Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite
Zwei und zwanzigster Brief.

Die polnischen Juden zeigen sich brav, sie wol¬
len sich ein Vaterland erkämpfen. Waffen in der
Hand, das sind bessere Gründe, Freiheit zu gewin¬
nen, als Prozeßschriften beim deutschen Bundestage
eingereicht. Schon im Jahre 1794 haben sich die
polnischen Juden gut gehalten; sie bildeten damals
ein eigenes Regiment, das, als der wilde Suwarow
nach Warschau kam, ganz ausgerottet worden. Wie
wird es diesesmal werden? -- Heute, diese
Nacht
wird etwas Großes, etwas Entsetzliches ge¬
schehen. Es wird ein Sturm seyn, der die Mensch¬
heit dahin schleudern wird, wohin sie der Compaß,
selbst bei der günstigen Fahrt dieser Zeit, erst spät
geführt hätte. Wenn das Schicksal die Stunde
nicht verschläft
, wird es eine entscheidende Nacht
werden.

11 *
Zwei und zwanzigſter Brief.

Die polniſchen Juden zeigen ſich brav, ſie wol¬
len ſich ein Vaterland erkämpfen. Waffen in der
Hand, das ſind beſſere Gründe, Freiheit zu gewin¬
nen, als Prozeßſchriften beim deutſchen Bundestage
eingereicht. Schon im Jahre 1794 haben ſich die
polniſchen Juden gut gehalten; ſie bildeten damals
ein eigenes Regiment, das, als der wilde Suwarow
nach Warſchau kam, ganz ausgerottet worden. Wie
wird es dieſesmal werden? — Heute, dieſe
Nacht
wird etwas Großes, etwas Entſetzliches ge¬
ſchehen. Es wird ein Sturm ſeyn, der die Menſch¬
heit dahin ſchleudern wird, wohin ſie der Compaß,
ſelbſt bei der günſtigen Fahrt dieſer Zeit, erſt ſpät
geführt hätte. Wenn das Schickſal die Stunde
nicht verſchläft
, wird es eine entſcheidende Nacht
werden.

11 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0177" n="[163]"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b #g">Zwei und zwanzig&#x017F;ter Brief.</hi><lb/>
          </head>
          <dateline> <hi rendition="#right">Paris, Freitag, den 31. Dezember 1830.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Die polni&#x017F;chen Juden zeigen &#x017F;ich brav, &#x017F;ie wol¬<lb/>
len &#x017F;ich ein Vaterland erkämpfen. Waffen in der<lb/>
Hand, das &#x017F;ind be&#x017F;&#x017F;ere Gründe, Freiheit zu gewin¬<lb/>
nen, als Prozeß&#x017F;chriften beim deut&#x017F;chen Bundestage<lb/>
eingereicht. Schon im Jahre 1794 haben &#x017F;ich die<lb/>
polni&#x017F;chen Juden gut gehalten; &#x017F;ie bildeten damals<lb/>
ein eigenes Regiment, das, als der wilde Suwarow<lb/>
nach War&#x017F;chau kam, ganz ausgerottet worden. Wie<lb/>
wird es die&#x017F;esmal werden? &#x2014; <hi rendition="#g">Heute</hi>, <hi rendition="#g">die&#x017F;e<lb/>
Nacht</hi> wird etwas Großes, etwas Ent&#x017F;etzliches ge¬<lb/>
&#x017F;chehen. Es wird ein Sturm &#x017F;eyn, der die Men&#x017F;ch¬<lb/>
heit dahin &#x017F;chleudern wird, wohin &#x017F;ie der Compaß,<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t bei der gün&#x017F;tigen Fahrt die&#x017F;er Zeit, er&#x017F;t &#x017F;pät<lb/>
geführt hätte. <hi rendition="#g">Wenn das Schick&#x017F;al die Stunde<lb/>
nicht ver&#x017F;chläft</hi>, wird es eine ent&#x017F;cheidende Nacht<lb/>
werden.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">11 *<lb/></fw>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[163]/0177] Zwei und zwanzigſter Brief. Paris, Freitag, den 31. Dezember 1830. Die polniſchen Juden zeigen ſich brav, ſie wol¬ len ſich ein Vaterland erkämpfen. Waffen in der Hand, das ſind beſſere Gründe, Freiheit zu gewin¬ nen, als Prozeßſchriften beim deutſchen Bundestage eingereicht. Schon im Jahre 1794 haben ſich die polniſchen Juden gut gehalten; ſie bildeten damals ein eigenes Regiment, das, als der wilde Suwarow nach Warſchau kam, ganz ausgerottet worden. Wie wird es dieſesmal werden? — Heute, dieſe Nacht wird etwas Großes, etwas Entſetzliches ge¬ ſchehen. Es wird ein Sturm ſeyn, der die Menſch¬ heit dahin ſchleudern wird, wohin ſie der Compaß, ſelbſt bei der günſtigen Fahrt dieſer Zeit, erſt ſpät geführt hätte. Wenn das Schickſal die Stunde nicht verſchläft, wird es eine entſcheidende Nacht werden. 11 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/177
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. [163]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/177>, abgerufen am 24.04.2024.