Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

Entwichner Wechselbalg, kehrst Du zurück!
Doch wohin Dich die flücht'gen Sohlen tragen,
So lang' im Busen Deutsche Herzen schlagen,
Ist auch Verachtung Dein gerecht Geschick!


Als ich gestern den Wechselbalg suchte, war er
nicht zu finden. Erst einen Tag in meinem Zim¬
mer und schon verschwunden! Darum heißt er auch
mit Recht ein flüchtiger Wechselbalg. Endlich
fand ich ihn unter meinen Papieren versteckt und
niedergekauert. Und als ich so Nachsuchung hielt,
fiel mir noch ein anderes Blatt in die Hände, ein
köstliches Blatt, eine wahre papierene Krone, und ich
kann darum wie Saul sagen: ich war hingegangen,
einen Esel zu suchen und habe eine Krone gefunden.
Doch nein! O Gott nein! Jetzt nicht scherzen, nicht
lachen! Lesen Sie, lesen Sie. Dieses schwefelfar¬
bige Aktenstück aus dem Archive der Hölle, wurde
mir im Winter vor unserem Aufenthalte in Soden
von *** vertraulich mitgetheilt. Ich sollte es zum
Drucke befördern. Nun hatte mich wohl damals
meine schwere Krankheit unempfindlich, später die fran¬
zösische Revolution hoffnungstrunken gemacht. Es
war mir ganz aus dem Sinne gekommen. Jetzt, ge¬
sund genug und nur zu nüchtern, fand ich das Pa¬
pier wieder. Jetzt will ich es drucken lassen. Schrei¬
ben Sie mir es ab, und verbrennen Sie sogleich
das Original. Die Handschrift möchte vielen in

Entwichner Wechſelbalg, kehrſt Du zurück!
Doch wohin Dich die flücht'gen Sohlen tragen,
So lang' im Buſen Deutſche Herzen ſchlagen,
Iſt auch Verachtung Dein gerecht Geſchick!


