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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833.

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Ich war seit einer Woche zweimal im
italienischen Theater, und habe die Pasta und
den vergötterten Rubini gehört, beide im
Othello und Tankred. Die Pasta soll an
dem einen Ende ihrer Stimme einige Töne
verloren, dafür aber an dem andern einige
Töne gewonnen haben. Ob oben oder unten,
weiß ich nicht. Die Pasta singt immer noch
herrlich, aber ihre Stimme drang mir nicht
in das Herz. Ihr Vortrag ist höchst edel,
aber kalt, plastisch, antik; sie singt nicht
christlich. In Glucks Opern wäre sie an ih¬
rer Stelle. Das ist mein Urtheil. Die an¬
dern finden nichts an ihr zu wünschen übrig.
Als Desdemona verglich ich sie mit meiner
immer noch angebeteten Malibran, und diese
Vergleichung konnte sie nicht ertragen. Ru¬


Ich war ſeit einer Woche zweimal im
italieniſchen Theater, und habe die Paſta und
den vergoͤtterten Rubini gehoͤrt, beide im
Othello und Tankred. Die Paſta ſoll an
dem einen Ende ihrer Stimme einige Toͤne
verloren, dafuͤr aber an dem andern einige
Toͤne gewonnen haben. Ob oben oder unten,
weiß ich nicht. Die Paſta ſingt immer noch
herrlich, aber ihre Stimme drang mir nicht
in das Herz. Ihr Vortrag iſt hoͤchſt edel,
aber kalt, plaſtiſch, antik; ſie ſingt nicht
chriſtlich. In Glucks Opern waͤre ſie an ih¬
rer Stelle. Das iſt mein Urtheil. Die an¬
dern finden nichts an ihr zu wuͤnſchen uͤbrig.
Als Desdemona verglich ich ſie mit meiner
immer noch angebeteten Malibran, und dieſe
Vergleichung konnte ſie nicht ertragen. Ru¬

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[74/0088] Donnerſtag den 20. October. Ich war ſeit einer Woche zweimal im italieniſchen Theater, und habe die Paſta und den vergoͤtterten Rubini gehoͤrt, beide im Othello und Tankred. Die Paſta ſoll an dem einen Ende ihrer Stimme einige Toͤne verloren, dafuͤr aber an dem andern einige Toͤne gewonnen haben. Ob oben oder unten, weiß ich nicht. Die Paſta ſingt immer noch herrlich, aber ihre Stimme drang mir nicht in das Herz. Ihr Vortrag iſt hoͤchſt edel, aber kalt, plaſtiſch, antik; ſie ſingt nicht chriſtlich. In Glucks Opern waͤre ſie an ih¬ rer Stelle. Das iſt mein Urtheil. Die an¬ dern finden nichts an ihr zu wuͤnſchen uͤbrig. Als Desdemona verglich ich ſie mit meiner immer noch angebeteten Malibran, und dieſe Vergleichung konnte ſie nicht ertragen. Ru¬

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/88>, abgerufen am 29.03.2024.