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Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 1. Leipzig, 1896.

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[Gleich. 8] I. Abschnitt. § 3. Geschwindigkeitsvertheilungsgesetz.
der Gesammtdruck des Gasgemenges ist; derselbe ist also
gleich der Summe der Partialdrücke, d. h. der Drücke, welche
je ein Gas ausüben würde, wenn es ganz allein im Gefässe
vorhanden wäre.

Die Kräfte, welche zwei Moleküle während eines Zusammen-
stosses aufeinander ausüben, können dabei ganz beliebige sein,
wenn nur deren Wirkungssphäre klein gegen die mittlere Weg-
länge ist. Dagegen wurde angenommen, dass die Moleküle an
den Wänden wie elastische Kugeln reflectirt werden. Von der
letzteren beschränkenden Annahme werden wir uns in § 20
unabhängig machen. Eine zweite allgemeine Ableitung der
Gleichungen dieses Paragraphen aus dem Virialsatze werden
wir im zweiten Theile kennen lernen.


I. Abschnitt.
Die Moleküle sind elastische Kugeln. Aeussere Kräfte und
sichtbare Massenbewegungen fehlen.
§ 3. Maxwell's Beweis des Geschwindigkeits-
vertheilungsgesetzes; Häufigkeit der Zusammenstösse
.

Wir wollen nun einen Augenblick annehmen, dass sich
in dem Gefässe ein einziges Gas mit lauter gleichbeschaffenen
Molekülen befindet. Die Moleküle sollen sich von nun an, bis
wir ausdrücklich das Gegentheil sagen, auch im Zusammen-
stosse untereinander genau wie vollkommen elastische Kugeln
verhalten. Gesetzt selbst alle Moleküle hätten zu Anfang
der Zeit dieselbe Geschwindigkeit, so würden bald unter den
nun folgenden Zusammenstössen der Moleküle solche vor-
kommen, wo die Geschwindigkeit des stossenden Moleküls nahe
die Richtung der Centrilinie hat, die des gestossenen aber nahe
darauf senkrecht ist. Dadurch würde das stossende Molekül
nahe die Geschwindigkeit Null, das gestossene nahe eine
[Formel 1] mal so grosse Geschwindigkeit erhalten. Im weiteren Ver-
laufe der Stösse würden bald, wenn die Anzahl der Moleküle
eine sehr grosse ist, alle möglichen Geschwindigkeiten von Null
bis zu einer Geschwindigkeit vorkommen, die erheblich grösser

[Gleich. 8] I. Abschnitt. § 3. Geschwindigkeitsvertheilungsgesetz.
der Gesammtdruck des Gasgemenges ist; derselbe ist also
gleich der Summe der Partialdrücke, d. h. der Drücke, welche
je ein Gas ausüben würde, wenn es ganz allein im Gefässe
vorhanden wäre.

Die Kräfte, welche zwei Moleküle während eines Zusammen-
stosses aufeinander ausüben, können dabei ganz beliebige sein,
wenn nur deren Wirkungssphäre klein gegen die mittlere Weg-
länge ist. Dagegen wurde angenommen, dass die Moleküle an
den Wänden wie elastische Kugeln reflectirt werden. Von der
letzteren beschränkenden Annahme werden wir uns in § 20
unabhängig machen. Eine zweite allgemeine Ableitung der
Gleichungen dieses Paragraphen aus dem Virialsatze werden
wir im zweiten Theile kennen lernen.


I. Abschnitt.
Die Moleküle sind elastische Kugeln. Aeussere Kräfte und
sichtbare Massenbewegungen fehlen.
§ 3. Maxwell’s Beweis des Geschwindigkeits-
vertheilungsgesetzes; Häufigkeit der Zusammenstösse
.

Wir wollen nun einen Augenblick annehmen, dass sich
in dem Gefässe ein einziges Gas mit lauter gleichbeschaffenen
Molekülen befindet. Die Moleküle sollen sich von nun an, bis
wir ausdrücklich das Gegentheil sagen, auch im Zusammen-
stosse untereinander genau wie vollkommen elastische Kugeln
verhalten. Gesetzt selbst alle Moleküle hätten zu Anfang
der Zeit dieselbe Geschwindigkeit, so würden bald unter den
nun folgenden Zusammenstössen der Moleküle solche vor-
kommen, wo die Geschwindigkeit des stossenden Moleküls nahe
die Richtung der Centrilinie hat, die des gestossenen aber nahe
darauf senkrecht ist. Dadurch würde das stossende Molekül
nahe die Geschwindigkeit Null, das gestossene nahe eine
[Formel 1] mal so grosse Geschwindigkeit erhalten. Im weiteren Ver-
laufe der Stösse würden bald, wenn die Anzahl der Moleküle
eine sehr grosse ist, alle möglichen Geschwindigkeiten von Null
bis zu einer Geschwindigkeit vorkommen, die erheblich grösser

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[15/0029] [Gleich. 8] I. Abschnitt. § 3. Geschwindigkeitsvertheilungsgesetz. der Gesammtdruck des Gasgemenges ist; derselbe ist also gleich der Summe der Partialdrücke, d. h. der Drücke, welche je ein Gas ausüben würde, wenn es ganz allein im Gefässe vorhanden wäre. Die Kräfte, welche zwei Moleküle während eines Zusammen- stosses aufeinander ausüben, können dabei ganz beliebige sein, wenn nur deren Wirkungssphäre klein gegen die mittlere Weg- länge ist. Dagegen wurde angenommen, dass die Moleküle an den Wänden wie elastische Kugeln reflectirt werden. Von der letzteren beschränkenden Annahme werden wir uns in § 20 unabhängig machen. Eine zweite allgemeine Ableitung der Gleichungen dieses Paragraphen aus dem Virialsatze werden wir im zweiten Theile kennen lernen. I. Abschnitt. Die Moleküle sind elastische Kugeln. Aeussere Kräfte und sichtbare Massenbewegungen fehlen. § 3. Maxwell’s Beweis des Geschwindigkeits- vertheilungsgesetzes; Häufigkeit der Zusammenstösse. Wir wollen nun einen Augenblick annehmen, dass sich in dem Gefässe ein einziges Gas mit lauter gleichbeschaffenen Molekülen befindet. Die Moleküle sollen sich von nun an, bis wir ausdrücklich das Gegentheil sagen, auch im Zusammen- stosse untereinander genau wie vollkommen elastische Kugeln verhalten. Gesetzt selbst alle Moleküle hätten zu Anfang der Zeit dieselbe Geschwindigkeit, so würden bald unter den nun folgenden Zusammenstössen der Moleküle solche vor- kommen, wo die Geschwindigkeit des stossenden Moleküls nahe die Richtung der Centrilinie hat, die des gestossenen aber nahe darauf senkrecht ist. Dadurch würde das stossende Molekül nahe die Geschwindigkeit Null, das gestossene nahe eine [FORMEL] mal so grosse Geschwindigkeit erhalten. Im weiteren Ver- laufe der Stösse würden bald, wenn die Anzahl der Moleküle eine sehr grosse ist, alle möglichen Geschwindigkeiten von Null bis zu einer Geschwindigkeit vorkommen, die erheblich grösser

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Zitationshilfe: Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 1. Leipzig, 1896, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie01_1896/29>, abgerufen am 29.03.2024.