Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696.

Bild:
<< vorherige Seite

des Frauenvolcks.
Eitelkeit nicht eingenommen/ soll sich auch vor dem
Eigennutz fürchten. Doch es ist sehr seltzsam/ daß eine
nicht ehrgeitzig sey/ und dabey das Reichthum ver-
achte. Eine geitzige Frau/ die ihr Laster mit dem Ti-
tul der Haußhaltungs-Kunst beschöniget/ ist von ei-
ner unglaublichen Wachsamkeit und wunderbarem
Nachsinnen. Wie ihr Verlangen des Geldes sie be-
unruhiget/ also giebt sie auf alles in ihrem Hause ge-
naue achtung/ und siehet auch dasjenige/ was nicht
anders/ als in ihrer bloßen Einbildung darinnen vor-
gehet. Daher hermet sie sich/ als ob sie nachläßig
wäre/ und bekümmert sich bey ihrem eigenen Fleiße.
Sie verlieret darüber durch allzu grosse Sparsam-
keit mehr/ als sie gewinnet; und indem sie in Hoff-
nung eines allzu unbilligen Profits zuviel waget/ so ist
ihr schaden oft desto grösser. Doch indem sie der Geitz
verblendet/ lässet sie sich gar nicht einreden noch rathe.

Sie ist allezeit unvergnügt/ und ihre Augen rich-
tet sie nur auf das Glück/ also daß sie auch selbst in
den Wercken der Gottesfurcht interessiret ist/ und ihr
Gebet nur darum verrichtet/ daß sie meynet dadurch
den Seegen der Bereicherung in ihr Hauß zu ziehen.

Sie stellet sich allezeit einen noch geitzigern zum
Exempel vor/ um daher ein Muster der Nachfolge
zu nehmen. Jhrem Gesinde/ ja sich selbst/ bricht sie
den nöthigen Unterhalt ab/ um ihr Gut zu vermehren;
und lobet sich heimlich selbst wegen so schimpfflicher
Sparsamkeit. Gehet es an das eigene Interesse, so
muß Vernunfft/ Respect und Christenthum hinten an
stehen: sie vergißt die Verwandschafft/ die Freund-
schafft/ und die Vergeltung/ wann ihr ihr Nutzen in
Ohren lieget.

Nie-
April. 1696. X

des Frauenvolcks.
Eitelkeit nicht eingenommen/ ſoll ſich auch vor dem
Eigennutz fuͤrchten. Doch es iſt ſehr ſeltzſam/ daß eine
nicht ehrgeitzig ſey/ und dabey das Reichthum ver-
achte. Eine geitzige Frau/ die ihr Laſter mit dem Ti-
tul der Haußhaltungs-Kunſt beſchoͤniget/ iſt von ei-
ner unglaublichen Wachſamkeit und wunderbarem
Nachſinnen. Wie ihr Verlangen des Geldes ſie be-
unruhiget/ alſo giebt ſie auf alles in ihrem Hauſe ge-
naue achtung/ und ſiehet auch dasjenige/ was nicht
anders/ als in ihrer bloßen Einbildung darinnen vor-
gehet. Daher hermet ſie ſich/ als ob ſie nachlaͤßig
waͤre/ und bekuͤmmert ſich bey ihrem eigenen Fleiße.
Sie verlieret daruͤber durch allzu groſſe Sparſam-
keit mehr/ als ſie gewinnet; und indem ſie in Hoff-
nung eines allzu unbilligen Profits zuviel waget/ ſo iſt
ihr ſchaden oft deſto groͤſſer. Doch indem ſie der Geitz
verblendet/ laͤſſet ſie ſich gar nicht einreden noch rathe.

Sie iſt allezeit unvergnuͤgt/ und ihre Augen rich-
tet ſie nur auf das Gluͤck/ alſo daß ſie auch ſelbſt in
den Wercken der Gottesfurcht intereſſiret iſt/ und ihꝛ
Gebet nur darum verrichtet/ daß ſie meynet dadurch
den Seegen der Bereicherung in ihr Hauß zu ziehen.

Sie ſtellet ſich allezeit einen noch geitzigern zum
Exempel vor/ um daher ein Muſter der Nachfolge
zu nehmen. Jhrem Geſinde/ ja ſich ſelbſt/ bricht ſie
den noͤthigen Unterhalt ab/ um ihr Gut zu vermehren;
und lobet ſich heimlich ſelbſt wegen ſo ſchimpfflicher
Sparſamkeit. Gehet es an das eigene Intereſſe, ſo
muß Vernunfft/ Reſpect und Chriſtenthum hinten an
ſtehen: ſie vergißt die Verwandſchafft/ die Freund-
ſchafft/ und die Vergeltung/ wann ihr ihr Nutzen in
Ohren lieget.

