"Es ist mehr Vernunft in deinem Leibe als in deiner besten Weisheit", hat Nietzsche einmal gesagt. Ich weiß bei Nietzsche nicht, ob er sich dasselbe oder auch nur etwas Ähn¬ liches dabei gedacht hat, wie ich jetzt denke. Aber das Wort ist trefflich und giebt thatsächlich genau, was ich meine. Hast du schon einmal ernstlich in deinem Leben darüber nachgedacht, in wieviel Punkten dein Leib mehr weiß als dein bewußter Geist?
Dein Geist mag unendliche Gebiete um dich her beherrschen. Sei ein König, dessen Willen über Millionen verfügt, dessen Wort Reiche vergiebt und die Weltgeschichte macht. Dieser König wüßte sein eigenes Herz nicht klopfen zu machen, wenn es das Herz nicht von selber thäte. Wie Sancho Panza würde er vor einer Schlemmertafel voll Kapaunen und Hummersalat elendiglich verhungern, wenn sein Verdauungsapparat nicht ge¬ nau wüßte, wie man diese guten Sachen wirklich dem Körper zuführt. Der Gedanke klingt trivial und doch ist er von gar nicht abzumessender Tragweite.
Wie dein nackter weißer Leib jetzt hier in dem jungen
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Dein weiſer Leib.
„Es iſt mehr Vernunft in deinem Leibe als in deiner beſten Weisheit“, hat Nietzſche einmal geſagt. Ich weiß bei Nietzſche nicht, ob er ſich dasſelbe oder auch nur etwas Ähn¬ liches dabei gedacht hat, wie ich jetzt denke. Aber das Wort iſt trefflich und giebt thatſächlich genau, was ich meine. Haſt du ſchon einmal ernſtlich in deinem Leben darüber nachgedacht, in wieviel Punkten dein Leib mehr weiß als dein bewußter Geiſt?
Dein Geiſt mag unendliche Gebiete um dich her beherrſchen. Sei ein König, deſſen Willen über Millionen verfügt, deſſen Wort Reiche vergiebt und die Weltgeſchichte macht. Dieſer König wüßte ſein eigenes Herz nicht klopfen zu machen, wenn es das Herz nicht von ſelber thäte. Wie Sancho Panza würde er vor einer Schlemmertafel voll Kapaunen und Hummerſalat elendiglich verhungern, wenn ſein Verdauungsapparat nicht ge¬ nau wüßte, wie man dieſe guten Sachen wirklich dem Körper zuführt. Der Gedanke klingt trivial und doch iſt er von gar nicht abzumeſſender Tragweite.
Wie dein nackter weißer Leib jetzt hier in dem jungen
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Dein weiſer Leib.
„Es iſt mehr Vernunft in deinem Leibe als in deiner
beſten Weisheit“, hat Nietzſche einmal geſagt. Ich weiß bei
Nietzſche nicht, ob er ſich dasſelbe oder auch nur etwas Ähn¬
liches dabei gedacht hat, wie ich jetzt denke. Aber das Wort
iſt trefflich und giebt thatſächlich genau, was ich meine. Haſt
du ſchon einmal ernſtlich in deinem Leben darüber nachgedacht,
in wieviel Punkten dein Leib mehr weiß als dein bewußter
Geiſt?
Dein Geiſt mag unendliche Gebiete um dich her beherrſchen.
Sei ein König, deſſen Willen über Millionen verfügt, deſſen
Wort Reiche vergiebt und die Weltgeſchichte macht. Dieſer
König wüßte ſein eigenes Herz nicht klopfen zu machen, wenn
es das Herz nicht von ſelber thäte. Wie Sancho Panza würde
er vor einer Schlemmertafel voll Kapaunen und Hummerſalat
elendiglich verhungern, wenn ſein Verdauungsapparat nicht ge¬
nau wüßte, wie man dieſe guten Sachen wirklich dem Körper
zuführt. Der Gedanke klingt trivial und doch iſt er von gar
nicht abzumeſſender Tragweite.
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/60>, abgerufen am 18.04.2024.
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