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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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2. Der Harnischkragen.
schutzes blieb sich im wesentlichen auch in jener Periode gleich,
in welcher die ersten geschlossenen Helme in Gebrauch kamen.
Als die Kugelhelme in Aufnahme kamen, etwa um 1450, wurde der
Hals durch den unteren Teil des Helmes, der bis auf die Brust und
den Nacken hinabreichte, geschützt, aber aus dieser Form erwuchs die
grosse Unbequemlichkeit, dass der Mann nicht im stande war, den
Kopf zu erheben oder zu senken. Dieser Nachteil führte zunächst
und aus den Kreisen der praktischen Kriegführung heraus zur Ein-
führung der Schallern. Die italienischen Kondottieri waren es zuerst,
welche sich dieser relativ bequemeren Kopfbedeckung bedienten.
Der Hals wurde durch den an das Bruststück vorn befestigten Bart
geschützt, welcher bis in die Höhe der Augen reichte. Erst mit der
Einführung des burgundischen Helmes erschien als wesentliche Bei-
gabe der Harnischkragen, welcher als Bestandteil fortan beibehalten
[Abbildung] Fig. 56.

Kragen von einem Harnische des Kaisers Maximilian I.
mit Gravierungen und in Goldschmelz geziert. Vorne erblickt man das
Emblem des Vliessordens. Die Achseln werden durch Riemen befestigt.
Deutsch, um 1508. Eines der ältesten Beispiele eines Harnischkragens.

[Abbildung] Fig. 57.

Kragen von einem Harnische, der Albrecht Achilles
von Brandenburg (1414--1486) zugeschrieben ist. Der obere Rand ist
in der Art eines umgeschlagenen Kragens geformt. Arbeit um 1510.

und selbst unter dem geschlossenen Helme oder der Sturmhaube ge-
tragen wurde.

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass der Harnischkragen aus
dem sogenannten Bart (baviere, baviera) hervorgegangen ist. Der
vordere Teil wurde hierzu derart verändert, dass er nur den Hals
deckte; weiter hinauf erschien eine Deckung überflüssig, weil eine
solche durch Kinnreff und Visier am Helme hinreichend vorhanden
war. Der Rückteil wurde zum vollkommenen Verschluss neu hinzu-

2. Der Harnischkragen.
schutzes blieb sich im wesentlichen auch in jener Periode gleich,
in welcher die ersten geschlossenen Helme in Gebrauch kamen.
Als die Kugelhelme in Aufnahme kamen, etwa um 1450, wurde der
Hals durch den unteren Teil des Helmes, der bis auf die Brust und
den Nacken hinabreichte, geschützt, aber aus dieser Form erwuchs die
groſse Unbequemlichkeit, daſs der Mann nicht im stande war, den
Kopf zu erheben oder zu senken. Dieser Nachteil führte zunächst
und aus den Kreisen der praktischen Kriegführung heraus zur Ein-
führung der Schallern. Die italienischen Kondottieri waren es zuerst,
welche sich dieser relativ bequemeren Kopfbedeckung bedienten.
Der Hals wurde durch den an das Bruststück vorn befestigten Bart
geschützt, welcher bis in die Höhe der Augen reichte. Erst mit der
Einführung des burgundischen Helmes erschien als wesentliche Bei-
gabe der Harnischkragen, welcher als Bestandteil fortan beibehalten
[Abbildung] Fig. 56.

Kragen von einem Harnische des Kaisers Maximilian I.
mit Gravierungen und in Goldschmelz geziert. Vorne erblickt man das
Emblem des Vlieſsordens. Die Achseln werden durch Riemen befestigt.
Deutsch, um 1508. Eines der ältesten Beispiele eines Harnischkragens.

[Abbildung] Fig. 57.

Kragen von einem Harnische, der Albrecht Achilles
von Brandenburg (1414—1486) zugeschrieben ist. Der obere Rand ist
in der Art eines umgeschlagenen Kragens geformt. Arbeit um 1510.

und selbst unter dem geschlossenen Helme oder der Sturmhaube ge-
tragen wurde.

Aus dem Gesagten ergibt sich, daſs der Harnischkragen aus
dem sogenannten Bart (bavière, baviera) hervorgegangen ist. Der
vordere Teil wurde hierzu derart verändert, daſs er nur den Hals
deckte; weiter hinauf erschien eine Deckung überflüssig, weil eine
solche durch Kinnreff und Visier am Helme hinreichend vorhanden
war. Der Rückteil wurde zum vollkommenen Verschluſs neu hinzu-

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[61/0079] 2. Der Harnischkragen. schutzes blieb sich im wesentlichen auch in jener Periode gleich, in welcher die ersten geschlossenen Helme in Gebrauch kamen. Als die Kugelhelme in Aufnahme kamen, etwa um 1450, wurde der Hals durch den unteren Teil des Helmes, der bis auf die Brust und den Nacken hinabreichte, geschützt, aber aus dieser Form erwuchs die groſse Unbequemlichkeit, daſs der Mann nicht im stande war, den Kopf zu erheben oder zu senken. Dieser Nachteil führte zunächst und aus den Kreisen der praktischen Kriegführung heraus zur Ein- führung der Schallern. Die italienischen Kondottieri waren es zuerst, welche sich dieser relativ bequemeren Kopfbedeckung bedienten. Der Hals wurde durch den an das Bruststück vorn befestigten Bart geschützt, welcher bis in die Höhe der Augen reichte. Erst mit der Einführung des burgundischen Helmes erschien als wesentliche Bei- gabe der Harnischkragen, welcher als Bestandteil fortan beibehalten [Abbildung Fig. 56. Kragen von einem Harnische des Kaisers Maximilian I. mit Gravierungen und in Goldschmelz geziert. Vorne erblickt man das Emblem des Vlieſsordens. Die Achseln werden durch Riemen befestigt. Deutsch, um 1508. Eines der ältesten Beispiele eines Harnischkragens.] [Abbildung Fig. 57. Kragen von einem Harnische, der Albrecht Achilles von Brandenburg (1414—1486) zugeschrieben ist. Der obere Rand ist in der Art eines umgeschlagenen Kragens geformt. Arbeit um 1510.] und selbst unter dem geschlossenen Helme oder der Sturmhaube ge- tragen wurde. Aus dem Gesagten ergibt sich, daſs der Harnischkragen aus dem sogenannten Bart (bavière, baviera) hervorgegangen ist. Der vordere Teil wurde hierzu derart verändert, daſs er nur den Hals deckte; weiter hinauf erschien eine Deckung überflüssig, weil eine solche durch Kinnreff und Visier am Helme hinreichend vorhanden war. Der Rückteil wurde zum vollkommenen Verschluſs neu hinzu-

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/79>, abgerufen am 24.04.2024.