Nie-
April. 1696. X
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0325" n="293"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">des Frauenvolcks.</hi></fw><lb/>
Eitelkeit nicht eingenommen/ &#x017F;oll &#x017F;ich auch vor dem<lb/>
Eigennutz fu&#x0364;rchten. Doch es i&#x017F;t &#x017F;ehr &#x017F;eltz&#x017F;am/ daß eine<lb/>
nicht ehrgeitzig &#x017F;ey/ und dabey das Reichthum ver-<lb/>
achte. Eine geitzige Frau/ die ihr La&#x017F;ter mit dem Ti-<lb/>
tul der Haußhaltungs-Kun&#x017F;t be&#x017F;cho&#x0364;niget/ i&#x017F;t von ei-<lb/>
ner unglaublichen Wach&#x017F;amkeit und wunderbarem<lb/>
Nach&#x017F;innen. Wie ihr Verlangen des Geldes &#x017F;ie be-<lb/>
unruhiget/ al&#x017F;o giebt &#x017F;ie auf alles in ihrem Hau&#x017F;e ge-<lb/>
naue achtung/ und &#x017F;iehet auch dasjenige/ was nicht<lb/>
anders/ als in ihrer bloßen Einbildung darinnen vor-<lb/>
gehet. Daher hermet &#x017F;ie &#x017F;ich/ als ob &#x017F;ie nachla&#x0364;ßig<lb/>
wa&#x0364;re/ und beku&#x0364;mmert &#x017F;ich bey ihrem eigenen Fleiße.<lb/>
Sie verlieret daru&#x0364;ber durch allzu gro&#x017F;&#x017F;e Spar&#x017F;am-<lb/>
keit mehr/ als &#x017F;ie gewinnet; und indem &#x017F;ie in Hoff-<lb/>
nung eines allzu unbilligen Profits zuviel waget/ &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
ihr &#x017F;chaden oft de&#x017F;to gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er. Doch indem &#x017F;ie der Geitz<lb/>
verblendet/ la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ie &#x017F;ich gar nicht einreden noch rathe.</p><lb/>
            <p>Sie i&#x017F;t allezeit unvergnu&#x0364;gt/ und ihre Augen rich-<lb/>
tet &#x017F;ie nur auf das Glu&#x0364;ck/ al&#x017F;o daß &#x017F;ie auch &#x017F;elb&#x017F;t in<lb/>
den Wercken der Gottesfurcht <hi rendition="#aq">intere&#x017F;&#x017F;i</hi>ret i&#x017F;t/ und ih&#xA75B;<lb/>
Gebet nur darum verrichtet/ daß &#x017F;ie meynet dadurch<lb/>
den Seegen der Bereicherung in ihr Hauß zu ziehen.</p><lb/>
            <p>Sie &#x017F;tellet &#x017F;ich allezeit einen noch geitzigern zum<lb/>
Exempel vor/ um daher ein Mu&#x017F;ter der Nachfolge<lb/>
zu nehmen. Jhrem Ge&#x017F;inde/ ja &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t/ bricht &#x017F;ie<lb/>
den no&#x0364;thigen Unterhalt ab/ um ihr Gut zu vermehren;<lb/>
und lobet &#x017F;ich heimlich &#x017F;elb&#x017F;t wegen &#x017F;o &#x017F;chimpfflicher<lb/>
Spar&#x017F;amkeit. Gehet es an das eigene <hi rendition="#aq">Intere&#x017F;&#x017F;e,</hi> &#x017F;o<lb/>
muß Vernunfft/ Re&#x017F;pect und Chri&#x017F;tenthum hinten an<lb/>
&#x017F;tehen: &#x017F;ie vergißt die Verwand&#x017F;chafft/ die Freund-<lb/>
&#x017F;chafft/ und die Vergeltung/ wann ihr ihr Nutzen in<lb/>
Ohren lieget.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">April.</hi> 1696. X</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Nie-</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[293/0325] des Frauenvolcks. Eitelkeit nicht eingenommen/ ſoll ſich auch vor dem Eigennutz fuͤrchten. Doch es iſt ſehr ſeltzſam/ daß eine nicht ehrgeitzig ſey/ und dabey das Reichthum ver- achte. Eine geitzige Frau/ die ihr Laſter mit dem Ti- tul der Haußhaltungs-Kunſt beſchoͤniget/ iſt von ei- ner unglaublichen Wachſamkeit und wunderbarem Nachſinnen. Wie ihr Verlangen des Geldes ſie be- unruhiget/ alſo giebt ſie auf alles in ihrem Hauſe ge- naue achtung/ und ſiehet auch dasjenige/ was nicht anders/ als in ihrer bloßen Einbildung darinnen vor- gehet. Daher hermet ſie ſich/ als ob ſie nachlaͤßig waͤre/ und bekuͤmmert ſich bey ihrem eigenen Fleiße. Sie verlieret daruͤber durch allzu groſſe Sparſam- keit mehr/ als ſie gewinnet; und indem ſie in Hoff- nung eines allzu unbilligen Profits zuviel waget/ ſo iſt ihr ſchaden oft deſto groͤſſer. Doch indem ſie der Geitz verblendet/ laͤſſet ſie ſich gar nicht einreden noch rathe. Sie iſt allezeit unvergnuͤgt/ und ihre Augen rich- tet ſie nur auf das Gluͤck/ alſo daß ſie auch ſelbſt in den Wercken der Gottesfurcht intereſſiret iſt/ und ihꝛ Gebet nur darum verrichtet/ daß ſie meynet dadurch den Seegen der Bereicherung in ihr Hauß zu ziehen. Sie ſtellet ſich allezeit einen noch geitzigern zum Exempel vor/ um daher ein Muſter der Nachfolge zu nehmen. Jhrem Geſinde/ ja ſich ſelbſt/ bricht ſie den noͤthigen Unterhalt ab/ um ihr Gut zu vermehren; und lobet ſich heimlich ſelbſt wegen ſo ſchimpfflicher Sparſamkeit. Gehet es an das eigene Intereſſe, ſo muß Vernunfft/ Reſpect und Chriſtenthum hinten an ſtehen: ſie vergißt die Verwandſchafft/ die Freund- ſchafft/ und die Vergeltung/ wann ihr ihr Nutzen in Ohren lieget. Nie- April. 1696. X

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Diese Ausgabe ist ein Exemplar der Zeitschrift „D… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bohse_helicon_1696
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bohse_helicon_1696/325
Zitationshilfe: Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bohse_helicon_1696/325>, abgerufen am 28.03.2024.