Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite
Sechszehnter Brief.

-- Es ist entsetzlich mit Goethe's Sohn! Ich
hätte weinen mögen. Wie hart mußte ein Schicksal
seyn, das diesen harten Mann mürbe machte. Nach
dem letzten Berichte war er hoffnungslos und jetzt
ist er wahrscheinlich todt. Es ist mir, als würde
mit Goethe die alte deutsche Zeit begraben, ich
meine an dem Tage müsse die Freiheit geboren wer¬
den. -- -- Heute stehen wieder schöne Lügen im
Constitutionnel. In Berlin und in den Rheinpro¬
vinzen hätten aufrührerische Bewegungen Statt ge¬
funden, und die preußischen Truppen kehrten von
den Grenzen zurück. Und in Metz hätten zwei
Deutsche 2000 französische Cocarden gekauft, und
das alles, wird versichert, käme aus achtungswerther
Quelle. Aber in der Schweiz gehet es ernsthaft her.
Das wäre ein großer Schritt für Deutschland, wenn

Sechszehnter Brief.

— Es iſt entſetzlich mit Goethe's Sohn! Ich
hätte weinen mögen. Wie hart mußte ein Schickſal
ſeyn, das dieſen harten Mann mürbe machte. Nach
dem letzten Berichte war er hoffnungslos und jetzt
iſt er wahrſcheinlich todt. Es iſt mir, als würde
mit Goethe die alte deutſche Zeit begraben, ich
meine an dem Tage müſſe die Freiheit geboren wer¬
den. — — Heute ſtehen wieder ſchöne Lügen im
Conſtitutionnel. In Berlin und in den Rheinpro¬
vinzen hätten aufrühreriſche Bewegungen Statt ge¬
funden, und die preußiſchen Truppen kehrten von
den Grenzen zurück. Und in Metz hätten zwei
Deutſche 2000 franzöſiſche Cocarden gekauft, und
das alles, wird verſichert, käme aus achtungswerther
Quelle. Aber in der Schweiz gehet es ernſthaft her.
Das wäre ein großer Schritt für Deutſchland, wenn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0130" n="[116]"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b #g">Sechszehnter Brief.</hi><lb/>
          </head>
          <dateline> <hi rendition="#right">Paris, Mittwoch den 8. Dezember 1830.</hi> </dateline><lb/>
          <p>&#x2014; Es i&#x017F;t ent&#x017F;etzlich mit Goethe's Sohn! Ich<lb/>
hätte weinen mögen. Wie hart mußte ein Schick&#x017F;al<lb/>
&#x017F;eyn, das die&#x017F;en harten Mann mürbe machte. Nach<lb/>
dem letzten Berichte war er hoffnungslos und jetzt<lb/>
i&#x017F;t er wahr&#x017F;cheinlich todt. Es i&#x017F;t mir, als würde<lb/>
mit Goethe die alte deut&#x017F;che Zeit begraben, ich<lb/>
meine an dem Tage mü&#x017F;&#x017F;e die Freiheit geboren wer¬<lb/>
den. &#x2014; &#x2014; Heute &#x017F;tehen wieder &#x017F;chöne Lügen im<lb/>
Con&#x017F;titutionnel. In Berlin und in den Rheinpro¬<lb/>
vinzen hätten aufrühreri&#x017F;che Bewegungen Statt ge¬<lb/>
funden, und die preußi&#x017F;chen Truppen kehrten von<lb/>
den Grenzen zurück. Und in Metz hätten zwei<lb/>
Deut&#x017F;che 2000 franzö&#x017F;i&#x017F;che Cocarden gekauft, und<lb/>
das alles, wird ver&#x017F;ichert, käme aus achtungswerther<lb/>
Quelle. Aber in der Schweiz gehet es ern&#x017F;thaft her.<lb/>
Das wäre ein großer Schritt für Deut&#x017F;chland, wenn<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[116]/0130] Sechszehnter Brief. Paris, Mittwoch den 8. Dezember 1830. — Es iſt entſetzlich mit Goethe's Sohn! Ich hätte weinen mögen. Wie hart mußte ein Schickſal ſeyn, das dieſen harten Mann mürbe machte. Nach dem letzten Berichte war er hoffnungslos und jetzt iſt er wahrſcheinlich todt. Es iſt mir, als würde mit Goethe die alte deutſche Zeit begraben, ich meine an dem Tage müſſe die Freiheit geboren wer¬ den. — — Heute ſtehen wieder ſchöne Lügen im Conſtitutionnel. In Berlin und in den Rheinpro¬ vinzen hätten aufrühreriſche Bewegungen Statt ge¬ funden, und die preußiſchen Truppen kehrten von den Grenzen zurück. Und in Metz hätten zwei Deutſche 2000 franzöſiſche Cocarden gekauft, und das alles, wird verſichert, käme aus achtungswerther Quelle. Aber in der Schweiz gehet es ernſthaft her. Das wäre ein großer Schritt für Deutſchland, wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/130
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. [116]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/130>, abgerufen am 19.04.2024.