses Gebäude, die Stallmeisterei (las caballerizas) errichten. In der Folge vergröſserte sich die Armeria durch Waffenstücke der folgenden Herr- scher und nach und nach wandelte sich die für Kriegszwecke ange- legte Waffenkammer in ein Museum um. Wenn wir von der Beraubung, die die Armeria in den Napoleo- nischen Kriegen erlitten hat, absehen, erhielt sich ihr alter Bestand bis auf den heutigen Tag. Als ein ehrwürdiges Denkmal der ruhm- vollen Geschichte Spaniens bildete sie zu allen Zeiten den Stolz der Nation, und alle Parteien trugen die äuſserste Sorge, daſs die kostbare Sammlung selbst mitten revolutionärer Aufstände nicht geschädigt wurde. Ungeachtet aller dieser für ihre Erhaltung günstigen Umstände fiel sie dennoch vor einigen Jahren einer Katastrophe zum Opfer, die sie der völligen Vernichtung nahe brachte. Am 9. Juli 1884 entstand in dem Gebäude Feuer, das sich mit ungemeiner Schnellig- keit nach allen Seiten verbreitete. Nur der Geistesgegenwart des ver- ewigten Königs Alphons XII. war es zu danken, daſs wenigstens ein erheblicher Teil des Inhaltes gerettet wurde. Er drang in das bren- nende Gebäude, rettete das nächstbeste Stück und forderte die zahl- reiche Umgebung auf, das Gleiche zu thun. Mit Enthusiasmus und Kühnheit folgten die Anwesenden dem königlichen Beispiele. Die Armeria war und ist noch heute die kostbarste Waffen- sammlung in Europa. Sie enthält eine unschätzbare Menge von Waffen maurischer wie christlicher Herkunft vom 13. bis ins 15. Jahrhundert, wie eine solche nirgends angetroffen wird. An den Harnischen und Waffen Karls V. und Philipps II. haben die berühm- testen Kunstarbeiter Spaniens, Deutschlands und Italiens das Erlesenste zu schaffen sich bemüht. Der Gesamtbestand hat einen ungemeinen historischen Wert, und wenn auch viele der historischen Daten, die an einzelnen Stücken geknüpft werden, nur auf Tradition beruhen, so dürfte doch eine nähere Durchforschung der Archive von Simancas eine Fülle von interessanten und wichtigen Belegen zur Geschichte derselben ans Licht bringen. Einen wichtigen, ja unschätzbaren Be- leg hierzu, eine Grundlage zum Studium bildet ein vorhandener Bild- kodex aus dem Beginne der Regierungszeit Philipp II. Vor dem Brande 1884 zählte die Armeria nicht ganz 2700 Nummern, über ihren gegenwärtigen etwas verminderten Bestand sind dem Verfasser bisher noch keine authentischen Nachrichten zuge- kommen. 10. Das bayrische Nationalmuseum in München. Wenn auch der Bestand des bayrischen Nationalmuseums an Waffen infolge der getroffenen Aufstellung nicht so im Zusammen- hange vorgeführt wird, wie dies zu wünschen wäre, so ist er doch an

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 629. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/647>, abgerufen am 16.04.2024.