Als ich geſtern den Wechſelbalg ſuchte, war er
nicht zu finden. Erſt einen Tag in meinem Zim¬
mer und ſchon verſchwunden! Darum heißt er auch
mit Recht ein flüchtiger Wechſelbalg. Endlich
fand ich ihn unter meinen Papieren verſteckt und
niedergekauert. Und als ich ſo Nachſuchung hielt,
fiel mir noch ein anderes Blatt in die Hände, ein
köſtliches Blatt, eine wahre papierene Krone, und ich
kann darum wie Saul ſagen: ich war hingegangen,
einen Eſel zu ſuchen und habe eine Krone gefunden.
Doch nein! O Gott nein! Jetzt nicht ſcherzen, nicht
lachen! Leſen Sie, leſen Sie. Dieſes ſchwefelfar¬
bige Aktenſtück aus dem Archive der Hölle, wurde
mir im Winter vor unſerem Aufenthalte in Soden
von *** vertraulich mitgetheilt. Ich ſollte es zum
Drucke befördern. Nun hatte mich wohl damals
meine ſchwere Krankheit unempfindlich, ſpäter die fran¬
zöſiſche Revolution hoffnungstrunken gemacht. Es
war mir ganz aus dem Sinne gekommen. Jetzt, ge¬
ſund genug und nur zu nüchtern, fand ich das Pa¬
pier wieder. Jetzt will ich es drucken laſſen. Schrei¬
ben Sie mir es ab, und verbrennen Sie ſogleich
das Original. Die Handſchrift möchte vielen in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <div n="3">
            <pb facs="#f0263" n="249"/>
            <p>Entwichner Wech&#x017F;elbalg, kehr&#x017F;t Du zurück!<lb/>
Doch wohin Dich die flücht'gen Sohlen tragen,<lb/>
So lang' im Bu&#x017F;en Deut&#x017F;che Herzen &#x017F;chlagen,<lb/>
I&#x017F;t auch Verachtung Dein gerecht Ge&#x017F;chick!</p><lb/>
          </div>
          <div>
            <dateline> <hi rendition="#right">Donnerstag, den 8. März.</hi> </dateline><lb/>
            <p>Als ich ge&#x017F;tern den Wech&#x017F;elbalg &#x017F;uchte, war er<lb/>
nicht zu finden. Er&#x017F;t einen Tag in meinem Zim¬<lb/>
mer und &#x017F;chon ver&#x017F;chwunden! Darum heißt er auch<lb/>
mit Recht ein <hi rendition="#g">flüchtiger</hi> Wech&#x017F;elbalg. Endlich<lb/>
fand ich ihn unter meinen Papieren ver&#x017F;teckt und<lb/>
niedergekauert. Und als ich &#x017F;o Nach&#x017F;uchung hielt,<lb/>
fiel mir noch ein anderes Blatt in die Hände, ein<lb/>&#x017F;tliches Blatt, eine wahre papierene Krone, und ich<lb/>
kann darum wie Saul &#x017F;agen: ich war hingegangen,<lb/>
einen E&#x017F;el zu &#x017F;uchen und habe eine Krone gefunden.<lb/>
Doch nein! O Gott nein! Jetzt nicht &#x017F;cherzen, nicht<lb/>
lachen! Le&#x017F;en Sie, le&#x017F;en Sie. Die&#x017F;es &#x017F;chwefelfar¬<lb/>
bige Akten&#x017F;tück aus dem Archive der Hölle, wurde<lb/>
mir im Winter vor un&#x017F;erem Aufenthalte in Soden<lb/>
von *** vertraulich mitgetheilt. Ich &#x017F;ollte es zum<lb/>
Drucke befördern. Nun hatte mich wohl damals<lb/>
meine &#x017F;chwere Krankheit unempfindlich, &#x017F;päter die fran¬<lb/>&#x017F;i&#x017F;che Revolution hoffnungstrunken gemacht. Es<lb/>
war mir ganz aus dem Sinne gekommen. Jetzt, ge¬<lb/>
&#x017F;und genug und nur zu nüchtern, fand ich das Pa¬<lb/>
pier wieder. Jetzt will ich es drucken la&#x017F;&#x017F;en. Schrei¬<lb/>
ben Sie mir es ab, und verbrennen Sie &#x017F;ogleich<lb/>
das Original. Die Hand&#x017F;chrift möchte vielen in<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[249/0263] Entwichner Wechſelbalg, kehrſt Du zurück! Doch wohin Dich die flücht'gen Sohlen tragen, So lang' im Buſen Deutſche Herzen ſchlagen, Iſt auch Verachtung Dein gerecht Geſchick! Donnerstag, den 8. März. Als ich geſtern den Wechſelbalg ſuchte, war er nicht zu finden. Erſt einen Tag in meinem Zim¬ mer und ſchon verſchwunden! Darum heißt er auch mit Recht ein flüchtiger Wechſelbalg. Endlich fand ich ihn unter meinen Papieren verſteckt und niedergekauert. Und als ich ſo Nachſuchung hielt, fiel mir noch ein anderes Blatt in die Hände, ein köſtliches Blatt, eine wahre papierene Krone, und ich kann darum wie Saul ſagen: ich war hingegangen, einen Eſel zu ſuchen und habe eine Krone gefunden. Doch nein! O Gott nein! Jetzt nicht ſcherzen, nicht lachen! Leſen Sie, leſen Sie. Dieſes ſchwefelfar¬ bige Aktenſtück aus dem Archive der Hölle, wurde mir im Winter vor unſerem Aufenthalte in Soden von *** vertraulich mitgetheilt. Ich ſollte es zum Drucke befördern. Nun hatte mich wohl damals meine ſchwere Krankheit unempfindlich, ſpäter die fran¬ zöſiſche Revolution hoffnungstrunken gemacht. Es war mir ganz aus dem Sinne gekommen. Jetzt, ge¬ ſund genug und nur zu nüchtern, fand ich das Pa¬ pier wieder. Jetzt will ich es drucken laſſen. Schrei¬ ben Sie mir es ab, und verbrennen Sie ſogleich das Original. Die Handſchrift möchte vielen in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/263
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/263>, abgerufen am 29.03.2024.