Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

len, als alles was ihr von männlicher Kraft
bekannt war, um Mund und Augen anzuhäu¬
fen. Sie warf in einem fort die Lippen höh¬
nisch aus, rollte die Augen, zog die Augenbrauen
finster zusammen. Das sollte Eifersucht, Wuth,
Rachedurst vorstellen; aber es glaubte ihr Nie¬
mand ein Wort. Ihrer schönen Stimme that
sie Gewalt an, daß man sich erbarmen mußte.
Ich sah doch, daß die Leute hier unpartheyisch
sind und sich von keiner vertrauten Vorliebe be¬
stechen lassen. Der Beifall war kalt, noch mehr,
er war kühl, und man konnte merken, daß die
alte Gewohnheit verführen wollte, man ihr aber
kein Gehör gegeben. Die Devrient, noch eine
schöne Frau, hat eine volle, klangreiche Stim¬
me, die mir nur manchmal zu heldenmäßig vor¬
kam. Ich glaube, sie hat einigemal geschrien.
Haben sie nichts gehört? Ihr Spiel ist zu lo¬
ben; sie hat gelernt und gebraucht schöne aka¬
demische Stellungen. Den Schmerz der Des¬

len, als alles was ihr von maͤnnlicher Kraft
bekannt war, um Mund und Augen anzuhaͤu¬
fen. Sie warf in einem fort die Lippen hoͤh¬
niſch aus, rollte die Augen, zog die Augenbrauen
finſter zuſammen. Das ſollte Eiferſucht, Wuth,
Rachedurſt vorſtellen; aber es glaubte ihr Nie¬
mand ein Wort. Ihrer ſchoͤnen Stimme that
ſie Gewalt an, daß man ſich erbarmen mußte.
Ich ſah doch, daß die Leute hier unpartheyiſch
ſind und ſich von keiner vertrauten Vorliebe be¬
ſtechen laſſen. Der Beifall war kalt, noch mehr,
er war kuͤhl, und man konnte merken, daß die
alte Gewohnheit verfuͤhren wollte, man ihr aber
kein Gehoͤr gegeben. Die Devrient, noch eine
ſchoͤne Frau, hat eine volle, klangreiche Stim¬
me, die mir nur manchmal zu heldenmaͤßig vor¬
kam. Ich glaube, ſie hat einigemal geſchrien.
Haben ſie nichts gehoͤrt? Ihr Spiel iſt zu lo¬
ben; ſie hat gelernt und gebraucht ſchoͤne aka¬
demiſche Stellungen. Den Schmerz der Des¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <p><pb facs="#f0199" n="185"/>
len, als alles was ihr von ma&#x0364;nnlicher Kraft<lb/>
bekannt war, um Mund und Augen anzuha&#x0364;<lb/>
fen. Sie warf in einem fort die Lippen ho&#x0364;<lb/>
ni&#x017F;ch aus, rollte die Augen, zog die Augenbrauen<lb/>
fin&#x017F;ter zu&#x017F;ammen. Das &#x017F;ollte Eifer&#x017F;ucht, Wuth,<lb/>
Rachedur&#x017F;t vor&#x017F;tellen; aber es glaubte ihr Nie¬<lb/>
mand ein Wort. Ihrer &#x017F;cho&#x0364;nen Stimme that<lb/>
&#x017F;ie Gewalt an, daß man &#x017F;ich erbarmen mußte.<lb/>
Ich &#x017F;ah doch, daß die Leute hier unpartheyi&#x017F;ch<lb/>
&#x017F;ind und &#x017F;ich von keiner vertrauten Vorliebe be¬<lb/>
&#x017F;techen la&#x017F;&#x017F;en. Der Beifall war kalt, noch mehr,<lb/>
er war ku&#x0364;hl, und man konnte merken, daß die<lb/>
alte Gewohnheit verfu&#x0364;hren wollte, man ihr aber<lb/>
kein Geho&#x0364;r gegeben. Die Devrient, noch eine<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;ne Frau, hat eine volle, klangreiche Stim¬<lb/>
me, die mir nur manchmal zu heldenma&#x0364;ßig vor¬<lb/>
kam. Ich glaube, &#x017F;ie hat einigemal ge&#x017F;chrien.<lb/>
Haben &#x017F;ie nichts geho&#x0364;rt? Ihr Spiel i&#x017F;t zu lo¬<lb/>
ben; &#x017F;ie hat gelernt und gebraucht &#x017F;cho&#x0364;ne aka¬<lb/>
demi&#x017F;che Stellungen. Den Schmerz der Des¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[185/0199] len, als alles was ihr von maͤnnlicher Kraft bekannt war, um Mund und Augen anzuhaͤu¬ fen. Sie warf in einem fort die Lippen hoͤh¬ niſch aus, rollte die Augen, zog die Augenbrauen finſter zuſammen. Das ſollte Eiferſucht, Wuth, Rachedurſt vorſtellen; aber es glaubte ihr Nie¬ mand ein Wort. Ihrer ſchoͤnen Stimme that ſie Gewalt an, daß man ſich erbarmen mußte. Ich ſah doch, daß die Leute hier unpartheyiſch ſind und ſich von keiner vertrauten Vorliebe be¬ ſtechen laſſen. Der Beifall war kalt, noch mehr, er war kuͤhl, und man konnte merken, daß die alte Gewohnheit verfuͤhren wollte, man ihr aber kein Gehoͤr gegeben. Die Devrient, noch eine ſchoͤne Frau, hat eine volle, klangreiche Stim¬ me, die mir nur manchmal zu heldenmaͤßig vor¬ kam. Ich glaube, ſie hat einigemal geſchrien. Haben ſie nichts gehoͤrt? Ihr Spiel iſt zu lo¬ ben; ſie hat gelernt und gebraucht ſchoͤne aka¬ demiſche Stellungen. Den Schmerz der Des¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/199
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/199>, abgerufen am 29.03.2024.